Heiratsantrag von Sven Epiney bei «Darf ich bitten?» beanstandet (III)

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Mit Ihrem Brief vom 3. April 2019 beanstandeten Sie die Szene mit dem Heiratsantrag von Sven Epiney in der Sendung «Darf ich bitten?»(Fernsehen SRF) vom 30. März 2019.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Ich erhebe Beanstandung gegen die oben erwähnte Sendung infolge Missbrauchs der Sendung für persönliche Zwecke durch SRF Moderator Sven Epiney.

1. Alles Erstes muss klar gesagt werden, dass Sven Epiney ein sehr sympathischer und zweifellos erfolgreicher und guter TV-Moderator ist

2. Was jedoch nicht geht, ist, dass er die oben erwähnte Sendung dazu missbraucht hat, seinem Partner Michael Graber einen ‚Heiratsantrag‘ zu machen. Dies stellt klar einen Missbrauch der Sendung für persönliche Zwecke dar und ist als solches sehr fragwürdig.

3. Auch der langandauernde Kuss mit seinem Partner ist nicht angebracht, da viele Menschen Mühe damit haben, dass sich zwei Männer küssen und dies widernatürlich finden.

4. Ob dieser ‚Heiratsantrag‘ eigentlich ‚Antrag zur eingetragenen Partnerschaft‘ wie sie laut Gesetz heisst, nicht einfach eine Propagandaaktion von Homosexuellenverbänden, ausgeführt von Sven Epiney, ist, ist möglich, da Sven Epiney sonst immer korrekt aufgetreten ist.

Ich bitte Sie, vorliegende Beanstandung gutzuheissen, bzw. die von mir beanstandeten Punkte zu rügen. Für Ihre Bemühungen danke ich Ihnen im Voraus.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Darf ich bitten?» antwortete Frau Sabine Schweizer, Senior Producer, Bereich Show:

«Hiermit nehme ich Stellung zur Beanstandung von Herr X gegen die Sendung ‘Darf ich bitten?’ vom 30. März 2019. Seine Beschwerde richtet sich gegen den Heiratsantrag von Sven Epiney in der Finalshow. Gerne nehme ich dazu Stellung:

Als erstes möchte ich mein Bedauern darüber ausdrücken, dass sich Herr X über den Heiratsantrag von Sven Epiney geärgert hat und diesen Moment nicht, wie viele andere Zuschauer, als positive Emotion erlebt hat. Heiratsanträge gehören zu den emotionalsten Momenten im Leben und fanden daher schon in diversen Sendungen von SRF, wie zum Beispiel ‘Happy Day’ oder ‘Jeder Rappen zählt’, statt. Zugegebenermassen sind die Heiratsanträge in diesen Sendungen, anders als in der Finalshow von ‘Darf ich bitten?’, meist geplant. Dass Unvorhergesehenes und Ungeplantes passieren kann, gehört jedoch unter anderem zur Faszination einer Livesendung.

Weiter möchte ich bei Herr X um Verständnis für Sven Epiney bitten, welcher bei ‘Darf ich bitten?’ nicht Gastgeber, sondern Protagonist war und dementsprechend in einer anderen, für ihn ungewohnten, Rolle tätig war. Als Kandidat von ‘Darf ich bitten?’ musste Sven Epiney, in allen Folgen der Staffel, weit mehr Privates von sich zeigen, als dies in seiner Rolle als SRF-Moderator der Fall ist. So hat er nicht zuletzt auch mit der Wahl seines Tanzpartners, seinem Freund Michael Graber, in der finalen Runde, eine ungewohnt private Seite von sich gezeigt.

Generell bewegen sich in ‘Darf ich bitten?’ alle teilnehmenden Prominenten auf ungewohntem Terrain. Die Konsequenz davon ist eine Authentizität, die zu den Hauptgründen gehört, wieso die Zuschauer von einer solchen Tanzshow fasziniert sind.

Zu Punkt 3 und 4 in der Beanstandung von X kann ich zu meiner Stellungnahme nur hinzufügen, dass es für SRF keinen Unterschied macht, ob ein Heiratsantrag von einem gleichgeschlechtlichen Paar ist und dementsprechend kein Verständnis für diskriminierende Äusserungen hat.

