«Tagesschau»-Beitrag über die AHV-Steuervorlage beanstandet
5846
Mit Ihrer E-Mail vom 28. März 2019 beanstandeten Sie die «Tagesschau» (Fernsehen SRF) vom 26. März 2019 und dort den Beitrag «Abstimmungskampf für die AHV-Steuervorlage lanciert». [1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«In der Grafik werden Bund, Kantonen und Gemeinden 2 Milliarden weggenommen und anderseits dem Bund, Arbeitnehmern und Arbeitgebern 2 Milliarden zugeschaufelt. Scheinbar ein Nullsummenspiel. Effektiv werden den Unternehmen (fehlen in der Grafik) 2 Milliarden geschenkt -- und dem Bund, Kantonen, Gemeinden, Arbeitnehmern und Arbeitgebern werden 4 Milliarden abgeknöpft: 2 Milliarden für Steuerausfälle bei der Unternehmensbesteuerung und zwei Milliarden für die AHV. Davon ist in der Grafik nichts zu erkennen.
Der Text zur Grafik vermag die Fehlinformation der Bilder nicht zu brechen. Beim Betrachter bleiben die Bilder haften und die sagen seinem Gefühl etwas anderes. Der Stimmberechtigte erinnert sich vor der Abstimmung nur noch vage und handelt nach Gefühl. (Soviel zur Absicht der Spin-Doctors). Offensichtlich vertrauen die, die der Tagesschau die Bilder zur Verfügung gestellt haben auf die Macht der Bilder, um ihre Fehlinformation unter die Leute zu bringen. Sind die Redaktoren der Tagesschau nicht in der Lage, diese Manipulation zu durchschauen, oder sind sie Teil davon?
Meines Erachtens ist eine Korrektur an angemessener Stelle angezeigt.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Tagesschau» antwortete Herr Franz Lustenberger, ehemaliger stellvertretender Redaktionsleiter:
«Mit Mail vom 27. März 2019 hat Herr X eine Beanstandung gegen die Tagesschau vom 26. März eingereicht. Es geht um die Berichterstattung über die Medienkonferenz des Pro-Komitees zur AHV-Steuervorlage, welche Mitte Mai zur Abstimmung gelangt.
Die Tagesschau berichtet im Vorfeld von Eidgenössischen Abstimmungen über die Medienkonferenz des Bundesrats sowie über die Medienkonferenzen der beiden Komitees Pro und Contra. Beim beanstandeten Beitrag handelt es sich um den Bericht zur Medienkonferenz des Pro-Komitees.
Die AHV-Steuervorlage ist eine Paketvorlage; zwei Reformschritte, welche zwei ganz verschiedene Themenbereiche (Unternehmenssteuern und Finanzierung der AHV) umfassen, werden in einer Vorlage zusammengeschnürt. Dies drückt bereits das Hintergrundbild während der Moderation aus. Die beiden Teile sind auch farblich getrennt.
Den beiden Teilen der Vorlage gemeinsam ist das Faktum, dass es in beiden Teilen um Geld geht. Die beanstandete Grafik nimmt daher diese Zweiteilung wieder auf. Gezeigt werden zwei getrennte, farblich unterschiedliche Kassen. So können die finanziellen Konsequenzen beider Teile getrennt voneinander dargestellt werden.
Einerseits geht es um die Steuerreform: Aufgrund des internationalen Drucks muss die Schweiz Steuerprivilegien für sogenannte Statusgesellschaften abschaffen. Um einer möglichen Abwanderung entgegenzuwirken, werden die Unternehmenssteuern für alle in der Schweiz ansässigen Firmen gesenkt. Diese Steuersenkung wirkt sich in der Kasse der Öffentlichen Hand (links und orange) aus. Bund, Kantonen und Gemeinden müssen mit Steuerausfällen von rund 2 Milliarden Franken rechnen. Aus Sicht des Beanstanders werden den Unternehmen 2 Milliarden ‘geschenkt’. Eine Steuerreform hat immer Auswirkungen auf der Einnahmenseite, sonst würde der Gesetzgeber eine solche ja nicht vornehmen. Genau das zeigt und sagt die Grafik – der Unternehmenssteuerteil in der Vorlage kostet Bund, Kantone und Gemeinden 2 Milliarden Franken. Die Tagesschau ist in der Wortwahl zur Sachlichkeit verpflichtet.
Andererseits ist in der Gesamtvorlage eine zusätzliche Finanzierung der AHV vorgesehen. Der AHV-Fonds wird zusätzlich mit 2 Milliarden Franken gespiesen. In die AHV-Kasse (rechts und blau) fliessen zusätzliche 2 Milliarden Franken. Bezahlt werden diese vom Bund, den Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Dies entspricht dem gesetzlichen Finanzierungsgrundsatz, wie er in Artikel 102 ff des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) festgelegt ist. [2]
Die AHV ist als 1. Säule ein wesentlicher Teil der Grundsicherung im Alter für Alle. Es ist ein Sozialwerk, das von Allen getragen wird und von dem im Alter auch Alle profitieren. Es ist daher polemisch, wenn der Beanstander schreibt, Bund, Kantonen, Gemeinden, Arbeitnehmern und Arbeitgebern würden Gelder ‘abgeknöpft’. Sowohl die Steuergesetzgebung wie auch die Finanzierung der Sozialwerke basieren auf Verfassung und Gesetzen, welche vom Souverän so beschlossen wurden und immer wieder auch geändert werden können.
Die beiden Teile der Vorlage haben finanzielle Konsequenzen - sowohl auf der steuerlichen Seite wie auf der Seite der AHV-Kasse. Deshalb hat die Grafik die beiden Kassen sauber getrennt und für beide Teile aufgeführt, wer diese Reform letztlich bezahlt – also wen die voraussichtlichen Steuerausfälle in der Höhe von 2 Milliarden Franken treffen und wer für den zusätzlichen Betrag für die AHV aufkommt.
Genau dies sagen Grafik und Text aus.
Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Sie haben in der Tat nicht genau hingeguckt und die Grafiken darum falsch verstanden. Dabei waren sie auffällig einfach: Es waren zwei Registrierkassen, wie man sie früher in den Kolonialwarenläden hatte. Aus der einen – orangen – Registrierkasse werden 2 Milliarden Franken entnommen, weil die Unternehmenssteuern gesenkt werden, und für diese zwei Milliarden müssen Bund, Kantone und Gemeinden bluten. In die andere – blaue – Registrierkasse werden zwei Milliarden Franken hineingegeben, und zwar zur weiteren Finanzierung der AHV, und diese zwei Milliarden steuern Bund, Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam bei. Dies entspricht genau der Abstimmungsvorlage[3], und die «Tagesschau» hat es korrekt wiedergegeben. Es ist keinerlei Spin vorhanden. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/abstimmungskampf-fuer-die-ahv-steuervorlage-lanciert?id=9c8b36b5-9d3e-43da-8f31-522a7f371020
[2] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19460217/index.html
[3] https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/abstimmungen/20190519/steuerreform-und-ahv-finanzierung.html
Kommentar