Sendung «Reise ins Übersinnliche – Folge 1» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 2. März 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Reise ins Übersinnliche – Folge 1» (Fernsehen SRF) vom 28. Februar 2019.[1]Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandungwie folgt:
«Ich beanstande hiermit die Sendung: <Reise ins Übersinnliche>. Die Sendungen missachtet klar das Sachgerechtigkeitsgebot und das Transparenzgebot. Die Sendung stellt Sachen und Erscheinungen falsch dar und versucht den Zuschauer zu verwirren. Es wird dem Zuschauer gezeigt und behauptet das es Geister, irgendwelche Energien und Auren gibt ohne diese sachlich und korrekt zu Begründen. In der Beschreibung steht sogar: <Silvia Hollenstein, das Trancemedium, begibt sich innert Sekunden in einen anderen Bewusstseinszustand. Die Frau verändert das Aussehen und ein Geist spricht durch sie. Der Geist beantwortet alle Fragen zu allen Lebenssituationen und nimmt Kontakt mit dem Jenseits auf.>
Auch hier wird dem Zuschauer erklärt, dass es Geister gibt ohne irgendeinen Beweis dafür zu haben. Es wird nicht einmal hinterfragt oder nach alternativen Lösungen dieser Erscheinung gesucht. Der Zuschauer wird hier klar in die Irre geführt und das Sachgerechtigkeitsverbot ganz klar verletzt. Der angebliche Experte L ucius Werthmüller erklärt ohne eine einzige Sachliche Begründung: dies sei echt. Er wird hier auch als Experte genannt und als Parapsychologe beschrieben obwohl die Parapsychologie keine empirische Wissenschaft ist. Der Zuschauer wird auch hier verwirrt, denn wenn ein Experte sagt es stimme, könnte der Zuschauer davon ausgehen, dass dem auch so sei. Hier verstösst die Sendung auch klar gegen das Transparenzgebot da die offensichtlichen unbeweisenen Meinungen von Experten <erklärt> werden. Peter Brugger argumentierte da schon sehr sachlich, aber das andere überwiegte Zustark. Dem Zuschauer ist es nicht mehr möglich zwischen Komentaren und Meinungen und Fakten zu Unterscheiden. Die Exsistenz von all dem Übersinnlichen wird so gut wie nicht hinterfragt und dem Zuschauer wird somit gesagt, dass all dies Echt sei.
Ich möchte hiermit nochmals an ihre Verantwortung als öffentliches rechtliches Fernsehen appelieren. Sie haben die Pflicht die Warheit zu senden und diese korekt darzustellen und um so zur unabhängigen Meinungsbildung beizutragen. Mit so einer Sendung machen sie schon jetzt psychisch labielen Menschen falsche Hoffnungen und helfen so mit, dass viel Geld zu solchen Esoterikern fliest. Vieleicht als Anregung: Sie könnten doch mal einen Film darüber drehen, in welchem sie Opfer oder Austeiger dieser Szene zu Wort kommen lassen oder zeigen mit was für Tricks diese Leute versuchen ihr Geld zu verdienen?»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Reise ins Übersinnliche» antwortete Herr Matthias Hämmerly, Senior Producer, Entwicklung und Comedy:
«<Reise ins Übersinnliche> besteht hauptsächlich aus vier Elementen:
1. Anbieter esoterischer Praktiken. Sie erklären, wie sie Kunden heilen oder bei der Sinnsuche beraten wollen.
2. Ihre Kunden. Sie sagen, wie die Behandlung wirkte oder – in den allermeisten Fällen – eben nicht wirkte.
3. Zwei Experten mit gegensätzlicher Meinung. Professor Peter Brugger, Leiter der neuropsychologischen Abteilung des Universitätsspitals Zürich und einer der härtesten Kritiker der Esoterik-Branche. Und sein Gegenspieler: Lucius Werthmüller, Präsident des Basler Psi-Vereins. Werthmüller vertritt die Anliegen der Anbieter.
