«Echo der Zeit»-Beitrag «Österreich: Avantgarde der Rechten» beanstandet
5856
Mit Ihrem Brief vom 30. März 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Echo der Zeit» (Radio SRF) vom 28. März 2019 und dort den Beitrag «Österreich: Avantgarde der Rechten». [1]Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„Fristgerecht erhebe ich Beanstandung gegen die oben erwähnte Sendung infolge falscher Berichterstattung.
1. Die rechtsextreme und völkische ‚Identitäre Bewegung‘ und die österreichische FPÖ sind vollkommen getrennt und haben nichts gemeinsam, wie dies im Bericht versucht wird zu vermitteln. Dies ist unrechtmässig, da unbefangene Zuhörer so in ihrer Meinungsbildung beeinflusst werden.
2. Die FPÖ ist wie in der Schweiz die SVP oder EDU sehr islamkritisch und rechtsbürgerlich aufgestellt, von Moslem- und Islamhassern wie dies Andreas Peham sagt, kann keine Rede sein. Denn alle diese Parteien sind durch und durch rechtsstaatlich, benennen jedoch richtigerweise die Probleme, welche durch die Islamisierung und Umvolkung durch kulturfremde Menschen entstehen. Dies zu benennen und abzulehnen hat nichts mit Rechtsextremismus zu tun.
3. Es wurde im Bericht viel zu wenig erwähnt, wie stark vor allem die FPÖ eine lückenlose Aufklärung, betreffend möglicher Involvierung der Identitären Bewegung in das schreckliche Attentat in Neuseeland will. Auch steht die FPÖ für ein mögliches Ver-bot dieser Bewegung, auch dies wurde nicht erwähnt, was klar einseitig ist.
4. Die FPÖ hat den schrecklichen Anschlag klar und aufs Schärfste verurteilt, auch dies wurde im Bericht zu wenig erwähnt.
Ich bitte Sie, vorliegende Beanstandung gutzuheissen, bzw. die von mir beanstandeten Punkte zu rügen. Für Ihre Bemühungen danke ich Ihnen im Voraus.“
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für das «Echo der Zeit» antwortete dessen Redaktionsleiter, Herr Beat Soltermann:
«Besten Dank für die Gelegenheit, Stellung zu nehmen zur Beanstandung von Herrn X aus Luzern. Er kritisiert ein Gespräch, das im ‘Echo der Zeit’ vom 28. März zu hören waren. Er macht implizit geltend, das Sachgerechtigkeitsgebot (Art. 4 RTVG) sei verletzt worden.
Gerne nehme ich zur Beanstandung wie folgt Stellung: Anlass für das Gespräch mit Andreas Peham, einem der besten Kenner der rechtsextremen Szene Österreichs, war die Verbindung, die zwischen dem Attentäter von Christchurch, der 50 Muslime getötet hat, und der rechtsextremen ‘Identitären Bewegung’ Österreichs besteht. Der Attentäter hatte eine Spende von 1500 Euro aufs Konto des Sprechers dieser Bewegung überwiesen. Die Staatsanwaltschaft Graz ermittelt.
Im Gespräch ging es zuerst darum, wie überraschend diese Geld-Verbindung und ist und wie gross die ideologische Schnittmenge ist zwischen dem Attentäter und den Identitären. Danach ging es so weiter:
Frage: <Warum ist Österreich so attraktiv für einen Attentäter am anderen Ende der Welt?>
Antwort: <Ja, das hatten wir ja schon bei (Anders) Breivik – also Österreich war das am zweitmeisten genannte Land nach Norwegen in dessen Manifest. Und jetzt wieder vielfältige Bezüge. Das hat historische Gründe, Stichwort: Türkenbelagerung, Österreich als Bollwerk des Deutschtums und des christlichen Abendlandes, wie man das auch immer sieht und dann bestimmt. Und dann gibt’s unmittelbar politisch, aktuelle Gründe. Das ist zum einen die Avantgarde-Funktion der Freiheitlichen, der FPÖ, in den europäischen Netzwerken gegen die Islamisierung, wie das genannt wird. Also hier muss man wirklich von einer Avantgarde-Funktion ausgehen, gerade von Heinz-Christian Strache. Das heisst, der ist auch international in dieser Szene der Moslemhasser, wenn man sie so nennen darf, eine ganz wichtige, lebendige und fast schon Symbolfigur. Und als drittes dann die Identitären selbst, da ist es dann sozusagen das Netzwerk der Identitären selbst, das massgeblich von Österreich ausgeht über ganz Europa. Und ja, indem man dann Österreich überdurch-schnittlich oft erwähnt, trägt man all dem Rechnung.>
Frage: <Sie haben Vizekanzler Strache von der FPÖ erwähnt. Auch er hat reagiert, hat eine schonungslose Aufklärung verlangt und distanziert sich von der Identitären Bewegung. Also – hat dieser Anschlag auch bei Strache etwas bewirkt?>
