Beiträge «Machtgefüge wiegt schwerer als Zölibat» und «Australischer Kardinal wegen Kindesmissbrauchs verurteilt» von «Rendez-vous» beanstandet

5799
Mit Ihrem Brief vom 4. März 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Rendez-vous» (Radio SRF) vom 26. Februar 2019 und dort den Beitrag «Machtgefüge wiegt schwerer als Zölibat», aber eigentlich indirekt auch den Beitrag «Australischer Kardinal wegen Kindesmissbrauchs verurteilt».[1]Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandungwie folgt:

«Bezüglich des angeblichen Missbrauchs von Kardinal Pell hat Frau Helen Schüngel­ Straumann einen Beitrag geliefert, der

  • nicht der Wahrheit entspricht (völlig falsche geschichtlicheFakten)
  • defamierend ist für die Katholische Kirche (böswillige Falschdarstellung von Geschichtsfakten)
  • rufschädigend ist mir als Priester gegenüber (durch solche Berichte wird der Ruf der Kirche bewusst und willentlich geschädigt und so auch der Ruf eines jeden Mitarbeiters, der sich mit der Kirche identifiziert und entsprechend auch mit der Kirche identifiziertwird).

Um sich ein Bild zu machen, weshalb die Aussagen von Schüngel-Straumann unhaltbar sind,habe ich Ihnen meinen Brief beigelegt, den ich Frau Schüngel-Straumann via SRF per Mail habe zukommen lassen und der bis heute nicht beantwortet worden ist.

Zudem habe ich inzwischen vom Bericht des Gerichtsentscheides gegen Kardinal Pell gehört. Darin soll stehen, dass er mit zwei Buben nach einem Pontifikalamt in der Sakristei im vollen

Ornat (Aussage der <Opfer>) Oralverkehr gehabt habe. Wer jemals ein Pontifikalamt mitgefeiert hat, weiss, dass so etwas im Geheimen gar nicht mögich ist, denn nach einem Pontifikalamt ist immer reges Treiben in der Sakristei; es sind immer mindestens 4 Ministranten, meistens mehrere Konzelebranten, mindestens ein Sakristan, Diakon, Lektoren, Sänger etc. etc. dabei. Der Bischof in vollem Ornat kann gar nicht alleine in der Sakristei gewesen sein. Ich erwarte von Radio SRF, dass der Freispruch von Kard. Pell, der absehbar ist, in genau gleicher prominenter Sendezeit und in gleichem Umfang bekannt gemacht wird, dass sich SRF für die Rufschädigung aller Bischöfe und Priester entschuldigt und Wiedergutmachung in die Wegeleitet.

Ich habe zwar kein Vertrauen in Ihre Stelle, insbesondere wenn es die Institution Kirche betrifft, die heute durch die Medien etwa so behandelt wird, wie die Juden in den frühen Dreissiger Jahren in Deutschland. Trotzdem kann ich ja den Gerichtsweg erst beschreiten, wenn Ihre abschlägigeAntwortvorliegt.»

Sie fügten dann den Brief an, den Sie an Frau Helen Schüngel-Straumann geschrieben hatten und der lautet:

«Vorbemerkung: Noch nie habe ich von einer linken Theologin eine sachliche Antwort bekommen und erwarte auch von Ihnen nur Pauschalvorwürfe und Selbstrechtfertigungen. Trotzdem möchte ich meinem Ärger Luft verschaffen. Immerhin sind Sie die ausschlaggebende Person, dass das Radio definitiv keinen Platz mehr in meinem Leben hat - zur Freude meiner Haushälterin, die von SRF noch nie etwas gehalten hat.

Nun zur Sache: Dass wir verschiedener Meinung sind und immer sein werden, daran wird dieser Brief um keinen Millimeter etwas ändern. Aber dass Sie mit falschen Tatsachen um sich geschlagen haben, ärgert mich sehr. Der Zölibat sei eine Erfindung des Mittelalters aufgrund materieller Sorge der Kirche um ihre Güter. Diese Aussage entbehrt jeglicher historischen Grundlage. Sie müssen mir als Theologin nicht angeben, dass Sie weder die Beschlüsse des Konzils von Nicäa (325) noch jene der Synode von Elvira (303) kennen. Dort steht: Der Kleriker «soll nur seine Schwester oder Tochter, wenn sie Gott geweihte Jungfrau ist, bei sich haben; es wurde beschlossen, dass er keinesfalls eine Fremde bei sich haben darf.» Das zeigt deutlich, dass die Enthaltsamkeit schon damals gefordert wurde, als noch verheiratete Männer zur Weihe zugelassen wurden in Anlehnung an die Aussage von Simon Petrus: <Herr, wir haben alles verlassen, was werden wir dafür bekommen.>