Wir hoffen Ihnen mit diesen Ausführungen gedient zu haben und stehen für weitere Rückmeldungen zu Verfügung.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Szene. Was lief eigentlich ab? In der Finalshow hatten die vier Finalisten von «Darf ich bitten?», nämlich Tama Vakeesan[2], Sven Epiney[3], Anita Buri[4] und Jan Oliver[5], drei verschiedene Tänze zu absolvieren. Im letzten Tanz durften sie frei wählen, mit wem sie tanzten. Sven Epiney wählte für diesen letzten Tanz seine ganz private Erzählung: Er löste sich von seiner Tanzpartnerin und schwebte hinüber zu seinem Lebenspartner, mit dem er dann den Schlusstanz vollführte. Die Jury hatte ihm für diese sehr persönliche Geschichte Respekt gezollt: Von «Mut» sprach Rolf Knie[6], er habe «Hochachtung», bekannte Curtis Burger[7], es sei einfach «schön», sagte Marianne Kaiser.[8] Und danach machte Sven Epiney seinem Partner Michael Graber auf offener Bühne einen Heiratsantrag.

Die Szene war voller Emotionen. Schon all die Tänze zuvor waren wegen ihrer Leidenschaft, Schönheit, Farbe, Musik, Kraft und Energie emotional aufgeladen gewesen, und als Sven Epiney niedergekniet war und mit Tränen in den Augen seinen Antrag formuliert hatte, war das ganze Studio bewegt: «Was für eine Überraschung», entfuhr es Moderatorin Sandra Studer, es handle sich um einen «unvergesslichen Moment». Die Jury erhob sich, und Rolf Knie sagte später, das sei «s Tüpfli uf em i» gewesen.

Hat damit Sven Epiney das Fernsehen für seine privaten Interessen missbraucht? Ich finde überhaupt nicht, weil die Szene nahtlos anschloss an die Erzählung seines letzten Tanzes und weil sie dadurch einfach gepasst hat. Emotionen und Überraschungen gehören zur Fernsehunterhaltung. Sobald Dritte im Spiel sind, sind Überraschungen nie ganz auszuschliessen. Wir sehen das, wenn wir verschiedene Typen von Fernsehsendungen unterscheiden:

Typen von Fernsehsendungen

Typus

Journali-stischer
Einfluss

Grad von
Über-raschungen

Beispiele

Gestaltete und moderierte
Informationssendungen

groß

gleich null

«Tagesschau», «10 vor 10», DOK, «Reporter»

Interview- und Diskussionssendungen

mittel

mittel

«Schawinski», «Club», «Arena»

Unterhaltungssendungen mit Promi- und/oder Publikumsbeteiligung

mittel

mittel

«Late Update», «Mini Beiz, dini Beiz», «Darf ich bitten?», «Happy Day»

Livesendungen

gering

gross

Fußballspiele, Skirennen,
Bundesratswahlen

Fiktionale Filme

gleich null

gleich null

«Tatort»

In Interview- und Diskussionssendungen kann die Überraschung darin bestehen, dass jemand etwas völlig Unerwartetes preisgibt, das der Sendung eine Wendung verschafft, oder dass jemand in Tränen ausbricht oder davonläuft. Ähnliches kann in Unterhaltungssendungen passieren. In Livesendungen müssen die Medienleute sogar auf noch Gravierenderes gefasst sein. So muss die Direktübertragung einer Bundesratswahl vielleicht vorzeitig abgebrochen werden, weil eine Fraktion erfolgreich einen Sitzungsunterbruch von einer Woche beantragt hat. Ein Fußballspiel kann jäh ein Ende finden, weil das Stadion wegen einer Bombendrohung geräumt werden muss, so dass die Partie nicht zu Ende gespielt werden kann. Fernsehen ist immer mit Emotionen und oft mit Überraschungen verbunden.

Natürlich folgt daraus kein Freipass für eindeutigen Missbrauch der Fernsehbühne. Ein Geschäftsmann kann während des Interviews nicht seine Produkte auspacken und anpreisen. Eine Schriftstellerin kann nicht bei jeder Frage zuerst ein paar Zeilen aus ihrem neuen Buch vorlesen und dabei immer den Titel, den Verlag und den Preis nennen. Ein Sportler oder ein Künstler kann nicht dauernd alle seine Sponsoren herunterrattern. Das würde durch die moderierenden Journalistinnen und Journalisten sofort unterbunden. Es stellt sich daher nochmals die Frage, ob Sandra Studer Sven Epiney hätte hindern müssen, als er zu seinem Kniefall ansetzte. Und es stellt sich die Frage, ob die Sendung dadurch, dass diese Szene über die Bühne ging, das Radio- und Fernsehgesetz verletzt hat.

