SRF News online, Artikel «Neue Zahlen zur Klimaerwärmung» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 8. Februar 2019 haben Sie den Artikel «Neue Zahlen zur Klimaerwärmung» bei SRF News online vom 7. Februar 2019 beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
Hiermit beanstande ich einen auf www.srf.ch publizierten Artikel wegen Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots gemäss Art. 4 Abs. 2 RTVG.
Im Artikel [1] «2016 war das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen», publiziert am 7. Februar 2019 von den Journalisten mit den Autorenkürzel lin und hesa (siehe Anhang), wird der Leserschaft mit der Verwendung der Titelüberschrift «Klimaerwärmung oder Hysterie?» und der Interviewfrage «Ist die Klimaerwärmung menschgemacht?» suggeriert, dass sowohl die Existenz des Klimawandels als physikalisches Phänomen wie auch der Mensch als dessen Hauptverursacher noch immer zur Debatte stünden bzw. wissenschaftlich noch nicht hinreichend belegt wären. Ein Blick auf den Inhalt der im Leserforum geführten Diskussionen bestätigen diese Einschätzung.
Dass der Klimawandel tatsächlich stattfindet und wir Menschen mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit (>95%) die Hauptverantwortung dafür tragen ist in der Wissenschaft seit vielen Jahren unumstritten. Im fünften Evaluationsbericht [2] des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), der wissenschaftlichen Fachkörperschaft der Vereinten Nationen und kollektiven Autorität auf dem Gebiet des Klimawandels, steht «warming of the climate system is unequivocal» und «anthropogenic greenhouse gas emissions [...] are extremely likely to have been the dominant cause of the observed warming since the mid-20th century.» Auf der Klimawebsite [3] der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, die eines der grössten Klimaforschungsprogramme der Welt unterhält, finden sich viele weitere glaubwürdige und unabhängige Quellen die bestätigen, dass die Aussagen des IPCC dem wissenschaftlichen Konsens entsprechen.
Der erwähnte Artikel verletzt deshalb das Sachgerechtigkeitsgebot, weil er den aktuellen Stand der Wissenschaft nicht sachgerecht reflektiert und der Leserschaft eine wissenschaftliche Unklarheit vortäuscht, die nicht besteht. In der Medienwissenschaft kennt man dieses Problem als «false balance»: Die Neigung (Bias), die Validität unterschiedlicher Perspektiven auf einen spezifischen Sachverhalt als ausgeglichener darzustellen, als dies die Beweislage zulassen würde (z.B. Fahy 2017 [4] und Timm et al. 2017 [5]).
Aus journalistischer Sicht ist eine ausgewogene Berichterstattung natürlich wichtig, um die neutrale öffentliche Meinungsbildung zu unterstützen. Wenn es sich aber um eine «false balance» handelt, die lediglich darauf abzielt, Polarisierung zu fördern um Website-Traffic zu generieren, ist dies sowohl aus medienrechtlicher wie auch demokratischer Perspektive problematisch. Die Existenz und Ursachen des Klimawandels als offene Debatte zu positionieren wäre gleichbedeutend mit der Infragestellung des Kausalzusammenhangs zwischen Rauchen und Lungenkrebs. Deshalb gilt es heute als unethisch, «false balance» als journalistisches Stilmittel in der Klimaberichterstattung einzusetzen (Ward 2009 [6] und Huntingford & Fowler 2008 [7]). Diese Ansicht hat sich mittlerweile bei vielen Medienhäusern durchgesetzt. Die BBC beispielsweise hat letztes Jahr neue interne Richtlinien [8] erlassen und ihre Journalisten explizit auf das «false balance» Problem aufmerksam gemacht.
Ich möchte mit meiner Beanstandung erreichen, dass sich die SRG formell zur sachgerechten Klimaberichterstattung bekennt und analog der BBC interne Richtlinien erlässt, die eine dem wissenschaftlichen Konsens entsprechende Berichterstattung fördert und «false balance» als Stilmittel explizit untersagt.
