Sendung «Grüne Träume» - Klimastreik von «Arena» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 21. März 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Arena» (Fernsehen SRF) vom 15. März 2019.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Die Sendung <Arena> finde ich grundsätzlich äusserst fragwürdig: es wird nichts vertieft, am Schluss der Sendung bin ich selten schlauer als vorher. Deshalb schaue ich diese Sendung, die eigentlich eine Informationssendung sein sollte, längst nicht mehr.
Vergangenen Freitag, 15.3.2019, nahm ich als ältere (knapp 68 j.), schon immer bewegte Frau, am Klimastreik in Zürich teil. Seit Monaten stellt mich nichts so auf wie diese jungen Menschen, die sich endlich verlauten lassen, sich bewegen --- und notabene von der Wissenschaft äusserst zahlreich und namhaft unterstützt werden.
Abends dachte ich, ich könnte mir die Sendung wieder einmal ‘antun’.
Was mir da geboten wurde, schlug dem Fass den Boden raus! Vier gestandene Männer aus einflussreichen Positionen wurden den jungen Menschen gegenübergestellt. Diese wurden eigentlich richtiggehend vorgeführt, liessen sich aber nicht provozieren und blieben anständig und respektvoll, was z.B. von C. Zanetti nicht behauptet werden kann. Die Moderation war katastrophal schlecht. J. Projer tat, wie wenn das Thema ein neues wäre. Dabei weist die Wissenschaft seit 30 Jahren auf die Problematik hin!
Ich gehörte letztes Jahr zu den vehementen Kämpfer*innen für den Service public, sprich die SRG, gegen die No-Billag Initiative! Vielleicht ist der Weggang von J. Projer eine Chance, die Sendung neu aufzustellen, im Sinne von vertiefter Diskussion, kontrovers, aber respektvoll, sich in die Augen schauend. Ich wünsche mir, nach einer <Arena> Sendung Anregungen erhalten, neue Gedanken gehört zu haben. Ich erwarte von der SRG eine Informationssendung, welche diesen Namen verdient!! Dafür haben wir uns 2018 eingesetzt! Action und Oberflächlichkeit kann ich mir anderswo beschaffen, wenn mir denn danach zumute ist. Ich hoffe, dass sich echt was ändert!»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Arena» antwortete Frau Franziska Egli, Redaktionsleiterin der Sendung:
«Mit Mail vom 21. März 2019 hat Frau X eine Beanstandung gegen die Arena-Sendung vom 15. März zum Thema Klimastreik eingereicht. Die Redaktion Arena nimmt gerne dazu Stellung:
Zusammensetzung der Runde
Die von Frau X beanstandete Sendung weicht hinsichtlich Zusammensetzung und Aufstellung der Gäste stark vom gewohnten Bild ab: Es diskutieren nicht vier Gäste ein bestimmtes Thema kontrovers an den Pulten in der Hauptrunde, allenfalls ergänzt durch weitere Gäste in der sogenannten ‘Loge’ hinter der Hauptrunde. Stattdessen diskutieren Klimastreikende in einer erweiterten Hauptrunde mit ihren Gegnern.
Die Klimastreikenden verstehen sich als eine von Parteien losgelöste Bewegung, die weltweit für ihr Anliegen auf die Strasse geht. Sie treten als Kollektiv und nicht als Einzelpersonen auf. Diesem Umstand trägt die Redaktion Rechnung und lädt gleich 20 junge Menschen ins Studio ein, damit diese ihren Standpunkt in der Sendung vertreten können. In der Sendung ergreifen sieben von ihnen immer wieder das Wort.
Damit die Sendung trotzdem ausgewogen bleibt und das Thema kontrovers diskutiert werden kann, ist es daher nur folgerichtig, dass die eingeladenen Politiker und Wirtschaftsvertreter den gegnerischen Standpunkt vertreten. Zum einen sind dies Politiker; die Nationalräte Claudio Zanetti (SVP) und Hans-Ulrich Bigler (FDP); letzterer ist gleichzeitig Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes. Zum anderen sind dies explizite Wirtschaftsvertreter, nämlich Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor von Swissmem, und Andreas Burgener, Direktor von Auto Schweiz. Nationalrat Claudio Zanetti vertritt die grösste Partei der Schweiz, welche in ihrem aktuell gültigen Positionspapier bezweifelt, dass das Klima durch menschliche Aktivitäten beeinflusst wird (Positionspapier SVP <Für eine Klimapolitik mit Augenmass>, S.7).
