Beitrag «Vergünstigte GA – Einnahmenausfälle im Personenverkehr?» von «Tagesschau» beanstandet
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Mit Ihrer e-Mai vom 24. März 2019 beanstandeten Sie die «Tagesschau» (Fernsehen SRF) vom 10. März 2019 und dort den Beitrag «Vergünstigte GA – Einnahmenausfälle im Personenverkehr?» [1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Vor zwei Wochen (10.März 2019) strahlte die 19:30-Uhr-Tagesschau einen Beitrag zur verbilligten Abgabe von Generalabonnementen ab. In einer kurzen Filmsequenz liess man unter Anderen auch Nationalrat Ulrich Giezendanner zu Wort kommen. Herr Giezendanner zeigte sich erbost und vertrat vehement die Ansicht, dass jegliche verbilligte GA-Abgaben zu Lasten des Steuerzahlers absolut intolerabel wären. Da nun aber Herr Giezendanner in seiner Funktion als Nationalrat richtigerweise Anrecht auf ein 1.-Klasse-GA hat, stiess mir seine Aussage sauer auf, denn von woher, wenn nicht ab des Steuerzahlers Haufen, werden die amtsnotwendigen Reisedokumente sämtlicher eidgenössischen Abgeordneten sonst beglichen? Was geht in Herrn Giezendanner bloss vor, eine Tatsache öffentlich anzuprangern, von welcher er mittlerweile selbst 28 Jahre lang profitierte. Per E-Mail auf diese Tatsache angesprochen, antwortete Herr Giezendanner auf demselben Weg schnell und knapp: -<hatte und habe noch nie GA>, Ende Zitat.
Diese Aussage ist gestützt auf meine Recherchen zutreffend, bezieht sich jedoch nur auf ein persönliches GA. Die Verwendung von unpersönlichen ‘auf Dritte, (Gemeinden, Firmen etc.)’ ausgestellten Abonnemente lassen sich nur mit übergeordneten Interessen, wie z.B. Rechtshilfe, weiterverfolgen, wäre in meinem Sinne der Konfrontation auch nicht der massgebende Ansatz.
Laut Vergütungsreglement der eidgenössischen Räte kann jedoch jedes Ratsmitglied auswählen, ob ihm ein 1.-Klasse-GA oder dessen aus demselben Topf finanzierte Gegenwert von aktuell Fr. 5'040.— pro Jahr, dienlicher wäre. Ohne Erklärung, auch die Ersatzvergütung ausgeschlagen zu haben, sei er zu seiner TV-Aussage schlicht nicht befugt, liess ich Herrn Giezendanner in einer Zweit-E-Mail wissen. Trotz Bitte um Rechtfertigung zog Herr Giezendanner ein Stillschweigen bis zum heutigen Tag (24.III. 2019) vor.
Zur Gesamtdarstellung der Sachlage wandte ich mich daher am 14. März an die unabhängige Beschwerdeinstanz UBI und bat, den TV-Auftritt Giezendanner um die aktuellen <Vergütungsregelung der eidgenössischen Räte>, ebenfalls in einer 19:30-Uhr Tagesschau zu ergänzen. In seiner Antwort verwies mich Herr Pierre Rieder der UBI erstinstanzlich an Sie, die Ombudsstelle SRG Deutschschweiz. Der Verfahrensweg würde eine Erstabklärung Ihrerseits voraussetzen, bevor eine UBI-Beschwerde erhoben werden kann. In der Hoffnung, mit diesem Schreiben das Richtige getan zu haben, sehe ich Ihren Nachrichten mit Hochspannung entgegen und bedanke mich für Ihre Bemühungen.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Tagesschau» antwortete Herr Franz Lustenberger, ehemaliger stellvertretender Redaktionsleiter der Sendung:
«Mit Mail vom 24. März 2019 hat Herr X eine Beanstandung gegen die Tagesschau vom 10. März eingereicht. Es geht um die Stellungnahme von Herrn Nationalrat Ulrich Giezendanner (SVP, Aargau) zur Praxis der Unternehmen des Öffentlichen Verkehrs, vergünstigte GA’s an ihre Mitarbeitenden abzugeben.