Am 13. Februar 2019 haben Sie eine weitere E-Mail nachgereicht:
Ich habe die Beanstandung bewusst auf den einen konkreten Artikel beschränkt. Bei einer (unsystematischen) Recherche bin ich dann noch auf weitere Beispiele gestossen, die für die Redaktion bzw. Herrn Blum möglicherweise von Interesse sein könnten:
- In einem Portrait [9] über den weltweit enerkannten Klimaforscher Thomas Stocker (September 2018) wird von einer Gruppe von Klimakritikern unter dem Namen "Klimamanifest von Heiligenroth" erzählt. Die Exponenten dieser Gruppe sind im Vergleich zu Professor Stocker derart unqualifiziert, dass ihre Präsenz einzig damit begründet werden kann, dass der Journalist einen provokativen Kontrapunkt setzen wollte. Ein klassisches Beispiel von 'false balancing' und weder ethisch vertretbat noch journalistisch wertstiftend.
- Im Artikel [10] "Wer ist Schuld am Klimawandel" (August 2018) wird eine Studie zitiert, die gem. dem Journalist folgendes behauptet: "Nur 44 Prozent der Befragten behaupten, dass der Klimawandel auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist." Diese Behauptung ist faktisch falsch und die Studie wurde absichtlich fehlinterpretiert, um Polemik zu schüren. Bei Konsultation der Quelle stellt sich nämlich folgendes heraus (siehe Anhang, Seite 12): "Les répondants sont partagés concernant les causes de ce changement climatique: 44% pensent que ce changement est dû principalement ou uniquement à l’activité humaine et 49% pensent qu’il est aussi dû à des processus naturels." Mit anderen Worten 93% der Befragten glauben, dass der Mensch zum Klimawandel beiträgt. Das Schlüsselwort ist "aussi": 49% glauben, dass sowohl menschliche wie auch natürliche Prozesse verantwortlich sind, was wissenschaftlich korrekt ist (z.B. Auftauen von Permafrost, geringere Absorptionskapazität von Ozeanen, etc.). Meine Einschätzung wird in der gesamteuropäischen Zusammenfassung [11] der Studie bestätigt, wo in der Tabelle auf Seite 4 in der Spalte "Climate change at least partly caused by human activity" ein Wert von 94.4% steht (Differenz wohl ein Rundungsfehler).
- In einem Bericht [12] der Sendung 10vor10 (Oktober 2014) wird über die damals anstehende Veröffentlichung des 5. Evaluationsberichts des IPCC im Kontext von Alarmismus informiert. Headline: "Klimaalarm mit beschränkter Wirkung". Damit befeuret die SRF-Redaktion ein immer grösser werdendes Problem: neue wissenschaftliche Fakten werden immer häufiger unter "Alarmismus" diffamiert. Es ist absolut legitim, die Wirkungsgrade unterschiedlicher Kommunikationsstrategien zu hinterfragen, und tatsächlich gibt es viele Initiativen, die genau dies tun, auch aus wissenschaftlicher Sicht (z.B. Yale University [13]und George Mason University [14]). Klimaforscher haben aber erwiesenermassen eine Tendenz, ihre Ergebnisse konservativ zu interpretieren (Brysse et al. 2013 [15]). Den IPCC Report als Alarmismus zu bezeichnet ist deshalb irreführend und dient einzig dazu, eine künstliche Polarisierung zu erzeugen. Das wäre etwa so, als würde man eine neue klinische Studie über den Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs als "Alarmisus" abstempeln.
Ich überlasse es Herrn Blum zu entscheiden, welche Rolle diese Beispiele in seiner Einschätzung spielen werden. Wie ich in meiner Beanstandung ausführe liegt mir daran, dass die SRF ihre journalistische Praxis zum Thema Klimawandel systematisch überdenkt. Die Beispiele sind nicht als Fingerzeig zu verstehen sondern sollen einen konstruktiven Beitrag leisten, das Problem besser fassen zu können. Sie können deshalb sowohl für Herrn Blum wie auch die betroffenen Redaktionen hilfreich sein.
