«Eishockey Playoff-Final» Live-Kommentar von Stefan Bürer beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 25. April 2019 haben Sie den Live-Kommentar von Stefan Bürer anlässlich des Eishockey Playoff-Finals vom 20. April 2019 beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Vorausset­zungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

Seit Jahren verfolgen meine Eltern, mein Mann und ich die Eishockeyspiele der NLA. Leider kommt es immer öfter vor, dass Stefan Bürer als Kommentator eingesetzt wird. Uns fällt ebenso immer mehr auf, dass Herr Bürer vor allem für den SCB kommentiert!

Für meinen Vater, der selber Journalist ist, meinen Mann, der SCB Fan ist, und mich, die seit über 25 Jahren den Sport verfolgt, ist dies nicht gerade ein professionelles Auftreten. Da wir alle der französi­schen Sprache mächtig sind, waren wir schon oft der Versuchung nahe, auf den französischen Sender umzustellen.

In der Pause werden immer die falschen Kommentare von Herr Bürer, durch die Studiokommentato­ren, korrigiert. Es ist fehl am Platz zu erwähnen, dass ein Trikot einer Mannschaft, aus eigener Sicht, nicht das schönste ist. Dies im öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramm zu beurteilen ist nicht ange­bracht. Es ist absolut Geschmacksache und die eigene Entscheidung, ob und wann man das Geld auf­wirft für einen Fanartikel.

Wir finden es sehr schade, dass in einem staatlichen Fernsehsender eine so schwache Sportkommen­tatorenleistung in den Vordergrund gestellt wird.

Wir würden uns einen neutraleren Kommentar wünschen, zumal wir das SRF/SRG auch mitfinanzie­ren.

N.B. Als Kommentator beim Tennis ist Herr Bürer absolut richtig am Platz.

B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Herr Hansjörg Wyss, Inputer Chefredaktion Sport, schrieb:

Ich nehme Stellung zur Beanstandung 5958, in der bemängelt wird, dass Live-Kommentator Stefan Bürer in den Eishockey-Playoff-Spielen SC Bern – EV Zug parteiisch pro SC Bern kommentiert habe.

Nicht nur für den Schiedsrichter und die Spieler, sondern auch für den SRF-Kommentator stellen Playoff-Partien eine hohe Herausforderung dar, um dem schnellen Spiel-Geschehen auf dem Eis mit treffenden Analysen und Einschätzungen gerecht zu werden. Das Phänomen, dass Zuschauerinnen und Zuschauer den Kommentar als einseitig zugunsten eines beteiligten Klubs beurteilen, ist den Sport-Programmverantwortlichen bei SRF nicht unbekannt. Sie bekommen zu Mitarbeitenden mit Bild­schirm- bzw. Mikrofonpräsenz immer wieder sich diametral gegenüberstehende Einschätzungen zuge­sandt. Im selben Match und in derselben Sendung werden Kommentatoren oder Kommentatorinnen sowie Experten von Zuschauern und Zuschauerinnen höchst positiv beurteilt, und gleichzeitig werden sie von anderen Zuschauenden ziemlich arg kritisiert. Für dieselbe Sendung.

Im Fall der Eishockey-Playoffs hat der SRF-Kundendienst vom 1.4. bis 22.4.2019 folgende Zuschauer-Reaktionen erhalten (Liste liegt diesem Schreiben bei)[1]: 12 Zuschauer beurteilten den Kommentar als nicht neutral (ohne Angabe des bevorzugten/benachteiligten Klubs), 11 Zuschauer-Reaktionen beur­teilten den Kommentator als Pro-Bern, 15 Zuschriften bemängelten ihn als Pro-Zug. Bei diesen Zahlen ist zu vermuten, dass nicht nur die inhaltliche Beurteilung eine Rolle spielt, sondern ein unterschiedli­ches Mass an Sympathie zum Tragen kommt. Und darauf hat der Kommentator keinen Einfluss.

SRF-Kommentatoren werden darauf ausgebildet, dass sie eine neutrale Sichtweise einnehmen, dass sie aber bei umstrittenen Szenen Stellung beziehen und Dinge ansprechen, die deutlich am Bildschirm zu sehen sind. Egal, um welche Spieler es sich handelt, welche Klubs oder Funktionäre betroffen sind. Wo etwas vorgefallen ist, muss mit deutlichen Worten der Sachverhalt angesprochen und gewertet werden.

