Sendung «Jugend und Zukunft» von «Wort zum Sonntag» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 23. Februar 2019 beanstandeten Sie das «Wort zum Sonntag» (Fernsehen SRF) vom 9. Februar 2019 zum Thema «Jugend und Zukunft».[1]Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Dieses Wort zum Sonntag war, wie schon dasjenige vom 6. Oktober 2018 (Fortschritt) von Urs Corradini, politisch motiviert. Damals versuchte er in eine Abstimmung einzugreifen.

Ich beginne mit einem chronologischen Auszug aus der Predigt:

01:34 Urs Corradini: <Es isch öppis prophetisches für mich, was diä Jugendlichä do machät. D Prophetä in dr Biblä sind diä Mönschä gsi, wo d Wohrheit gseit hend und si dä Mächtigä ins Gsicht sgeit hend. Das machä diä Jugendlächä hüt for üs. .... D Wüssäschaftler hend diä Szenarie scho lang entwicklät und si sind sich witgehend einig, dass mer ä Klimaerwärmig hend, wo dr Mönsch gmacht het.>

Diese Aussage stimmt erstens nicht und sie wären sich schon gar nicht bei den Forderungen der Jugendlichen einig, die zu Hunger und Verheerung führen würden. - Da wären wohl nicht einmal die radikalsten Wissenschaftler und Politikideologen einverstanden, alles einfach abzustellen (und dann vielleicht China so weiter machen zu lassen)! - Aber um Einzelheiten geht es hier nicht, sondern ums prinzipielle, nämlich dass dieses <Wort zum Sonntag> reine Politik unter dem Deckmantel einer Predigt war!

01:50 Urs Corradini: <I dr Biblä heisst s, mi söuät üs für diä Schöpfig isetzä...>

Richtig, aber die Schöpfung ist weit umfassender als das Klima für sich alleine!

2:56 Urs Corradini: <Aber wenn ich diä jungi Generation jetz gsenä, Mönschä wo ihri Zyt nid am Händy verdrödlet, sondern uf d Schtross gönd... denn bin ich Zueversichtlich...verzichtä, veränderä.>

Meine Bemerkung: Aber dann soll bitte auch die Kirche verzichten und sich verändern... Konklusion: Meine Bemerkungen sind ebenfalls politisch, aber ich darf das und es ist für die Beschwerde nicht relevant!

Meine Stellungnahme dazu:

Es kann sein, dass SRF bei der Predigt keine Vorgaben macht, doch ist SRF trotzdem dafür verantwortlich, wenn das Format eigenmächtig umfunktioniert wird. - Besonders bedenklich ist ein Umfunktionieren einer Predigt in ein politisches Statement bei diesem künstlich aktuell gemachten Thema, das von SRF wirklich ausschliesslich von der einen Seite dargestellt, beleuchtet wird und zwar <überall> in <allen> Formaten und auf allen Kanälen des Staatsfernsehens. - Es wird allgemein nicht erwähnt, dass es eine Menge Wissenschaftler (darunter sogar Nobelpreisträger) und auch Anhaltspunkte gibt, dass sich die die Apokalypse herbeiredenden Forscher auch täuschen könnten und schon gar nicht kommen diese Forscher, die die CO2 These teils mit guten bis sehr guten Argumenten anzweifeln, zu Wort, noch spricht je jemand von Handlungsalternativen oder von den Chancen, die eine Klimaerwärmung uns allen bieten könnte. - Eine Diskussion gibt es einfach gar nicht, genau so wenig wie bei einer Religion oder einer Ideologie!

Ich wehre mich mit dieser Beschwerde explizit gegen die Umfunktionierung des Wortes zum Sonntag in einen einseitig politischen Vortrag. - Vom Format her soll das Wort zum Sonntag religiös gefärbt bis gesellschaftlich philosophisch sein, reine politische Statements mit der Bibel ausschliesslich als Alibi haben hier keinen Platz. - Politik über das Hintertürchen der Religion ist in meinen Augen allgemein zu verurteilen, im Staatsfernsehen jedoch zu unterlassen (Kirche und Staat und somit Kirche und Politik sind in unserer Kultur getrennte Dinge)! - Am 6. Oktober 2018 griff derselbe <Pfarrer> sogar in die Abstimmungsdebatte zur SBI ein... Bemerkung: Es wäre und ist auch Polit-Propaganda, wenn Urs Corradinis Meinung der Mehrheit der Bevölkerung entsprechen sollte.!