Papst Siricius (Dez. 384) schreibt: ,<Durch das unauflösliche Gesetz dieser Bestimmungen werden wir alle, Priester und Leviten, gebunden, auf dass wir vom Tage unserer Weihe an sowohl unsere Herzen als auch Leiber der Enthaltsamkeit und Keuschheit überantworten, damit wirdem Herrn, unserem Gott, in den Opfern gefallen, die wir täglich darbringen.>. Vielleicht kennen Sie dieses letztere Zitat nicht. Aber dass Sie Nicäa und Elvira nicht kennen, glauben ich Ihnen nicht. Deshalb erachte ich Ihre Aussage, dass der Zölibat eine Erfindung des Mittelalters sei als bösartig. Auch wissen Sie ganz gewiss, dass der Zölibat mit der Enthaltsamkeit vor der Zelebration der HI. Messe zu tun hat. Ich erwarte von Ihnen eine öffentliche Entschuldigung. Die Radiomoderatorin mit ihrer stümperhaften Bemerkung, dass die Orthodoxie keinen Zölibat kenne und nach ihrer irrigen Meinung den ursprünglichen Zustand der Kirche wiederspiegle, mag ich verstehen. Leute vom Radio haben ja keine Ahnung von der Sache,denn sie haben ja die einzelnen Materien nicht studiert. Dass Sie aber als <Theologin> da nicht eingreifen und bemerken, dass die Orthodoxie mit ihrer Abschaffung des Zölibats mit der Tradition gebrochen hatte (allerdings ja nicht ganz, denn für die Bischöfe galt das Gesetz weiterhin), kann ich nur insoweit nachvollziehen, weil es Ihnen nicht um die Wahrheit geht, sondern um Ihre feministische Ideologie. Wo Ideologen am Werk sind, nimmt man es halt mit der Wahrheit nicht so genau.

Der Gipfel vom Gipfel ist dann Ihre Aussage, dass Frauen in der Kirche die Sache schon längst zu Tage gebracht hätten. Wo sind denn die Frauen in der reformierten Kirche geblieben, wo die Frauen in den Sportvereinen, in den linken Schulen Deutschlands der 70er Jahre, wo Pädophilie propagiert wurde, wo Kinder über Jahre missbraucht wurden etc. etc. Bei allem Skandal in der Katholischen Kirche (und da kann ich Ihnen sagen, dass meine Wut auf Homosexuelle Kleriker gross ist - 80% der Missbrauchsfälle betrifft nämlich sexuell reife Burschen und dass Papst Franziskus ein Teil der Homosexuellen lobby ist, sind wir uns vielleicht sogar einig) müsste ja doch einmal gesagt sein, dass ein Kind bei einem Pfarrer statistisch gesehen ca. 35 Mal sicherer aufgehoben ist als beim Onkel, und das, obschon innerhalb der Familien die Dunkelziffern wesentlich höher ist als bei Priestern. Ihre Aussage spottet förmlich meiner Erfahrungen. Als Pfarrer hatte ich klare Indizien für sexuellen Missbrauch von drei Mädchen; als ich eine Mutter darauf angesprochen hatte, wurde einfach nichts, aber auch gar nichts unternommen. Ich habe einmal erlebt, wie stümperhaft unsere Polizei vorgeht, wenn ein Verdachtsmoment gemeldet wird. Da habe ich mein Vertrauen in unseren Staat gänzlich verloren. Alles zusammengerechnet kann ich feststellen: Es geht unseren Medien einzig um die Zerstörung der Kirche und überhaupt nicht um die armen Kinder; denn dort, wo der Missbrauch am allerhäufigsten vorkommt, nämlich in der Familie und Verwandtschaft, wird konsequent weggeschaut. Da haben auch Sie als Frau, <Theologin> und Feministin eine grosse Mitverantwortung (ich hoffe ja schon, dass Sie in Ihrem eigenen Umfeld Ihre Augen nicht verschliessen und jene Männer anzeigen, bei denen sexueller Missbrauch vermutet wird. Sie kennen ja gewiss mehr als 20 Männer - also wird mindestens einer davon ein Tätersein).

In Erwartung einer öffentlichen Entschuldigung im Mittagsjournal verbleibe ich mit Kopie dieses Briefes an entsprechende Stellen (zu denen ich allerdings auch kein Vertrauen habe).»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Rendez-vous» antwortete Herr Michael Bolliger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF:

«Ich nehme Stellung zur Beanstandung 5799. Sie betrifft die Berichterstattung in der Sendung <Rendezvous> vom 26. Februar 2019 und dort konkret das Gespräch mit der feministischen Theologin Helen Schüngel-Straummann.