B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Herr Michael Bolliger, stv. Chefredaktor Radio SRF, schrieb:
Gerne nehme ich als stv. Chefredaktor von Radio SRF Stellung zur Beanstandung 5763 - SRF News online vom 7. Februar 2019 (Klimaerwärmung/wärmstes Jahr).
Der beanstandete Onlineartikel entstand aufgrund eines Expertengesprächs von Radio SRF4News. Zudem wirft die Beanstandung zusätzlich grundsätzliche publizistische Fragen auf. Ich unterteile meine Stellungnahme deshalb in zwei Abschnitte.
1)Onlineartikel
Die World Meteorological Organization, (WMO) publizierte am frühen Morgen des 7. Februar ihren neusten Jahresbericht zur Entwicklung der globalen Temperaturwerte 2018.
SRF4News befragte dazu den SRF-Klimaexperten Klaus Ammann (Mitglied der Radio-Wirtschaftsredaktion). Das Gespräch ging zwischen 10h und 11h an diesem Vormittag live über den Sender. Die Redaktion von SRFNews fasste die Kernpunkte des Gesprächs in einem Onlineartikel zusammen und band das Audiofile des Radiogesprächs in den Artikel ein. Betitelt wurde der Onlineartikel mit der Überschrift: «2016 war das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen». Zudem wurde ein Übertitel gesetzt, er lautete: «Klimaerwärmung oder Hysterie?» Der Beanstander kritisiert unter anderem die Verwendung des Begriffs «Hysterie». Dieser suggeriere, «dass sowohl die Existenz des Klimawandels als physikalisches Phänomen wie auch der Mensch als dessen Hauptverursacher noch immer zur Debatte stünden bzw. wissenschaftlich noch nicht hinreichend belegt wären.»
Dieser Eindruck entstand offensichtlich auch bei anderen Leserinnen und Lesern des Artikels. Auf eine entsprechende User-Zuschrift via SRF-Kundendienst – eingegangen kurz nach der Publikation des Artikels und unabhängig von der vorliegenden Beanstandung – änderte die Redaktionsleitung bei SRFNews deshalb den Obertitel in die Formulierung wie sie seither immer noch online steht: «Neue Zahlen zur Klimaerwärmung». Ebenso wurde – immer noch aufgrund dieser Userzuschrift und unabhängig von der vorliegenden Beanstandung - der letzte Abschnitt des Artikels ergänzt[16].
In der beanstandeten Version lautete dieser:
Ist die Klimaerwärmung menschgemacht? «Die Wissenschafter äussern sich zu dieser Frage nicht», sagt Ammann. Die Analyse zeige aber, dass der Temperaturanstieg zeitlich eindeutig mit der Industrialisierung korreliere.
In der korrigierten Version heisst es jetzt:
Ist die Klimaerwärmung menschgemacht? «Die Wissenschafter äussern sich nicht direkt zu dieser Frage», sagt Ammann. Unter Wissenschaftern sei das aber etwa so unumstritten, wie dass die Erde eine Kugel ist. So zeige die Analyse, dass der Temperaturanstieg zeitlich eindeutig mit der Industrialisierung korreliere.
Der stv. SRFNews-Redaktionsleiter Roland Specker hat diese Änderungen vorgenommen. Ich bin mit ihm einig, dass der ursprüngliche Onlineartikel - wie er hier beanstandet wird – anders als das Originalgespräch an diesen zwei Stellen (Obertitel und letzter Abschnitt) fälschlicherweise Raum schuf für Interpretationen. Insbesondere den Begriff «Hysterie» an dieser Stelle zu verwenden, war nicht sachgerecht, auch wenn er mit einem Fragezeichen versehen war.