Würdigung des Themas als Ausgangspunkt eines Wort zum Sonntags:

Man hätte das Thema als Aufhänger nehmen können, um etwas Allgemeines daraus zu machen, das dann von der Politik weg ins Philosophische gegangen wäre. - Es hätte gereicht Greta Thunberg als Beispiel dafür zu erwähnen, dass wir uns alle für das, an das wir glauben, einsetzen sollten und dabei erwähnen, dass schon in der Bibel stehe, man soll sich für die Schöpfung einsetzen (Schöpfung ist aber bei Weitem nicht nur Klima). Man hätte von allgemeiner Gleichgültigkeit, die eine Gefahr sei, predigen können und dazu aufrufen, uns allgemein, egal in welcher Richtung, für die Schöpfung und unsere Christliche Kultur einzusetzen (als römisch-katholischer Gemeinde-Leiter darf und soll man die Christliche Kultur getrost erwähnen und auch erwähnen dürfen). - So aufgezogen und formuliert hätte es dann tatsächlich eine Fernseh-Predigt gegeben, die Substanz gehabt hätte. - Dies hier jedoch war keine Predigt, mit einem oder eineinhalb biblischen <Aufhängern>, sondern ein einseitig manipulierendes politisches Statement, wenn auch für eine vermeintlich gute Sache.

Schlussbemerkung (selbstverständlich nicht Gegenstand der Beschwerde): Man könnte meinen, dass gerade die römisch-katholische Kirche keinen Augiasstall auszumisten hätte, wenn man sich als Vertreter dieser Kirche auf das Politische ausserhalb der Kirche beschränkt!.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für das «Wort zum Sonntag» antworteten Frau Dr. Judith Hardegger, Redaktionsleiterin «Sternstunden», und Frau Christine Stark, für das «Wort zum Sonntag» verantwortliche Redaktorin:

«Uns liegt die Beanstandung von Herrn X vor betreffend der Sendung <Wort zum Sonntag> vom 9. Februar 2019 (Jugend und Zukunft). Gerne teilen wir Ihnen hiermit unsere Stellungnahme mit:

Bei Herrn X liegt ein grundsätzliches Missverständnis vor: Das ‘Wort zum Sonntag’ ist keine Predigt oder Kurzandacht, auch wenn sich hier christliche Theologinnen und Theologen zu Wort melden. Predigten und Bibelauslegung haben bei SRF ihren Ort in den Übertragungen von Gottesdiensten und in Radiopredigten. Dagegen ist die Sendung <Wort zum Sonntag> als Kommentargefäss konzipiert, in dem gemäss Abspann <christliche Gedanken zum Zeitgeschehen> geäussert werden. Im Sendungsportrait, das auf der Sendungsseite öffentlich einzusehen ist [2], wird sie als <Kommentar aus christlicher Sicht> bezeichnet. Im <Wort zum Sonntag> äussern sich christliche Theologinnen und Theologen zu Themen, die die Öffentlichkeit aktuell bewegen, wozu selbstverständlich auch politische Themen gehören können. Die Sendung ist ein Beitrag zur Meinungsbildung, das Publikum soll sich in der Auseinandersetzung mit den Inhalten eine eigene Meinung bilden, sei dies in Abgrenzung oder Zustimmung. Jedoch dürfen die Sprecherinnen und Sprecher weder kirchenpolitisch noch parteipolitisch gebunden sein und müssen sich zudem an die publizistischen Leitlinien von SRF halten.

In der beanstandeten Sendung greift der Sprecher Urs Corradini die Klimastreiks von Schülerinnen und Schülern auf. Seine Gedanken sind wie folgt aufgebaut: Er berichtet über die Streiks und die Schwedin Greta Thunberg, die das Gesicht dieser jungen Bewegung ist. Er nennt ihre Beweggründe ebenso wie die Kritik an ihrer Person, um dann eindeutig seine Sympathie für die jungen Menschen zu erklären, die auf das Thema Klima aufmerksam machen und sich für ihre Zukunft engagieren. Als biblische Verweise zieht er die Propheten sowie den Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung heran. Bezüglich der Klimaerwärmung bezieht er wissenschaftliche Erkenntnisse ein, gibt aber durch die Formulierung <weitgehend einig> zu erkennen, dass es auch Gegenstimmen gibt. Hier geht er nicht ins Detail, sondern argumentiert skeptisch, dass er es nicht riskieren möchte, dass es plötzlich <zu spät> sein könnte. Zuversicht schöpft er aus dem Engagement der Jungen. Er schliesst den Gedankengang mit einem generellen Appell ab, den eigenen Lebenswandel zu überdenken und allenfalls zu ändern. Dieser Appell öffnet den Blick auf alle Generationen, indem der Sprecher explizit von <wir> und <uns> spricht.