Ich gehe davon aus, dass lediglich die erste der drei Seiten konkret als Beanstandung gemeint ist, der Rest des Schreibens enthält einen Brief, den der Beanstander direkt an Frau Schüngel-Straumann geschickt hatte und hier als Beilage beilegte. Ich nehme also lediglich zum ersten Teil Stellung.

Der Beanstander erkennt in dem Gespräch mit Helen Schüngel-Straumann nach eigenem Bekunden falsche, oder rufschädigende Aussagen und spricht zudem noch die Berichterstattung zum Fall <Pell> an.

Zu den einzelnen Punkten:

1. <falsche geschichtliche Fakten>

Gemeint ist vermutlich (ich leite das aus dem Brief an Schüngel-Straumann ab) die Aussage im Gespräch, der Zölibat stamme aus dem Mittelalter, konkret dem 12. Jahrhundert. Als Nichttheologe ist es für mich nicht einfach, die Richtigkeit dieser Aussage zu überprüfen. Ich lese aber, dass das Zweite Laterankonzil 1139 in Rom unter anderem beschlossen habe, geweihte Kirchenangehörige vom Kirchendienst auszuschliessen und ihnen die Einkünfte zu entziehen, wenn sie heiraten. Daraus schliesse ich, dass im 12. Jahrhundert zumindest ein substantieller Schritt zum Zölibat in der katholischen Kirche gemacht wurde. Was exakt in den Jahrhunderten vorher geschah und wie dieses zu deuten ist, muss ich dem wissenschaftlichen Diskurs überlassen.

Fakten sind selbstverständlich richtig darzustellen, aber hier berührt dieser Punkt im Gespräch lediglich einen Nebenaspekt. Das Gespräch geht im Kern der Frage nach, welche Bedeutung der Zölibat im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen in der Kirche habe. Das wird schon in der Anmoderation klar gemacht mit dem Hinweis auf den Theologen Hans Küng, der sagt, der Zölibat sei <mitschuldig am sexuellen Missbrauch innerhalb der Kirche> (Formulierung in der Moderation). Die Moderation stellt anschliessend die Frage: <Wie sieht das die renommierte feministische Theologin Helen Schüngel-Straumann?>

Mit dieser Formulierung wird für das Publikum klar, was die Kernfrage ist, und dass hier die These eines Theologen aus einer anderen Perspektive hinterfragt werden soll. Dass dabei die feministische Perspektive gemeint ist, wird transparent gemacht. Der Gesprächsgast ist also schon zu Beginn des Gesprächs für das Publikum verständlich positioniert.

2. <diffamierend für die katholische Kirche>

Auch dieser Punkt wird mit <falschen Geschichtsfakten> begründet. Dazu habe ich oben Stellung genommen.

3. <rufschädigend mir als Priester gegenüber>

Es wird nicht exakt klar, was der Beanstander damit meint, auf jeden Fall wird er an keiner Stelle des Gesprächs namentlich erwähnt oder werden Vorwürfe gegen ihn oder seine Arbeit erhoben. Im Gegenteil, im Gespräch wird die katholische Kirche in der Schweiz teilweise in Schutz genommen (<In der Schweiz hat sich schon vieles verändert>).

Im ersten Teil des Gesprächs schätzt die Theologin die Bedeutung der priesterlichen Erziehung <zu Macht und im Gefühl eines besonderen Standes> als wichtiger ein im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen als der Zölibat. Diese Erziehung wirke auf viele junge Leute anziehend, sagt sie, darunter auch solche, die <unter Umständen pervers sind>. Das ist wohl eine pointierte Aussage, aber sie ist erstens relativiert (<unter Umständen>) und zweitens für das Publikum klar als die Meinung einer einzelnen, hier befragten und aus feministischer Sicht argumentierenden Theologin zu erkennen.

4. Fall <Pell>

Der Beanstander bezieht sich in seinem Schreiben auch noch auf den Fall des australischen Kardinals Pell. Die Berichterstattung dazu war dem Gespräch mit Helen Schüngel-Straumann im <Rendezvous> vorgesetzt. Unser Korrespondent aus Rom ging in seiner Analyse der Frage nach, welche Auswirkung die erstinstanzliche Verurteilung Pell’s wegen sexuellem Missbrauch für den Vatikan, respektive Papst Franziskus habe. Diese Frage stellte sich, nachdem mit Pell der bisher ranghöchste Vertreter im Vatikan von einem Gericht für schuldig befunden wurde.