2) Grundregeln der sachgerechten Darstellung
Der Beanstander vermutet hinter der Verwendung des Begriffs «Hysterie» die Idee, durch Provokation, oder Polarisierung wie er sagt, möglichst viel «Web-Trafic» zu generieren. Er unterstellt, SRF pflege ein entsprechendes journalistisches Konzept und gewichte die Nutzung der digitalen Angebote höher als eine sachgerechte Darstellung.
Das Gegenteil ist der Fall.
Wer den Online-Auftritt von SRF regelmässig verfolgt, weiss, dass Polarisierung nicht zu unseren publizistischen Überlegungen und Konzepten gehört.
Natürlich sind wir bemüht, auch online unsere Inhalte so aufzubereiten, dass sie den Bedürfnissen des Publikums bestmöglich entsprechen. Das betrifft etwa die formale Gestaltung der Texte. Es war im konkreten Fall klar, dass die schriftliche Version (also der hier beanstandete Onlineartikel) nicht einfach eine blosse Abschrift des Radio-Gespächs sein soll. Erfahrungsgemäss werden wörtlich transkribierte Gespräche online nicht gleich gut genutzt, wie etwa eine kompakte Zusammenfassung auf die Kernpunkte. (Selbstverständlich muss aber auch eine verkürzte Version die wesentlichen Punkte korrekt abbilden.)
Aus einer einzelnen Formulierung («Hysterie?») oder Frage («ist er menschgemacht»?) zu folgern, SRF pflege generell in seiner Berichterstattung zum Klimawandel das Prinzip der «false balance», ist nicht opportun. Dieser Vorwurf wird bereits durch das – im Onlineartikel als Audio eingebundene - Radio-Gespräch widerlegt. Dort kommt explizit zum Ausdruck, dass es in der Klimawissenschaft keine ernstzunehmenden Zweifel mehr gebe zur Frage, ob die Erderwärmung menschgemacht sei. Wenn man die Klima-Berichterstattung bei SRF, ich vertrete hier insbesondere die Chefredaktion Radio und ihre Informationsinhalte onair oder online, der letzten Jahre genau betrachtet, kann man ebenfalls nicht zum Schluss kommen, wir würden den wissenschaftlichen Stand zur Ursachenforschung im Klimawandel in Frage stellen. Zur Dokumentation zizerte ich hier Beispiele aus den letzten Monaten. So etwa die Berichterstattung zum Klimagipfel in Kattowitz im Dezember 2018 [17], das «Tagesgespräch» von Ende Januar mit Swiss Re-Chef Christian Mumenthaler [18], oder der Beitrag von Ende Februar in «HeuteMorgen» über ein Klimaschutz-Projekt im Kt. Solothurn [19].
«False balance» hat bei uns keinen Platz. Aber Sachgerechtigkeit wird auch nicht erreicht, in dem man gewisse Meinungen ausschliesst. Entscheidend scheint mir in diesem Zusammenhang, dass wir Fakten und Meinungen deutlich auseinanderhalten, respektive Meinungen für das Publikum klar erkennbar zu ordnen. Der Umkehrschluss wäre zum Beispiel für die Berichterstattung im politischen Gesetzgebungsprozess fatal. Bekannterweise stellen einzelne Volksvertreter im Nationalrat den menschlichen Einfluss auf die Klimaerwärmung in Frage. Gleichzeitig beschliesst (oder verwirft) das Parlament klima- und energiepolitische Massnahmen zum Umgang mit dem Problem und diese sind naheliegenderweise geprägt von den Haltungen der Parlamentarier/innen. Das Publikum kann sich keine eigene Meinung zu den Motiven hinter den Beschlüssen machen, wenn wir die «klimakritischen» Stimmen ausblenden.
