«Rundschau»-Beitrag «Kiffernation Schweiz» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 24. Januar 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Rundschau» (Fernsehen SRF) vom 23. Januar 2019 und dort den Beitrag «Kiffernation Schweiz».[1]Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Der Beitrag zum Hanfkonsum von Jürg Brandenberger in der Rundschau, ausgestrahlt am 23.01.2019, ist weder zeitgemäss noch neutral. Der Beitrag führt leider nicht dazu, dass sich Zuschauer zu diesem Thema eine eigene Meinung bilden. Bei Unwissenden sowie Zweiflern der Heilpflanze wird ganz klar Angst produziert und gefördert. Zum Beispiel mit dem als Ex-Kiffer porträtierten Samuel, der im Beitrag früher Opiat- und Hanfabhängiger war. Im Beitrag werden Schlüsse gezogen, dass der Hanf für seinen heutigen Zustand verantwortlich oder teils verantwortlich sei. Jedoch könnte er ebenso gut wegen des Opiatkonsums in Behandlung sein. Aus medizinischer und sozialpädagogischer Hinsicht ist jeder Süchtige, der sich in einer institutionellen Hilfe befindet, wegen sehr vielen verschiedenen Faktoren psychischer und physischer Herkunft süchtiger geworden. Keinesfalls können dafür Hanf oder andere Substanzen als Auslöser verantwortlich gemacht werden.

Des weiteren werden im Beitrag Mediziner zitiert, die dem Hanfkonsum negative Gehirnveränderungen nachweisen. Das mag durchaus stimmen. Im Beitrag werden aber keinesfalls auch die Vorteile des Hanfkonsums gleich gewichtet. Obwohl die medizinischen Nutzen und Vorteile im heutigen Jahrhundert bereits zu genüge bekannt sind.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Rundschau» antwortete Herr Mario Poletti, Redaktionsleiter der Sendung:

«Gerne nehmen wir Stellung zur Beanstandung von Herrn X.

Im Fokus des Beitrages mit anschliessendem Studiogespräch steht die Gefahr für Jugendliche beim Konsum von thc-haltigem Cannabis zu Rauschzwecken. Eine Gefahr, die bei der grossen Mehrheit der Suchtexperten, Mediziner und Wissenschafter unumstritten ist. Wir haben gezeigt, dass dieses Risiko vielen Jugendlichen nicht bewusst ist. Das war der Fokus des Beitrages, und es ging nicht um positive Aspekte des Medizinalhanfes.

Der Beanstander bezieht sich auf das Beispiel von Samuel, der seinen Entzug in der Klinik Littenheid macht. Samuel selbst bezeichnete im Vorgespräch Cannabis als seine Einstiegsdroge. Die Opiodsucht kam später hinzu, auf der Suche nach stärkerer Berauschung. Heute macht er den Entzug für beide Drogen. Dies wird im Kommentar explizit erwähnt.

Der im Beitrag zitierte Jugendpsychiater in Littenheid spricht über die wie erwähnt unumstrittenen möglichen Folgen für das Gehirn bei frühem Cannabiskonsum. Ein anderer Drogenexperte bezieht sich auf die Schwierigkeit beim Jugendschutz. Zudem spricht ein Klinikleiter und Jugendpsychologe über die geschätzte Grösse der Risikogruppe. All diese Aussagen fokussieren auf das Beitragsthema.

Sowohl im Beitrag wie auch im Studiogespräch hatte Nationalrat Heinz Siegenthaler ausreichend Gelegenheit auf die positiven Aspekte von Cannabis hinzuweisen. Aber auch im Gespräch mit ihm lag der Fokus klar auf dem Jugendschutz und den möglichen Gefahren für jugendliche Cannabiskonsumenten. Konkret vertritt Siegenthaler die Meinung, dass von der Liberalisierung bei der Hanfabgabe erst 18-Jährige profitieren sollen, und er bestreitet die schädliche Wirkung von Cannabis bei Jugendlichen nicht.

Fazit: Wir sind überzeugt, mit dem Bericht einen wichtigen Diskussionsbeitrag über die unterschätzte Gefahr des Cannabis-Konsums geleistet zu haben. Hanfpionier und Nationalrat Heinz Siegenthaler konnte differenziert seine Argumente für eine Liberalisierung darlegen. Das Publikum konnte sich damit eine eigene Meinung bilden.

Aus diesen Gründen bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung abzuweisen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich habe den Ausführungen von Herrn Poletti wenig beizufügen. Die Sendung ist klassisch aufgebaut: Zuerst wird im redaktionellen Beitrag der Cannabis-Konsum problematisiert. Es wird überzeugend nachgewiesen, dass der Konsum vorab bei Jugendlichen zu Gehirnschäden führen kann. Dann wird an der Theke Nationalrat Heinz Siegenthaler (BDP, Bern)[2], eidgenössisch diplomierter Meisterlandwirt in Rüti bei Büren, befragt. Siegenthaler baut selber Cannabis an und ist ein Befürworter der Liberalisierung dieser Droge. Er wies mehrfach auf die Bedeutung von Cannabis als medizinisches Heilmittel hin. Was wollen Sie mehr? Ausgewogenheit pur! Was Sie vermissten, war alles in der Sendung. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/junge-kiffer-zersiedelungsinitiative-bolsonaro-drillt-brasilien?id=de5cd15a-fed6-4a9b-bdae-7cbb215f35a1

[2] https://www.parlament.ch/de/biografie/heinz-siegenthaler/4146

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