Aufgabe des Parlaments
Neben der Rechtssetzung und von Wahlen (Bundesrat, Bundesgericht, etc) hat das Parlament eine Aufsichtsfunktion gegenüber der Exekutive. Konkret: Das Parlament übt die Oberaufsicht über die Tätigkeiten des Bundesrates und damit auch der Verwaltung aus. Es hat die Oberaufsicht über die Tätigkeiten der Bundesgerichte und über andere Organe, denen Bundesaufgaben übertragen sind.
Die SBB und die anderen Transportunternehmen des öffentlichen Verkehrs nehmen Aufgaben des Bundes, der Kantone und der Gemeinden im Verkehr für die Allgemeinheit wahr. Sie werden auch mit öffentlichen Geldern finanziert.
Die Parlamentarier sind aufgrund ihrer Aufsichtsaufgabe nicht nur berechtigt, Kritik an Verwaltungsvorgängen zu äussern. Sie sind aus Sicht der Bevölkerung, deren Interessen sie im Parlament vertreten, geradewegs dazu verpflichtet, diese Aufsichtsaufgabe umfassend wahrzunehmen und sich entsprechend einzubringen.
Die Tagesschau widerspricht daher der Aussage des Beanstanders, Nationalrat Ulrich Giezendanner sei – unabhängig davon ob er ein GA oder eine Ersatzentschädigung bezieht – <schlicht nicht befugt>, eine entsprechende Aussage zu machen.
Entschädigung des Parlamentes
Die Abgabe von GA’s an die Parlamentarier ist in der Verordnung zum Parlamentsgesetz geregelt. Gemäss Artikel 4 erhalten Ratsmitglieder als Pauschalentschädigung für Reisen im Inland entweder ein GA 1. Klasse der schweizerischen Transportunternehmungen oder einen Betrag in Höhe der dem Bund entstehenden Kosten eines solchen Abonnements.[2]
Die Entschädigung der Parlamentarier, darunter auch die Abgabe des GA 1. Klasse sorgt immer wieder für Diskussionen, nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch im Parlament selber. So reichte Nationalrätin Irène Kälin (Grüne, Aargau) am 12. März 2018 eine Motion ein, welche die Abgabe eines GA’s 2. Klasse (statt eines GA’s 1. Klasse) zum Ziel hatte.[3] Die Motion wurde am 28. Mai 2018 mit 31 Ja zu 141 Nein abgelehnt. Das Ratsbüro veröffentlichte in seinem Nein-Antrag auch Informationen zum GA der Parlamentarier. Danach haben 212 Mitglieder ein GA bezogen, 34 Mitglieder haben sich für die Pauschalentschädigung entschieden.
<Steuerzahler>
Der Beanstander spricht Nationalrat Ulrich Giezendanner die Berechtigung ab, die Abgabe von GA’s an Mitarbeitende von Unternehmen des subventionierten Öffentlichen Verkehrs zu kritisieren, da er als Nationalrat ja ebenfalls in den Genuss eines GA oder einer entsprechenden Pauschalentschädigung komme, die vom <Steuerzahler> bezahlt werde. Nicht nur das GA, sondern alle Aufwendungen des Parlamentes werden vom <Steuerzahler> bezahlt. Auch die parlamentarische Demokratie ist nicht gratis – und wer anders als der <Steuerzahler> soll die Kosten des schweizerischen Parlamentes bezahlen?
Fokus des Beitrages
Im beanstandeten Beitrag geht es um eine aktuelle Recherche der SonntagsZeitung, welche publik gemacht hat, dass rund 100'000 Mitarbeitende von Transportunternehmen des öffentlichen Verkehrs von GA-Vergünstigungen profitieren. In den Kreis eines Rabattgenusses kommen gemäss SonntagsZeitung auch Pensionierte, Lebenspartner und Kinder. Es geht um Vergünstigungen im Gesamtwert von rund 380 Millionen Franken.