4. Off-Texte der Redaktion. In regelmässigen Szenen werden Fragen gestellt, ob es <Übersinnliches> überhaupt gibt.
Zu Punkt 1 und 2. Alle Anbieter esoterischer Praktiken sind logischerweise überzeugt, dass es paranormale Phänomene gibt. Schon bei den Kunden aber steht die Mehrheit dem Übersinnlichen kritisch gegenüber: Zwei der sechs Kunden haben generell eine sehr kritische Haltung und glauben nicht wirklich, dass es Übersinnliches gibt. Zwei weitere sind zwar offen, glauben aber als Menschen mit wissenschaftlichem Hintergrund eher nicht an Übersinnliches. Nur zwei Kunden glauben an Esoterik. Dieses Verhältnis von <Gläubigen> und <Nicht-Gläubigen> widerspiegelt sich im Resultat der Behandlungen: Von 7 Besuchen bei den Anbietern werden von den Kunden nur zwei als erfolgreich taxiert und einer als halbwegs erfolgreich. Allerdings konnte keine der fünf Krankheiten der Besucher geheilt werden. Dieses in der Sendung klar ersichtliche und am Schluss des dritten Teils nochmals zusammengefasste Resultat widerspricht der Behauptung des Beanstanders, bei <Reise ins Übersinnliche> werde der Zuschauer in die Irre geführt und die Sendung sei nicht sachgerecht.
Zu Punkt 3. Prof. Peter Brugger und Lucius Werthmüller sind zwei gleichberechtigte Diskussionspartner und kommen auch gleichviel zu Wort. Obwohl die beiden völlig gegensätzlicher Meinung sind, respektieren und schätzen sie sich. Weil die beiden Experten klar in kontroversen Positionen sind, kann sich das Publikum durchaus eine eigene Meinung bilden. Gerade auch weil es durch die vielen Fragen (siehe Punkt 4), zum Mitdenken aufgefordert wird. Es kann also keine Rede davon sein, dass dem Zuschauer gesagt wird, dass alles echt sei.
Zu Punkt 4. Über alle drei Teile von <Reise ins Übersinnliche> gibt es nicht eine einzige Wertung der Redaktion, ob paranormale Ereignisse möglich sind. Die Redaktion wirft aber regelmässig Fragen auf. Zum Beispiel:
<Git’s paranormali Phänomen? Cha me hellseh? Existiered Schutzengel? Klappt Handuflege? FunktioniertGeischtheile? Oder sind das nur Hirngspinst? Gits Geischter? Gits Engel?
S Bundesamt für Statistik seit: 50 % vo de Schwiizer glaubed an Engel. Schutzengel gänd Glück. Engel mached Hoffnig. Söll me da druf verzichte, nur wils Engel anschinend nid git?>
Das Publikum wird zum Denken aufgefordert, über den eigenen Horizont zu schauen und sich dank der Reportage und den Diskussionen von Brugger und Werthmüller eine eigene Meinung zu bilden.
In der Beanstandung steht: <Es wird dem Zuschauer gezeigt und behauptet das es Geister, irgendwelche Energien und Auren gibt ohne diese sachlich und korrekt zu Begründen. In der Beschreibung steht sogar: «Silvia Hollenstein, das Trancemedium, begibt sich innert Sekunden in einen anderen Bewusstseinszustand. Die Frau verändert das Aussehen und ein Geist spricht durch sie.Der Geistbeantwortet alle Fragen zu allen Lebenssituationen und nimmt Kontakt mit dem Jenseits auf.»Auch hier wird dem Zuschauer erklärt, dass es Geister gibt ohne irgendeinen Beweis dafür zu haben. Es wird nicht einmal hinterfragt oder nach alternativen Lösungen dieser Erscheinung gesucht. Der Zuschauer wird hier klar in die Irre geführt und das Sachgerechtigkeitsverbot ganz klar verletzt.>
Geister oder Geistwesen sind seit Jahrtausenden Bestandteil zahlreicher Religionen, religiöser Systeme und Mythen [2]aus verschiedenen Kulturen. Entsprechend finden sie vom Märchen bis in wissenschaftliche Abhandlungen statt, begleiten uns also von Kindheit an. Das heisst, der Zuschauer hat sich längst sein eigenes Bild über Geister gemacht und lässt sich deshalb auch nicht so schnell <in die Irre> führen, wie dies der Beanstander moniert.
