«Missbrauchs-Gipfel» von «Late Update» beanstandet (II)

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Mit Ihrer E-Mail vom 24. Februar 2019 beanstandeten Sie eine Passage in der Sendung «Late Update» (Fernsehen SRF) vom 24. Februar 2019. [1]Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandungwie folgt:

«Soeben habe ich in die Sendung <Late Update> geschaltet und kann es kaum fassen was ich gehört habe! Der Moderator spottet über die Thematik der Missbrauchsopfer der Kirche als ob dies ein kleines politisches Malheur wäre. Absolut geschmack- und gefühllos und unter jedem Niveau!!! Für diese Sendung müsste sich die ganze Schweiz schämen! Viel mehr kann man dazu nicht sagen.

Eine Entschuldigung den Missbrauchsopfern gegenüber ist das allermindeste, was man erwarten kann.

Und bitte prüfen Sie doch in Zukunft die Themen für Ihre Satire-Sendung mit etwas mehr Menschenwürde.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Die Antwort für «Late Update» kam von Herrn Daniel Kaufmann, Senior Producer Comedy:

«Gerne nehmen wir zur Beanstandung von Frau X Stellung.

In der Sendung vom 24. Februar 2019 haben wir mit einer Konferenz im Vatikan beschäftigt, die in den Medien als <Missbrauchsgipfel> betitelt wurde. Frau X hat sich an dem Beitrag gestört und schreibt dazu: <Der Moderator spottet über die Thematik der Missbrauchsopfer der Kirche, als ob dies ein kleines politisches Malheur wäre>.

Bei Late Update handelt es sich um eine Satiresendung.

Art. 17 der Bundesverfassung (BV) garantiert die Medienfreiheit. Zudem wird in 93 Abs. 3 BV sowie in Art. 6 Abs. 2 RTVG die Programmautonomie des Veranstalters gewährleistet. Diese beinhaltet auch die Freiheit in der Wahl eines Themas einer Sendung oder eines Beitrages sowie in der inhaltlichen Bearbeitung.

Einen besonderen Stellenwert innerhalb der Programmautonomie geniessen satirische Sendungen, die in den Schutzbereich der Meinungsäusserungs- und Kunstfreiheit fallen. Dabei geniesst Satire zu politischen Debatten oder zu Themen von öffentlichem Interesse auch einen besonders starken Schutz durch die in der EMRK verankerten Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 10 EMRK). Der Spielraum für Einschränkungen ist gering.

Satire ist ein besonderes Mittel der Meinungsäusserung, bei dem sich die Form bewusst nicht kongruent zu dem verhält, was sie hinterfragen will. Sie übersteigert die Wirklichkeit, verfremdet sie, stellt sie um, kehrt wieder zu ihr zurück, banalisiert sie, karikiert sie, macht sie lächerlich. Dabei ist es aus programmrechtlicher Sicht zentral, dass der satirische Charakter für das Publikum erkennbar ist.

Der satirische Charakter bei Late Update ist klar erkennbar. Und er ist es auch bei besagtem Beitrag. Wenn Michael Elsener sagt: < Die Bischöfe waren sich einig - Die Kirche hat ein grosses Problem: Viel zu viele Opfer zeigen den Missbrauch an.>, dann gehen wir davon aus, dass unsere Zuschauerinnen und Zuschauer die Ironie in dieser Aussage entdecken. Selbstverständlich zielen wir nicht auf die Opfer. Nichts daran wäre komisch. Das gilt auch für unsere frei erfundene Behauptung, dass die Priester sexuelle Weiterbildung erfahren, um die Opfer zufrieden zu stellen. Dass diese Pointe einigen Zuschauerinnen und Zuschauern zu weit geht, verstehen wir aber. Hier gehen wir an die Grenze.

Sexueller Missbrauch ist ein heikles Thema. Es kommt deshalb in der Satire nur unter besonderen Umständen vor. Dass wir uns in diesem Fall dafür entschieden haben, liegt einerseits an dieser besonderen Täter-Spezies, den Geistlichen, vor allem aber an der Organisation, die sie jahrzehntelang gedeckt hat, der Katholischen Kirche. Eine Institution in dieser Grösse, mit dieser Macht, die sich als moralische Instanz sieht, muss satirefähig sein, mit allem, was sie tut oder unterlässt. Auf sie zielt die Satire in diesem Fall.

Satire kann auch hart sein. Und jeder Mensch hat seine eigene Schmerzgrenze. Sollten wir die Schmerzgrenze von Frau X überschritten oder mit diesem Beitrag ihre Gefühle verletzt haben, bedauern wir dies.

Wir bedanken uns für die Gelegenheit zur Stellungnahme.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der kurzen Sequenz. Es gibt drei Grundregeln, an die sich Satire trotz ihres großen Spielraums dank der Meinungsäußerungs- und Kunstfreiheit halten muss: 1. Satire muss auf einem wahren Kern beruhen. Sie darf übertreiben, verzerren, darum herum fantasieren, aber nicht ein völlig aus der Luft gegriffenes Faktum erfinden. 2. Satire soll das Verhalten der Menschen auf die Schippe nehmen, nicht (angeborene) Eigenschaften und Zugehörigkeiten. 3. Satire soll den Mächtigen einen Spiegel vorhalten, nicht den Schwachen. Alle drei Grundregeln waren in der kurzen Sequenz über den «Missbrauchs-Gipfel» im Vatikan erfüllt: Der abertausendfache sexuelle Missbrauch in der katholischen Kirche ist ein Faktum. Ihn zu kritisieren, bedeutet Kritik am Verhalten der Geistlichen, nicht an ihren (angeborenen) Eigenschaften und Zugehörigkeiten. Und indem man die Kirchenleute kritisiert, hält man Mächtigen einen Spiegel vor, die andere von sich abhängig machen können. Das Thema ist zwar heikel, aber Michael Elsener hat sich in keiner Weise über die Opfer lustig gemacht. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Roger Blum, Ombudsmann

[1]https://www.srf.ch/play/tv/late-update/video/late-update-mit-michael-elsener-und-gast-jonny-fischer?id=e38bb52a-80d5-4fd6-a8c9-2bc9e35f220c

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