DOK-Film über Schweizer Uhrenindustrie war korrekt
Der Dokumentarfilm «Vogel friss oder stirb. Die Schweizer Uhrenindustrie. Protokoll einer Rettung » vom 7. März 2019 zeigt Krise und Wiedererstarken der Schweizer Uhrenindustrie vor 40 Jahren. Zwei Beanstander kritisieren den Film als einseitig und unausgewogen. Zudem seien massgebliche Personen nicht zu Wort gekommen. Ein Beanstander moniert ferner, der Dok-Film habe eine Gegenthese nicht berücksichtigt. Ombudsmann Roger Blum unterstützt die Beanstandungen nicht.
Die DOK-Redaktion unter der Leitung von Belinda Sallin wehrt sich gegen die Vorwürfe, der beanstandete Film sei einseitig und unterschlage Tatsachen. Der Film habe sämtliche wichtige Etappen der Rettungsgeschichte der Schweizer Uhrenindustrie erwähnt. Dazu habe der Filmautor Gespräche mit zahlreichen Experten geführt und aufwendige Archivrecherchen betrieben. Das Thema sei im Film differenziert beleuchtet worden. Die Zuschauerinnen und Zuschauer hätten sich ein zuverlässiges Bild über das Thema machen können.
Beide Beanstander kritisieren weiter, der DOK-Film habe massgebende Protagonisten der damaligen Rettung nicht zu Wort kommen lassen. Belinda Sallin führt aus, dass ein 50-minütiger Film nur eine Auswahl an Personen zeigen könne. Wichtige Akteure seien denn auch berücksichtigt worden. Einer der Architekten der Fusion der beiden angeschlagenen Uhrenkonzerne ASUAG und SSIH, Ernst Thomke, sei allerdings nicht zu Wort gekommen. Man habe ihn trotz mehrerer Versuche nicht zu einem Interview überzeugen können. Ombudsmann Roger Blum sieht die Eingrenzung des Personenkreises – die zum Verständnis eines Films notwendig sei – im beanstandeten DOK-Film als optimal erfüllt.
Die Darstellung der Krise sowie der darauffolgenden Erholung der schweizerischen Uhrenindustrie bezeichnet Roger Blum als plausibel und korrekt. Das Publikum habe eine sachgerechte Darstellung der Entwicklung erhalten.
Andere Version der Vorgänge
Einer der Beanstander erhebt einen weiteren Vorwurf an den Autor des DOK-Films: Der Film unterschlage die Tatsache, dass die ASUAG anfangs der achtziger Jahre gesund und nicht fusionsreif gewesen sei. Sie sei nur aufgrund massiver Abschreibungen von den Banken zur Fusion gezwungen worden. Der Beanstander selbst vertritt diese These in einem von ihm mitverfassten, online produzierten Buch. Der DOK-Film übernehme nach Auffassung des Beanstanders die offizielle Darstellung, wonach die Banken sowie Nicolas Hayek die Retter der Schweizer Uhrenindustrie seien.
Den Vorwurf der Unterschlagung von Fakten weist Belinda Sallin zurück. Der Autor des Dok-Films habe die These des Beanstanders sorgfältig geprüft. Dazu habe er in drei Archiven recherchiert (gemäss 3-Quellen-Prinzip des Journalismus). Die darin gefundenen Dokumente liessen eine andere Sicht der Dinge plausibler erscheinen, als die vom Beanstander vertretene These. So seien die bei der ASUAG vor der Fusion getätigten Abschreibungen nicht willkürlich gewesen. Sie erschienen vielmehr als nachvollziehbare Schritte in einer schwierigen finanziellen Situation des Unternehmens. «Wer, wie der Beanstander, den Banken dabei unlautere Absichten unterstellt, muss aus Sicht von SRF DOK entsprechend aussagekräftige Belege vorlegen», schreibt Sallin in ihrer Stellungnahme. Diese habe der Beanstander nicht vorweisen können. (Details zur aufwendigen Recherche des Filmautors können im Schlussbericht 5802 nachgelesen werden.)
Ombudsmann Roger Blum wirft die Frage auf, ob der DOK-Film hätte erwähnen müssen, dass die Vorgänge rund um die Fusion heute auch umstritten seien. Bei einer wissenschaftlichen Schrift ist es gemäss Blum Pflicht, eine andere These sowie die Argumente beider Seiten zu diskutieren. «In einem Fernseh-DOK-Film halte ich es für vertretbar, wenn man nur jene Version zeigt, die man aufgrund der Quellen für die wahrscheinlichere hält», so Blum. Das Publikum werde so nicht manipuliert. Es würde jedoch manipuliert, wenn ein Film falsche oder nicht haltbare Versionen verbreiten würde.
Blum weist darauf hin, dass die Redaktion auf der DOK-Website das Buch des Beanstanders verlinkt und den Autor/Beanstander interviewt habe. Damit dokumentiere die Redaktion die Debatte um die strittigen Punkte.
Schlussbericht Ombudsstelle 5802
Schlussbericht Ombudsstelle 5813
Zum Online-Artikel von SRF DOK: «War die ASUAG gar nicht konkursreif?»
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