Die jungen Klimastreikenden diskutieren gleichberechtigt und auf Augenhöhe mit Vertretern wichtiger Branchen und Wirtschaftszweige (Gewerbe, Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie und Autohandel); diese sind direkt angesprochen, wenn es um den Klimawandel und um mögliche Massnahmen gegen die Klimaerwärmung geht. Im weiteren Verlauf der Sendung bekommen sie auch noch Unterstützung aus der Politik: Die Präsidentin der Grünen Regula Rytz und CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt stossen zur Hauptrunde hinzu, Swissmem-Vertreter Jean Philippe Kohl und Andreas Burgener, Direktor von Auto Schweiz geben ihre Plätze frei, bleiben jedoch im Studio und nehmen in der ‘Loge’ Platz.
Verlauf der Sendung
Die Redaktion Arena kann die Ansicht der Beanstanderin, die jungen Klimastreikenden seien ‘richtiggehend vorgeführt’ worden, nicht teilen. Im Gegenteil, die Vertreterinnen und Vertreter haben ihre Sorgen und Ängste, aber auch ihre Hoffnungen und Erwartungen an Politik und Wirtschaft klar zum Ausdruck bringen können.
Die Diskussion um das Positionspapier der SVP verlief sehr lebhaft (ab 13:00); die jungen Klimastreikenden reagierten letztlich mit Ironie auf die Aussagen von Nationalrat Claudio Zanetti. Die Beanstanderin hat diesbezüglich Recht, die Jungen liessen sich nicht provozieren. Dreingeredet haben in diesem Teil der Sendung beide Seiten.
Auch zum CO2-Gesetz, das von Nationalrat Hans-Ulrich Bigler gelobt wurde, haben die Klimastreikenden ihre Position klar darlegt; Dominic Tobler (ab 17:35) vertrat die Ansicht, dies sei kein griffiges CO2-Gesetz gewesen. Der Swissmem-Vertreter appellierte an die Jugendlichen, technische Berufe zu erlernen, um so später selbst wirksame Projekte und Technologien zum Klimaschutz zu entwickeln.
Mit dem Zuzug von Nationalrätin Regula Rytz (ab 25:50) in die Hauptrunde wird das Thema noch stärker auf die politische Ebene, konkret auf die demokratischen Entscheide zum Atomausstieg, gehoben. Für ein paar Minuten diskutierten die Parlamentarier unter sich.
Der Moderator holte die jungen Klimastreikenden jedoch gleich wieder zurück in die Diskussion (33:40). Jann Kessler brachte grundsätzliche Fragen zur Energieversorgung der Schweiz durch einige wenige Konzerne und Länder und damit die Abhängigkeit der Schweiz in die Diskussion ein. Dieser Aspekt wird von Andri Gigerl (38:00) nochmals betont; er stellt die Aussage, die Ziele seien nicht in der geforderten Zeit realisierbar, konsequent in Frage (56:30).
In der Folge wird sehr intensiv und respektvoll über die Risiken und Chancen von erneuerbaren Energien gesprochen; mit Nationalrat Stefan Müller-Altermatt stösst ein Energiepolitiker aus einer ‘Mitte-Partei’ zur Runde (37:00).
Der Grundkonflikt zwischen den jungen Klimastreikenden und Claudio Zanetti kommt klar zum Ausdruck (ab 40:00). <Ihr Politiker nehmt uns nicht ernst> lautet die Botschaft der einen Seite, <Ihr macht Panik> lautet jene der anderen Seite.
Ein wichtiger Streitpunkt (ab 43:50) im laufenden Revisionsprozess des CO2-Gesetzes ist die Frage nach der Kompensation des CO2-Ausstosses im Inland und/oder Ausland. Während Nationalrätin Regula Rytz die Kompensation im Inland als Chance für die einheimische Wirtschaft sieht, weist Nationalrat Hans-Ulrich Bigler auf die höhere Wirksamkeit von Massnahmen im Ausland hin. Dies führt zu einem Schlagabtausch innerhalb des engeren Kreises, den Moderator Jonas Projer mit dem Einbezug der Jungen (49:30) wieder aufbricht.