Wir unterziehen alle unsere Kommentatorinnen und Kommentatoren, auch den sehr routinierten Ste­fan Bürer, aber auch die Experten, regelmässig einem Feedback, lassen sie durch interne wie externe Fachleute auf sprecherisch-sprachliche, aber auch fachliche Aspekte überprüfen. Dabei attestieren auch kritische externe Fachleute unseren Mitarbeitenden vor dem Mikrophon durchwegs eine gute Qualität, ein überzeugendes Fachwissen und eine saubere Spreche.

Die Beanstanderin gibt keine konkreten Beispiele an, in welchen Szenen SRF-Kommentator Stefan Bürer parteiisch pro Bern kommentiert hat. Ich habe deshalb zwei Drittel aus den Playoffs detailliert visioniert: Das zweite Drittel des ersten Playoff-Spiels SCB-EV Zug, wo der EV Zug den 0:1-Rückstand in einen 2:1-Vorsprung verwandelte. Sowie das letzte Drittel des fünften Spiels, in dem sich der SC Bern den Meistertitel gesichert und den Pokal überreicht erhalten hat.[2]

Dabei ist mir aufgefallen: Stefan Bürer kommentiert eng am Bild, nimmt Wertungen von Spielszenen und Akteuren beider Klubs vor, ohne dass er ein Team explizit bevorzugt. Seine Wertungen, sowohl Kritik als auch Lob, werden durch die Spielszenen dokumentiert und selbst in den letzten Sekunden des fünften Spiels und bei der anschliessenden Pokalübergabe kommentiert er sachlich, nüchtern, kompetent und ohne irgendwelche Emotionen zugunsten des SC Bern. Seine Saisonbilanz enthält beim SCB Lob, aber auch einiges an Kritik, was in dieser Saison nicht so toll gewesen ist. Zudem wer­den die wesentlichen Aussagen des Live-Kommentators in der Pause vom Experten gestützt, ihm wird nicht widersprochen.

Da ich keine ungerechtfertigten parteiischen Pro SCB-Kommentare gefunden habe und die Beanstan­derin keine detaillierten Beispiele (Ausnahme Kritik an Trikot, die auf persönlichem Empfinden basie­ren) aufführt, bitte ich Sie, diese Beanstandung nicht zu unterstützen.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich kann diese aus einer neutra­len Position vornehmen. Zwar schaue ich mir häufig Eishockeyspiele an, manchmal sogar live, aber ich bin weder Fan vom EV Zug noch vom SC Bern.

Zu den Anforderungen an einen Eishockeykommentator: Er steht während seines Live-Einsatzes un­ter Starkstrom. Einerseits gilt es, das Spiel präzise und in jeder Sekunde zu beobachten, andererseits sollen die Zuschauerinnen und Zuschauer Informationen über das Spielgeschehen, Regelverstösse und über spannende Hintergründe erhalten. Dem Publikum sollen ausserdem Zusatzinformationen zur Ein­ordung rund um das aktuelle Sportgeschehen vermittelt werden und letztlich haben die Zuschauerin­nen und Zuschauer auch Anspruch darauf, unterhalten zu werden. Diese vielfältigen Aufgaben ver­langen von ihm ein gerütteltes Mass an Konzentration. Multitasking ist angesagt, beim Eishockey gerne auch mal zwei Stunden lang.