Der Beanstander fordert zum Schluss eine Richtlinie zur sachgerechten Klimaberichterstattung und ein explizites Bekenntnis gegen «false balance». Die Forderung nach der Richtlinie zur sachgerechten Berichterstattung ist insofern obsolet, als dass diese bereits existiert. Sie ist einerseits in der Konzession[20] in Artikel 6 als Auftrag formuliert, andererseits in mehreren Zusammenhängern in den publizistischen Leitlinien von SRF[21] beschrieben. Beispiel: Kapitel 5 «Sachgerechtigkeitsgebot». Die Leitlinien sind die Grundlage für unsere Qualitätskontrolle im journalistischen Alltag. Wir sind nicht fehlerfrei, aber wir sind und fühlen uns dem Grundsatz der sachgerechten Darstellung verpflichtet onair und online.
Den Verweis auf eine aktive Sensibilisierung der Journalist/innen bei der BBC zum Thema «false balance», nehme ich als interessanten Input für unsere interne publizistische Diskussion auf.
Zusammenfassung:
Der beanstandete Onlineartikel liess in zwei Punkten Raum für Interpretationen offen und erfüllte in diesem Sinne das Sachgerechtigkeitsgebot nicht oder nicht vollständig. Darum wurde er entsprechend geändert.
Ein grundsätzliches Problem mit der sachgerechten SRF-Berichterstattung zum Klimawandel kann man aus dem Einzelfall nicht ableiten. Wir trennen Fakten und Meinungen und arbeiten auf dem Boden eines faktenorientierten und sachgerechten Journalismus.
In diesem Sinne bitte ich Sie, die Beanstandung nicht zu unterstützen.
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung des Online-Artikels.
Ihre Beanstandung bezieht sich im Grossen und Ganzen auf zwei Punkte. Einerseits kritisieren Sie, dass der Titel des Online-Artikels vom 7. Februar 2019 «Klimaerwärmung oder Hysterie?» und der Interviewfrage «Ist die Klimaerwärmung menschgemacht?» suggeriere, «dass sowohl die Existenz des Klimawandels als physikalisches Phänomen wie auch der Mensch als dessen Hauptverursacher noch immer zur Debatte stünden bzw. wissenschaftlich noch nicht hinreichend belegt wären». Der Artikel verletze dadurch das Sachgerechtigkeitsgebot. Andererseits unterstellen Sie SRF «false balance» als journalistisches Stilmittel in der Klimaberichterstattung einzusetzen, um die Polarisierung zu schüren und andererseits mehr Web-Traffic zu generieren.
Der stellvertretende Chefredaktor von Radio SRF, Herr Michael Bolliger, hat zu beiden Vorwürfen bereits ausführlich geantwortet. Ich kann seine Argumentationen in allen Belangen nachvollziehen und beschränke mich darum auf ein paar wenige Punkte.
Wie Sie feststellen können, hat die Redaktionsleitung – bereits vor Kenntnisnahme Ihrer Beanstandung – aufgrund einer entsprechenden User-Zuschrift den Titel ersetzt und die letzte Antwort korrigiert. Diese Änderungen bzw. Ergänzungen sind angemessen und richtig. Der Redaktion ist dafür und für das schnelle Handeln ein Lob auszusprechen. Es zeigt, dass User-Reaktionen ernst genommen werden und die kritische Reflexion in der Redaktionsleitung Früchte trägt.