Der vom Beanstander zitierte Text <Silvia Hollenstein, das Trancemedium (...) nimmt Kontakt mit dem Jenseits auf> stammt aus dem kurzen Online-Hinweis. Diese Leads stammen aus Pressetexten, die Elemente der Serie kurz zusammenfassen. Pressetexte sind – aus Gründen der zwingenden Kürze - immer zugespitzt. In der Sendung aber wird relativiert.
Skeptiker Peter Brugger bezeichnet die Szene sehr direkt als <Fake>. In der nachfolgenden Diskussion sagt nicht einmal der Esoterik-Befürworter Lucius Werthmüller, dass es sich um einen Geist handle:
Brugger: <Darf ich mal fragen, ist ihnen das bekannt. Also kennen Sie so Sachen?>
Werthmüller : <Das kenne ich sehr gut. Ja. Ja. Ich habe vor 30 Jahren solche Dinge erlebt. Dass sich bei Trancemedien alles verändert, die Stimme verändert.>
Brugger: <Was mich hier befremdet ist das Zittern. Also ich kann das auch machen. Ist sie, die das zittert oder ist dies der Geist... wo jetzt ... Also, wie stellen wir das fest?>
Werthmüller: <Also, was durch sie redet, das können wir ja eh nicht feststellen. Ich könnte jetzt nicht behaupten, das sei ein Geist, denn das wissen wir schlicht nicht.>
In der Beanstandung steht weiter: <Der angebliche Experte Lucius Werthmüller erklärt ohne eine einzige Sachliche Begründung: dies sei echt. Er wird hier auch als Experte genannt und als Parapsychologe beschrieben obwohl die Parapsychologie keine empirische Wissenschaft ist. Der Zuschauer wird auch hier verwirrt, denn wenn ein Experte sagt es stimme, könnte der Zuschauer davon ausgehen, dass dem auch so sei. Hier verstösst die Sendung auch klar gegen das Transparenzgebot da die offensichtlichen unbeweisenen Meinungen von Experten <erklärt> werden>.
Es sind zwei Experten. Und diese beiden führen, wie oben gezeigt, eine gleichberechtigte Diskussion. Experten kommen in verschiedensten Diskussions-Sendungen vor. Bei einem Experten-Streit muss am Schluss immer der Zuschauer entscheiden, welchem Experten er glauben will. Dies ist bei <Reise ins Übersinnliche> nicht anders.
Werthmüller ist zwar kein Experte im naturwissenschaftlichen Sinn, aber er ist trotzdem ein Experte, gerade z.B. auch aus ethnologischer Perspektive. Werthmüller muss nicht empirisch untersuchen, um ein Experte zu sein. Er ist Experte, indem er emisch und zum Teil auch etisch an die Phänomene herangeht und so wichtige Referenzmodelle für das Übersinnliche bringt.
Der Beanstander schreibt: <Peter Brugger argumentierte da schon sehr sachlich, aber das andere überwiegte Zustark. Dem Zuschauer ist es nicht mehr möglich zwischen Komentaren und Meinungen und Fakten zu Unterscheiden. Die Exsistenz von all dem Übersinnlichen wird so gut wie nicht hinterfragt und dem Zuschauer wird somit gesagt, dass all dies Echt sei.>
Die Existenz von «Übersinnlichem» wird dauernd hinterfragt: Sowohl von vier der sechs Kunden als auch der Redaktion in den ständig wiederkehrenden Fragen. Für Experte Peter Brugger ist völlig klar, dass es <Übersinnliches> nicht gibt.