Zu Ihrer Beanstandung: Ich habe mir die beiden oben erwähnten Drittel nochmals genau angeschaut. Dabei fällt mir als neutraler Zuschauer Folgendes auf: Stefan Bürer kommentiert ruhig und gelassen. Er ordnet ein, geht phasenweise «mit», und zwar mit beiden Mannschaften und unterstreicht da­bei immer mal wieder die ausgezeichneten Torhüterleistungen von Leonardo Genoni und Tobias Ste­fan. Selbstverständlich hängt das u. a. auch damit zusammen, dass die Spieler der jeweils gegneri­schen Mannschaft nicht genau genug zielen und es so kein Tor gibt. Diesen Umstand erwähnt Stefan Bürer selbstverständlich auch, und zwar wieder auf beiden Seiten. (Beispiel bei einem Angriff des EV Zug: «Leuenberger lässt Untersander stehen! Und dann ist das eine sehr gute Chance für Albrecht, aber, naja, da steht eben noch Genoni. – Aber leichte Aufwärtstendenz bei den Zugern hier zu Beginn des zweiten Abschnitts». Beispiel bei einem Angriff des SCB: «Fehler der Zuger in der eigenen Zone – und Arcobello mit der Riesenmöglichkeit – wichtige Parade bereits von Tobias Stefan gegen den Top­-s­korer des SCB». Wenn es etwas zu loben gibt, macht das Stefan Bürer ebenfalls. Als Beispiel sei hier sein Kommentar zur erstmaligen Führung des EV Zug aufgeführt: «Albrecht mit dem 2:1 für den EVZ – vier Minuten elf vor Drittelsende, die erstmalige Führung der Zentralschweizer nach einem Fehler in der Vorwärtsbewegung des SCB. ... Fehler Justin Krüger, dann der Doppelpass Albrecht – Zehnder – Albrecht. Uns so hebelt man eine Verteidigung aus. Also, da hat der vierte Sturm zugeschlagen. Der Zuger hat diesen Bock der Berner sofort ausgenützt». So könnte ich nun Dutzende weiterer Beispiele aufführen, bei denen einmal die eine Mannschaft lobend erwähnt wird, dann wieder die andere.

Ich habe ausserdem noch die Zuschauerreaktionen aus dem oben erwähnten «Reaktionsarten-Re­port» unter die Lupe genommen und zitiere daraus einige: «Der Kommentator ist sehr parteiisch für Zug»; «Der Kommentator in diesem Match ist extrem parteiisch gegen Bern»; «Alles was der SCB machte war gut – alles was der EVZ macht war schlecht.»; «[...] merkt man bei Stefan Bürer sehr gut, dass er für Bern ist»; «Stefan Bürer soll endlich das Zuger Leibchen ausziehen und neutral kommen­tieren». Hier finden sich – je nach Standpunkt der Zuschauerin oder des Zuschauers – Einschätzun­gen, die sich komplett widersprechen .

Sie sehen, je nach Standpunkt empfinden Fans den Kommentar zugunsten des Gegners bzw. zu Un­gunsten der Mannschaft, die man unterstützt. Sportkommentatoren sind oft mit viel Herzblut am Mikrofon. Es gehört zu ihrer Aufgabe, zu sagen, wenn eine Mannschaft gut spielt und auch dann, wenn sie schlecht spielt. Das ist ihre journalistische Pflicht. Wenn ein Kommentator Kritik äus­sert, heisst das aber noch lange nicht, dass er eine Mannschaft favorisiert.

Zusammenfassend kann ich festhalten, dass Stefan Bürer nicht parteiisch kommentiert hat. Er hat keine Mannschaft bevorzugt und keine mit Bemerkungen schlecht gemacht. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen kann.

P. S.
Sie schreiben, dass SRF ein «staatlicher Fernsehsender» sei. Dem ist nicht so: Weder die SRG noch SRF sind Staatsfernsehen. Ein Staatsfernsehen ist immer ein Lautsprecher der jeweiligen Regierung. Solche Lautsprecher gibt es in China, in Vietnam, in Kuba, in Thailand, in der Türkei, in Ägypten, in Russland, in Iran, in Syrien, in Saudi-Arabien, aber nicht in der Schweiz. So kritisiert die SRG immer mal wieder die Regierung – also den Bundesrat – und das Parlament, was bei einem Staatssender un­möglich ist.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernseh­geset­zes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfü­gung.

Mit freundlichen Grüssen
Manfred Pfiffner, stv. Ombudsmann

[1] Der Ombudsstelle liegt eine umfangreiche Excel-Datei des «Reaktionsarten-Reports» vor, in der sämtliche Zuschauerreaktionen detailliert festgehalten sind.

[2] Spiel vom 11.4. 2019 (1. Playoff-Match SCB-EVZ), 2. Drittel

Timecodes: 20:53 / 21:00 /21:08/ 21:1521:21/ 21:23 /21:30
à Wertungen pro Zug/Bern – durch Matchszenen gestützt

Spiel vom 20.4.2019 (5. Playoff-Match SCB – EVZ), 3. Drittel

Timecodes: 21:47 -21:50/21:57/22:05 (Prügelei und umstrittene Szenen) / 21:12 (SCB ist Meister)
à Wertungen pro Zug/Bern – durch Matchszenen gestützt

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