Aus Sicht der Redaktion hat Urs Corradini das Sendekonzept des <Worts zum Sonntag> erfüllt, in dem er ein aktuelles Thema aufgriff (Klima-Debatte, Schulstreiks) und christlich kommentierte. Seine persönliche Meinung ist deutlich erkennbar, gleichwohl lässt er Gegenstimmen zu Wort kommen (Kritik an Grete Thunberg; Skepsis gegenüber Katastrophenszenarien). Unter Bezugnahme auf biblische Traditionen (Prophetie, Schöpfungsgedanke) ordnet er seine Meinung christlich ein. Er spricht in der <Ich>-Form und äussert sich weder parteipolitisch noch manipulativ.

Das <Wort zum Sonntag> vom 9. Februar entspricht daher dem Sendekonzept eines christlichen Kommentars zum Zeitgeschehen und widerspricht an keiner Stelle den publizistischen Leitlinien von SRF.

Somit halten wir fest, dass aus Sicht der Redaktion die Sendung das ihr zugesprochene Mandat erfüllt hat und bitten Sie, die Beanstandung von Herrn X nicht zu unterstützen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich verstehe, dass Sie sich ärgern, wenn Kirchenvertreter politische Positionen beziehen, die den Ihren nicht entsprechen. Aber Sie irren sich, wenn Sie davon ausgehen, die Religion sei unpolitisch. Jesus, die Propheten, die Apostel waren durchaus politisch. Die christliche Botschaft hatte und hat politische Sprengkraft. Daher ist es richtig, von Pfarrern, Priestern, Mönchen und Nonnen zu erwarten, dass sie nicht parteipolitisch agieren, aber dass sie gestützt auf die Bibel auch politisch argumentieren, müssen wir akzeptieren. Und die Aussage, dass wir Sorge tragen sollen zur Schöpfung, ist ja weder anarchisch noch umstürzlerisch.

Kommt dazu, dass die Sprecher des «Worts zum Sonntag» keine Berichterstatter sind, sondern Kommentatoren. Das «Wort zum Sonntag» ist eine Kommentarsendung, in der die externen Theologen ihre persönliche Meinung sagen, eine Meinung allerdings, die einen Bezug zur christlichen Lehre haben muss. Formal ist ihre Stellung gleichbedeutend mit der eines Kolumnisten oder Verfasser eines Gastartikels in einer Zeitung. Zwar müssen solche Gastautoren die ethischen Richtlinien des jeweiligen Mediums einhalten, aber was sie wie thematisieren, darin sind sie frei. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

Sie reden übrigens mehrfach vom «Staatsfernsehen». Da muss ich Sie korrigieren: Die SRG ist kein Staatsfernsehen. Ein Staatsfernsehen ist immer ein Lautsprecher der jeweiligen Regierung. Solche Lautsprecher gibt es in China, in Vietnam, in Kuba, in Thailand, in der Türkei, in Ägypten, in Russland, in Iran, in Syrien, in Saudi-Arabien, aber nicht in der Schweiz. Auch die SRG hat das Recht, die Regierung – also den Bundesrat – und das Parlament zu kritisieren, und das tut sie auch immer mal wieder. Und auch die SRG hat das Recht, die Ereignisse, Zustände und Entwicklungen kritisch zu kommentieren, und auch das tut sie – durch die eigenen Journalistinnen und Journalisten genau so wie durch Externe, etwa die Theologinnen und Theologen beim «Wort zum Sonntag».

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Roger Blum, Ombudsmann

[1]https://www.srf.ch/sendungen/wort-zum-sonntag/jugend-und-zukunft

[2]https://www.srf.ch/sendungen/wort-zum-sonntag/sendungsportraet

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