Weiter der Beanstander: <Ich möchte hiermit nochmals an ihre Verantwortung als öffentliches rechtliches Fernsehen appelieren. Sie haben die Pflicht die Warheit zu senden und diese korekt darzustellen und um so zur unabhängigen Meinungsbildung beizutragen. Mit so einer Sendung machen sie schon jetzt psychisch labielen Menschen falsche Hoffnungen und helfen so mit, dass viel Geld zu solchen Esoterikern fliest.>
Die Redaktion bleibt dabei, sachgerecht und korrekt berichtet zu haben. Psychisch labilen Menschen werden keine falschen Hoffnungen gemacht: Die Anbieter esoterischer Praktiken konnten bei den Kunden mehrheitlich keine Wirkung erzielen.
Schliesslich schreibt der Beanstander: <Vieleicht als Anregung: Sie könnten doch mal einen Film darüber drehen, in welchem sie Opfer oder Austeiger dieser Szene zu Wort kommen lassen oder zeigen mit was für Tricks diese Leute versuchen ihr Geld zu verdienen?>
Wie bereits erwähnt: Peter Basler hat schon mehrmals - und wird es auch weiterhin tun – über Esoteriker berichtet. Etwa in einer mehrteiligen Serie in <Kassensturz>. [3]
Oder über die Fernsehsendung <Time to do>, die unter dem Deckmäntelchen einer Diskussionsendung gefährlichen Esoterikern eine Plattform verschafft. [4]>
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die <Reise ins Übersinnliche> ist eine dreiteilige Serie. Inzwischen sind die zweite Folge (am 7. März 2019)[5]und die dritte Folge (am 14. März 2019)[6]ausgestrahlt worden. Ein definitives Urteil kann man sich eigentlich erst bilden, nachdem man alle Folgen gesehen hat. Bereits aber in der ersten Folge sind alle Kriterien erfüllt, die an eine Fernsehsendung gerichtet werden: Es wird Transparenz über die Personen und Methoden hergestellt, die Methoden werden von Experten kontroverser Ausrichtung– Prof. Dr. Peter Brugger als Neuropsychologe[7]und Lucius Werthmüller als Parapsychologe[8]- kritisch diskutiert, und der Autor der Serie stellt aus dem Off immer wieder Fragen und damit vieles in Frage. Die journalistischen Sorgfaltspflichten sind damit eingehalten. Der Film war sachgerecht.
Sie nehmen fälschlicherweise an, dass der Autor des Films die parapsychologischen Methoden unterstützt. Er stellt sie vor, um sie kritisch zur Diskussion zu stellen, was auch gelingt. Ich jedenfalls habe während der Sendung viel den Kopf geschüttelt, genau gleich wie damals in Hamburg, als ich Einblick in eine Esoterikmesse hatte und ich das meiste lächerlich, reinen Schabernack und eine unglaubliche Geschäftemacherei auf Kosten naiver hilfesuchender Patientinnen und Patienten fand. Da die Esoterik aber eine so große Anziehungskraft auf so viele Menschen ausübt, ist es richtig und wichtig, dass sich Fernsehen SRF immer wieder damit auseinandersetzt, und zwar kritisch. Ihre Beanstandung hingegen kann ich nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Roger Blum, Ombudsmann
[1]https://www.srf.ch/play/tv/reise-ins-uebersinnliche/video/reise-ins-uebersinnliche---folge-1?id=5357f8c6-3347-4b1f-b9f5-5787ab70e628
[2]https://de.wikipedia.org/wiki/Mythos
[3]https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/themen/serie/kassensturz-testet-paranormale
[4]https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/themen/konsum/pseudo-heiler-am-tv-werbesendung-fuer-scharlatan
[5]https://www.srf.ch/play/tv/reise-ins-uebersinnliche/video/reise-ins-uebersinnliche---folge-2?id=3000ba7b-aa41-4fbf-b50e-5b414c3236ad
[6]https://www.srf.ch/play/tv/sendung/reise-ins-uebersinnliche?id=c671a07f-c136-4f63-a1b5-5faa6027e427
[7]https://www.gwup.org/who-is-who/1564-peter-brugger; http://www.neurologie.usz.ch/fachwissen/seiten/neuropsychologie.aspx
[8]https://www.humaniversity.com/therapists/lucius-werthmueller
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