Im Beitrag verteidigt Ueli Stückelberger, Direktor des Verbandes öffentlicher Verkehr (VÖV), das Rabattsystem. Er spricht von der Motivation der Mitarbeitenden. Im Beitrag wird auch klar gesagt, dass diese Vergünstigungen Lohnbestandteile sind und entsprechend als Einkommen versteuert werden müssen. Auf der anderen Seite kritisiert Nationalrat Ulrich Giezendanner dieses Rabattsystem. NR Ulrich Giezendanner ist Mitglied der zuständigen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF). Im letzten Teil des Beitrages wird gesagt, dass das zuständige Bundesamt für Verkehr (BAV) die jetzige Praxis des Rabattsystems genauer anschauen will.
Fazit
Die Tagesschau hat sachgerecht über eine Kontroverse zu den Vergünstigungen (GA’s) für Mitarbeitende von Unternehmen des Öffentlichen Verkehrs berichtet. Die Tatsache, dass Parlamentarier ein GA gemäss Bundesrecht erhalten, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Erheblich ist dagegen die Aufsichtsfunktion der Parlamentarier, welche sie geradezu dazu verpflichtet, zu Vorgängen in der Verwaltung und in Unternehmen, welche von der öffentlichen Hand mitfinanziert werden, Stellung zu beziehen.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Sie sind richtig vorgegangen, dass Sie sich mit ihrer Kritik am «Tagesschau»-Beitrag über die vergünstigte Abgabe von Generalabonnementen an die Ombudsstelle wandten. Im Grunde kritisieren Sie, dass die «Tagesschau» nicht transparent genug war, indem sie verschwieg, dass auch die Mitglieder des eidgenössischen Parlamentes ein Gratis-Generalabonnement oder dessen Gegenwert erhalten. Dabei wäre es gleichgültig gewesen, welcher Parlamentarier Kritik an der Praxis der Unternehmen des öffentlichen Verkehrs geübt hätte: Jedes Parlamentsmitglied profitiert vom Gratis-GA-Bezugsrecht.
Es ist in der Tat unschön, dass ausgerechnet ein Parlamentarier, der ebenfalls vom GA-Bezugsrecht profitiert, das GA-Bezugsrecht Anderer kritisiert. Doch wie Herr Lustenberger ausgeführt hat, gehört es zur Aufgabe des Parlamentes, die Verwaltung und die Regiebetriebe des Bundes zu kontrollieren. Es muss also auch dann Kritik üben können, wenn es selber ein ähnliches Privileg genießt. Das Parlament braucht gewisse Privilegien, damit es seine Aufgabe erfüllen kann. Eine ausreichende Ausstattung des Parlamentes ist schon deswegen zwingend, weil verhindert werden muss, dass nur noch reiche Bürgerinnen und Bürger ein Parlamentsmandat übernehmen können. Dies schliesst nicht aus, dass auch die Privilegien des Parlamentes von Zeit zu Zeit überprüft werden. Und es würde die «Tagesschau» (oder «10 vor 10» oder die «Rundschau») nicht hindern, auch mal eine Sendung über die Parlamentsprivilegien zu machen.
Aber es sind zwei verschiedene Themen. Im Beitrag vom 10. März 2019 ging es um die vergünstigten Generalabonnemente von Mitarbeitenden öffentlicher Verkehrsunternehmen. Dass dabei ein Parlamentarier als Kritiker auftrat, war seiner Funktion als Mitglied der Oberaufsicht geschuldet. Der Beitrag selber war in Ordnung, weil er Pro und Contra spiegelte und aufzeigte, was das Bundesamt für Verkehr jetzt vorhat. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen. Doch nehme ich Ihre Kritik insofern auf, als ich der Redaktion empfehle, in der Mediathek im Onlinetext in einem erklärenden Kasten auf das GA-Privileg der Parlamentarier hinzuweisen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/verguenstigte-ga---einnahmeausfaelle-im-personenverkehr?id=ed372e14-c332-436b-8ac0-a4f0664697b1
[2] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19880055/index.html
[3] https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20183133
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