Moderation
Die pauschale Beurteilung der Beanstanderin, die Moderation sei ‘katastrophal schlecht’ gewesen, kann die Redaktion nicht teilen. Jonas Projer hat die Argumente immer wieder gebündelt und der jeweiligen Gegenseite zugespielt. Beispielhaft hierfür seien an dieser Stelle die Sequenzen zu einem Klimanotstand (09:00) oder zu einem scharfen CO2-Gesetz (11:50) genannt. Auch in der Frage der SVP-Position hat Jonas Projer bei Nationalrat Claudio Zanetti nachgehakt. Ebenso hat der Moderator die Forderung der Klimastreikenden nach einer massiven Reduktion des CO2-Ausstosses – Null-Emission im Jahre 2030 – präzise an die Wirtschaftsvertreter weitergegeben (18:50).
Fazit
In der Sendung kamen alle Seiten mit ihren Argumenten zum Zug. Die jungen Klimastreikenden wurden in keiner Art und Weise vorgeführt; sie waren dank der Erweiterung der Hauptrunde prominent positioniert und konnten sowohl ihre konkreten Anliegen als auch die gesellschaftlichen Visionen dahinter ausführlich darlegen.
Wenn die Beanstanderin das Verhalten von Nationalrat Claudio Zanetti als ‘nicht respektvoll’ bezeichnet, so ist das ihre Sicht. Aus Sicht der Arena haben sich alle Beteiligten im in der Schweiz üblichen Rahmen einer engagierten, teilweise emotionalen Diskussion bewegt. Es ist nicht Aufgabe der Moderation, einzelne Äusserungen zu ‘qualifizieren’.
Die Moderation fasste immer wieder zusammen, bündelte die Argumente und spielte sie der Gegenseite zu. Jonas Projer hat die ungewohnte Ausgangslage mit den jungen Klimastreikenden auf den Bänken gut gelöst; er ist immer wieder hin- und her gependelt.
Gerade indem die Jungen ihre grundsätzlichen Fragen zur Gesellschaft vorbringen konnten, blieb die Diskussion nicht in Details verhaftet und war unseres Erachtens keineswegs oberflächlich.
Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Eine Diskussionssendung mit so vielen Teilnehmenden kann nie den gleichen Tiefgang haben wie ein Dreiergespräch in der «Sternstunde Philosophie» oder eine nachdenkliche Runde im «Literaturclub», genauso, wie eine Parlamentsdebatte kaum je den gleichen Tiefgang hat wie ein wissenschaftliches Seminar im kleinen Kreis. Die «Arena» hat nicht das Ziel, Gegenwartsprobleme zu lösen, sondern sie anzusprechen und die verschiedenen Positionen offenzulegen. Das ist auch in der Sendung zum Klimastreik gelungen. Dabei war ungewohnt, dass den vier (bzw. sechs) prominenten Personen an den Pulten 20 nicht-prominente Jugendliche gegenübersaßen, die sehr wohl sachkompetent waren im Thema, aber einen etwas anderen Kommunikationsstil pflegten. Denn möglicherweise war es ein Versäumnis in der Vorbereitung, dass die Redaktion ihnen zu wenig eingeschärft hat, wonach undiszipliniertes Dreinreden zum eigenen Nachteil wird, weil das Publikum dann weder den weiterredenden Sprecher noch den dreinredenden Sprecher versteht. Alles in allem hat jedoch die Sendung die wichtigen Fragen angesprochen; Jonas Projer hat die Diskussion gut und fair geleitet. Es war immer transparent, wer wofür stand. Die Diskussionsanteile der verschiedenen Positionen waren ausgewogen verteilt. Ich sehe nicht, inwiefern die Bestimmungen des Radio- und Fernsehgesetzes verletzt sein könnten. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/play/tv/arena/video/gruene-traeume?id=54910515-4bac-47a3-8cce-26f391c241cf
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