Ihren Vorwurf, SRF betreibe «false balance» als journalistisches Stilmittel kann ich nicht gutheissen. Sachgerechte Berichterstattung heisst auch das Abbilden gegenteiliger Meinungen. So ist es unabdingbar, dass SRF auch klimakritische Stimmen abbilden muss. Andernfalls kann sich das Publikum frei keine eigene Meinung bilden und SRF würde sich der Manipulation schuldig machen. Das Ganze hat also nichts mit dem Schüren von Polarisierungen zwecks mehr Online-Zugriffen zu tun. Ausserdem bestehen – wie oben bereits angemerkt – verschiedene instrumentelle Sicherungsmassnahmen[22],[23], die helfen, «false balance» auszuschliessen. Sollte trotzdem der entsprechende Verdacht aufkommen, steht dem Publikum der Weg über die Ombudsstelle (wie Sie das gemacht haben) an die Unabhängigen Beschwerdeinstanz UBI offen. Ihre Beanstandung hat konstruktiv dazu beigetragen, dass der stellvertretende Chefredaktor von Radio SRF ihren Input auf eine aktive Sensibilisierung der Journalist/innen bei der BBC zum Thema «false balance», zur internen publizistischen Diskussion aufnimmt.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich den Teil Ihrer Beanstandung, der die Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots im Onlineartikel anspricht, unterstützen kann. Der Redaktionsleitung ist im gleichen Zug aber zugute zu halten, dass sie die entsprechenden Textpassagen schnell geändert hat. Dem Beanstandungsteil, der sich auf das Schüren von Polarisierungen zwecks höherem Online-Traffic bezieht, kann ich aber keinesfalls stattgeben.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,
Manfred Pfiffner, stv. Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/news/international/klimaerwaermung-oder-hysterie-2016-war-das-waermste-jahr-seit-beginn-der-messungen
[2] https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/02/AR5_SYR_FINAL_SPM.pdf
[3] https://climate.nasa.gov/scientific-consensus/
[4] http://oxfordre.com/climatescience/view/10.1093/acrefore/9780190228620.001.0001/acrefore-9780190228620-e-345
[5] http://adsabs.harvard.edu/abs/2017AGUFMED53B0166T
[6] https://www.int-res.com/articles/esep2009/9/journalism/e009pp3.pdf
[7] https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/3/2/021001/meta
[8] https://www.carbonbrief.org/exclusive-bbc-issues-internal-guidance-on-how-to-report-climate-change
[9] https://www.srf.ch/sendungen/dok/klimaforscher-thomas-stocker-und-seine-gegner
[10] https://www.srf.ch/news/schweiz/umfrage-zeigt-zweifel-wer-ist-schuld-am-klimawandel
[11] https://www.europeansocialsurvey.org/docs/findings/ESS8_toplines_issue_9_climatechange.pdf
[12] https://www.srf.ch/sendungen/10vor10/konflikt-vorprogrammiert-widerstand-in-den-kantonen-klimaalarm
[13] http://climatecommunication.yale.edu/
[14] https://www.climatechangecommunication.org/
[15] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S09593780120
[16] Die Redaktion von SRFNews arbeitet im Studio Zürich. Es gelten die gleichen publizistischen Leitlinien, aber die redaktionellen Entscheide - im konkreten Fall die Änderungen am Onlineartikel - trifft das Team in der Regel unabhängig von der Radio-Information in Bern. Von der Beanstandung wusste die Redaktion zum Zeitpunkt der Änderungen noch nichts.
[17] https://www.srf.ch/play/tv/srf-news/video/was-bringt-der-klimagipfel-in-kattowitz?id=a50b0ca9-1374-4554-bf61-7cb28f846c10
https://www.srf.ch/news/international/uno-klimakonferenz-in-polen-endspurt-der-treibhaus-diplomaten
[18] https://www.srf.ch/news/panorama/katastrophen-und-klimawandel-ein-risiko-das-niemand-mehr-tragen-will
[19] https://www.srf.ch/news/schweiz/co2-in-baeumen-speichern-mehr-als-ein-pfeifen-im-walde
[20] https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/elektronische-medien/informationen-ueber-radio-und-fernsehveranstalter/srg-ssr/konzessionierung-und-technik-srg-ssr.html
[21] https://www.srf.ch/unternehmen/unternehmen/qualitaet/publizistische-leitlinien-srf
[22] https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/elektronische-medien/informationen-ueber-radio-und-fernsehveranstalter/srg-ssr/konzessionierung-und-technik-srg-ssr.html
[23] https://www.srf.ch/unternehmen/unternehmen/qualitaet/publizistische-leitlinien-srf
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