Die erste Frage kann ich klar verneinen. In einem solchen Moment ist es richtig, den Emotionen ihren Lauf zu lassen und Raum zu geben für spezielle Gefühlsäußerungen der Protagonisten. Man wird von dieser Sendung noch lange sprechen gerade wegen dieser Szene, genauso, wie man von der Diskussionssendung «CH» während der Jugendbewegung von 1980 mit «Herr und Frau Müller» deswegen bis heute spricht, weil Moderator Jan Kriesemer die beiden schauspielern und die Sache ad absurdum führen ließ und die Sendung nicht abbrach.[9]

Die zweite Frage können wir prüfen, wenn wir den Artikel 4 des Radio- und Fernsehgesetzes durchgehen. Er lautet:[10]

<Art. 4 Mindestanforderungen an den Programminhalt

1 Alle Sendungen eines Radio- oder Fernsehprogramms müssen die Grundrechte beachten. Die Sendungen haben insbesondere die Menschenwürde zu achten, dürfen weder diskriminierend sein noch zu Rassenhass beitragen noch die öffentliche Sittlichkeit gefährden noch Gewalt verherrlichen oder verharmlosen.

2 Redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt müssen Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen, so dass sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann. Ansichten und Kommentare müssen als solche erkennbar sein.

3 Die Sendungen dürfen die innere oder äussere Sicherheit des Bundes oder der Kantone, ihre verfassungsmässige Ordnung oder die Wahrnehmung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Schweiz nicht gefährden.

4 Konzessionierte Programme müssen in der Gesamtheit ihrer redaktionellen Sendungen die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten angemessen zum Ausdruck bringen. Wird ein Versorgungsgebiet durch eine hinreichende Anzahl Programme abgedeckt, so kann die Konzessionsbehörde einen oder mehrere Veranstalter in der Konzession vom Vielfaltsgebot entbinden.>

Die Szene hat in keiner Weise die Menschenwürde verletzt, im Gegenteil: Sie war hochanständig und entsprach dem Knigge. Sie hat niemand diskriminiert, nicht zum Rassenhass beigetragen, nicht die öffentliche Sittlichkeit gefährdet und nicht die Gewalt verherrlicht. Da es sich nicht um eine Sendung mit Informationsgehalt handelte, musste sie nicht sachgerecht sein. Die Szene hat auch ganz offensichtlich die innere und äußere Sicherheit der Eidgenossenschaft, die verfassungsmäßige Ordnung und die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz nicht gefährdet. Und vom Vielfaltsgebot muss nicht die Rede sein, weil es nicht für die einzelne Sendung, sondern für das Programm im Längsschnitt gilt. Es dürfte klar werden, dass die Szene und damit die Sendung absolut im Rahmen des Radio- und Fernsehgesetzes lag.

Sie selber mögen die öffentliche Sittlichkeit verletzt sehen, weil sie es als widernatürlich empfinden, wenn sich zwei Männer küssen, und Sie mögen die Szene als «Propagandaaktion von Homosexuellenverbänden» verunglimpfen. Da ist Ihnen das Authentische und Zärtliche der Szene offensichtlich entgangen. Und: Wir sind nicht in Brunei, wo Homosexuelle hingerichtet werden. Wir sind auch nicht in Russland, wo sie diskriminiert werden. Wir sind in der Schweiz, einem Land, das die gleichgeschlechtliche Partnerschaft gesetzlich anerkennt. Das sollten Sie sich mal merken.

All das gewogen, komme ich zum Schluss, dass ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen kann.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/play/tv/sendung/darf-ich-bitten?id=6124793d-8c1d-4db5-b879-6f3ae0099040 bei TC 1:46:40

[2] https://andreasundconrad.ch/artist/tama-vakeesan/

[3] https://www.srf.ch/radio-srf-1/ueber-uns/das-ist-sven-epiney

[4] https://anitaburi.ch/

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Bühlmann

[6] https://www.rolfknie.ch/

[7] https://www.curtisburger.com/

[8] https://www.kaisertanz.ch/

[9] https://www.srf.ch/play/tv/archivperlen/video/diskussion-zu-den-zuercher-jugendunruhen?id=05f18417-ec5b-4b94-a4bf-293312e56afe

[10] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/index.html

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