Diese Analyse argumentiert und formulierte sachlich und präzise. Selbstverständlich wurde auch in diesem Bericht, wie in allen anderen zum Fall Pell bei uns, klar gemacht, dass das Urteil angefochten werden könne, respektive Pell dagegen in Berufung gehe. Von Details sexueller Handlungen war nicht im Ansatz die Rede.

5. Fairness und Sachgerechtigkeit über die Zeit

Die vielfältige und sachgerechte Berichterstattung, in der mehrere Seiten zu gleichen Anteilen zu Wort kommen, kann sich grundsätzlich über mehrere Sendungen erschliessen. Nach meinem Dafürhalten ist Radio SRF – ich spreche hier insbesondere für die Informationssendungen - in der Berichterstattung zum Thema sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche dem Grundsatz der Vielfalt und Sachgerechtigkeit bisher geradezu vorbildlich nachgekommen. Beispiel: Die Berichterstattung rund um den Kinderschutzgipfel in Rom Ende Februar. Neben den Opfer-Vertretungen kamen, über mehrere Tage verteilt, mit Bischof Felix Gmür (Präsident der Schweizer Bischofskonferenz) und Hans Zollner, Jesuitenpater und Mitorganisator des Gipfels in Rom zwei Vertreter der Kirche ausführlich (Gmür im <Tagesgespräch>) zu Wort. Dass einige Tage später dann auch noch die Perspektive der feministischen Theologie eingeholt wurde, macht das Bild der sachgerechten Darstellung nur vollständiger.

Fazit:

Die Beanstandung gegen das Gespräch mit der Theologin Helen Schüngel-Straumann wegen unfairer, nicht sachgerechter Berichterstattung entbehrt jeder Grundlage. Die Theologin wurde für das Publikum klar als Wissenschaftlerin mit einer feministischen Perspektive beschrieben, zudem bildete das Gespräch nur einen Teil der Berichterstattung, in der zeitnah, auch Vertreter der Schweizer Katholiken und des Vatikans zu Wort kamen. Die freie Meinungsbildung und faire Berichterstattung waren also jederzeit gegeben. Ob der Zölibat tatsächlich im Mittelalter endgültig eingeführt, und wann er in der orthodoxen Kirche abgeschafft wurde, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant.

Ich bitte Sie, die Beanstandung nicht zu unterstützen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Es geht im Grunde um zweierlei:

1. um die Verurteilung des australischen Kardinals Pell wegen sexuellen Missbrauchs, die Anlass zu einem Radio-Beitrag des Vatikan-Korrespondenten Franco Battel gab.

2. um die Interview-Aussage der feministischen Theologieprofessorin Helen Schüngel-Straumann, dass das Zölibat erst im Mittelalter Verbindlichkeit erlangte.

Zu 1: Sie verfügen offenbar über Informationen, die Sie in die Lage versetzen, die Taten und Untaten des australischen Kardinals Pell besser zu beurteilen als das zuständige australische Gericht. Darüber aber sollten Sie sich mit der australischen Justiz auseinandersetzen und nicht mit Radio SRF und mit dem für die Sendungen von Radio und Fernsehen SRF zuständigen Ombudsmann. Denn im dem diesem Thema gewidmeten Beitrag hat Franco Battel nüchtern festgestellt, dass es sich um das erstinstanzliche Urteil handle, gegen das der Kardinal selbstverständlich in Berufung gehe, dass aber Papst Franziskus I. jetzt ein zusätzliches Problem habe, weil er Pell als Troubleshooter nach Rom geholt habe, wie er schon andere Kirchenleute nach Rom geholt habe, die sich als Fehlgriff erwiesen hätten. Die Analyse von Franco Battel war eine Analyse des aktuellen Zustands des Vatikans und damit vermutlich sogar in Ihrem Sinn, wie Ihre diffamierende Bemerkung über den aktuellen Papst erahnen lässt, und keineswegs eine bestätigende Exegese des australischen Gerichtsurteils. Ich sehe also nicht, was an dem Radiobeitrag aus Rom zu beanstanden wäre.