Antwort: <Das befürchte ich nicht. Aber, wie gesagt, Menschen können lernen, und ich bin ein heilloser Optimist. Aber meine Erfahrung mit diesem Typus von Politiker würde mich hier eher skeptisch oder pessimistisch stimmen. Es ist jetzt eher, würde ich sagen, ein Zurückrudern oder das, was man auch als Kindsweglegung bezeichnet. Wir hatten in der Vergangenheit ganz andere, ganz gegenläufige Statements zu den Identitären, wo er sich sehr deutlich positiv auf sie bezieht. Jetzt so zu tun, wie wenn man immer schon auf Distanz zu dieser Gruppe gewesen wäre, wie wenn es überhaupt keine Kontakte gebe und vor allen Dingen, was zentral ist, wie wenn es überhaupt keine ideologische gebe, das halte ich, ja, nicht gerade für einen politisch erwachsenen verantwortungsbewussten Umgang mit solchen Tatsachen in der Demokratie.>
Anschliessend ging es im Gespräch noch um Kanzler Sebastian Kurz, der sagte, in Österreich dürfe es keinen Platz geben für Extremismus, egal, aus welcher Ecke, um den strafrechtlichen Spielraum und um mögliche weitere Verbindungen des Attentäters zu rechtsextremen Gruppen ausserhalb Österreichs.
Herr X behauptet, dass es zwischen der Identitären Bewegung und der FPÖ keinerlei Verbindungen und Gemeinsamkeiten gebe. Dies trifft in dieser Absolutheit nicht zu, wie die detaillierten Aussagen des Experten zeigen. Die Identitären und zumindest ein Teil der FPÖ-Parteivertreter am rechten Rand nehmen dieselbe Haltung ein, wenn es um Immigrationsthemen geht. Wenn Herr X von den Problemen schreibt, <die durch die Islamisierung und Umvolkung durch kulturfremde Menschen entstehen>, bedient er sich übrigens desselben Vokabulars. Das geht es um sehr viel mehr als um die reine Benennung eines Problems.
Schliesslich kritisiert Herr X auch, es sei zu wenig erwähnt worden, <wie stark vor allem die FPÖ eine lückenlose Aufklärung betreffend möglicher Involvierung der Identitären Bewegung in das schreckliche Attentat in Neuseeland will.> Auch das trifft nicht zu. Die Distanzierung von Heinz-Christian Strache, der die Identitäre Bewegung 2016 noch als <parteiunabhängige nichtlinke Bürgerbewegung> bezeichnet hatte, kam im Gespräch ausführlich zu Wort.
Fazit
Für das ‘Echo der Zeit’ sind die Fakten relevant. An ihnen richten wir unsere Berichterstattung aus. Die Sendung hat die Aufgabe, diese Fakten zu vermitteln und sie dann zu analysieren, einzuordnen, in einen grösseren Kontext zu stellen. Die Redaktion darf, ja muss im Rahmen des Sachgerechtigkeitsgebot den Zugang, die Form und den Fokus frei wählen können. Im vorliegenden Fall wurde diese Vorgabe unserer Einschätzung nach erfüllt. Wir sind folglich überzeugt, dass unsere Berichterstattung am 28. März 2019 nicht gegen das Radio- und Fernsehgesetz verstossen hat. Wir bitten Sie daher, sehr geehrter Herr Blum, diese Beanstandung abzulehnen.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Das «Echo der Zeit» ist ein Gefäß, das eine wichtige Medienfunktion erfüllt: die der Aufklärung. Es dient der Aufklärung, wenn man mehr erfährt über die Beziehungen neuseeländischer oder norwegischer Massenmörder zur völkischen, rassistischen, antiislamischen «Identitären Bewegung» Mitteleuropas und von dieser zu rechtspopulistischen Parteien wie beispielsweise der österreichischen FPÖ. Es gibt auch düstere Beziehungen zur Republika Srpska und zu Burschenschaften. Solch aufklärerische Beiträge sind wichtig, damit das Schweizer Publikum besser versteht, was vorgeht, und hinter die Kulissen sieht. Und wenn Sie sagen, dass die FPÖ ähnlich wie die SVP oder die EDU in der Schweiz gegen <die Umvolkung durch kulturfremde Menschen> sei, dann greifen Sie zum nationalsozialistischen Vokabular, und dies zeigt, wes Geistes Kind eine Partei wie die FPÖ offensichtlich ist (von der sich die SVP durch ihre Geschichte übrigens unterscheidet). Es ist also nur willkommen, diese Zusammenhänge zu erfahren, und deshalb kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/skandinaviens-groesste-bank-entlaesst-chefi
Kommentar