Zu 2: Im Interview mit Ivana Pribaković vertrat die feministische Theologieprofessorin Helen Schüngel-Straumann[2] im Unterschied zu ihrem Tübinger Kollegen Hans Küng die Auffassung, dass nicht der Zölibat den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche begünstigt habe, sondern die Machtstellung und das Elitebewusstsein der Geistlichkeit. Sie aber werfen der Theologin vor allem vor, die Unwahrheit über den Zölibat gesagt zu haben. Was weiss man denn über die Geschichte des Zölibats?[3]

  • Fest steht, dass der Zölibat mit der Heiligen Schrift nicht begründet werden kann.
  • Fest steht auch, dass in der Antike die Priester in der Regel verheiratet waren.
  • Im Laufe des 4. und 5. Jahrhunderts begann in der weströmischen Kirche die Kampagne für den Zölibat, allerdings mit wenig Wirkung.
  • Um 1000 war noch immer die Mehrheit der Priester in der Westkirche verheiratet, aber im 11. Jahrhundert intensivierte sich die Kampagne dagegen. Zunehmend wurden Priesterfrauen bestraft und versklavt.
  • Das 1. Laterankonzil von 1123 untersagte den Geistlichen die Ehe. Ein Hauptgrund dafür war die fortlaufende Erbteilung der Kirchengüter. Der Beschluss führte zunächst vor allem dazu, dass das Priesterkonkubinat zunahm. Schliesslich konnte der Zölibat in der Westkirche durchgesetzt werden.

Die Theologin hat folglich nichts Unwahres gesagt, als sie unterstrich, der Zölibat sei im Mittelalter verbindlich geworden. Die Journalistin hatte daher auch keinen Anlass, sie zu korrigieren. Es ist übrigens ziemlich anmassend, wenn Sie unterstellen: «Leute vom Radio haben ja keine Ahnung von der Sache». Erstens ist die überwiegende Mehrheit der Medienleute akademisch gebildet, unter ihnen gibt es auch Theologinnen und Theologen. Zweitens gehört es zum Wesen des journalistischen Berufs (wie auch des Anwaltsberufs, des Politikerberufs und teilweise des Pfarrerberufs), sich immer wieder in neue Themen einzuarbeiten. Drittens brillieren gerade Journalistinnen und Journalisten oft durch ihre stupenden historischen, ökonomischen, politischen, sprachlichen und gesellschaftlichen Kenntnisse.

Es zeugt zudem von Ignoranz, wenn Sie behaupten, es gehe den «Medien einzig um die Zerstörung der Kirche». Was ist die Aufgabe der Medien? Ihre Aufgabe ist die kritische Beobachtung und Beschreibung der Gesellschaft. Sie haben eine Kritik- und Kontrollfunktion. Als Wachhunde bellen sie, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Sie richten daher den Blick just auf jene Institutionen, die Skandale produzieren, die lügen, vertuschen, betrügen. Sie machen öffentlich, was an die Öffentlichkeit gehört und was die Akteure der Öffentlichkeit vorenthalten wollen. Die Medien sind aber keine Kampfhunde, die angreifen und das System umkrempeln wollen. Dafür die sind jeweiligen Organe des Staates, der Kirchen, der Wirtschaft, der Sportvereine, des Bildungswesens, der Armee usw. zuständig. Die Medien zeigen nur an.

Wenn ich die beiden Radio-Beiträge in den Blick nehme, dann kann ich keinerlei Diffamierung erkennen. Ich kann auch nicht nachvollziehen, dass Ihr Ruf als Pfarrer geschädigt worden sei, denn keiner der beiden Beiträge zielte auf einzelne Pfarrer oder gar auf Sie. Ihr Ruf basiert auf der Arbeit in Ihrer Gemeinde und der Anerkennung, die Ihnen daraus zuteilwird. Ich kann zwar nachvollziehen, dass ein Theologe, der eine gewisse Nähe zu «Radio Maria» und zum Opus Dei verspürt, mit den Ansichten von Helen Schüngel-Straumann wenig gemein hat, aber es gehört zu einer offenen Gesellschaft und zur Ethik des Diskurses, dass man andere Meinungen respektiert und in der Sache streitet, ohne die Gegenseite herunterzumachen.

Sie eröffneten mir in Ihrer Beanstandung, sie hätten «kein Vertrauen in Ihre Stelle», also in mich, und Sie erwarteten eine abschlägige Antwort. Wohlan, ich kann Ihrer Erwartung gerecht werden: Es gibt keinen ersichtlichen Grund, Ihre Beanstandung zu unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Roger Blum, Ombudsmann

[1]https://www.srf.ch/sendungen/rendez-vous/mehr-kriegsmaterial-exporte

[2]http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/598589; https://de.wikipedia.org/wiki/Helen_Schüngel-Straumann

[3]https://hpd.de/artikel/zoelibat-zur-geschichte-einer-verirrung-15942

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