SRF «Club»-Sendung «Impfskepsis – ein Virus mit tödlichen Folgen?» beanstandet II
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Mit Ihrer E-Mail vom 8. Mai 2019 Sie den «Club» zum Thema «Impfskepsis – ein Virus mit tödlichen Folgen?»[1]vom 7. Mai 2019 beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandungwie folgt:
Hiermit möchte ich eine beschwerde einreichen über die Club Sendung Thema Impfskepsis vom 07.05.19.
1. Es wurde nur eine Person Herr Trappitsch als 100% Impfskeptiker eingeladen. Herr Senn ist kein 100% Impfskeptiker.
Somit muss ein Impfskeptiker gegen 4 Impfbefürworter antreten.?!?
2. Die Moderatorin war zu angetan von den Impfbefürwortern, beachten Sie die herabmachenden Aussagen und skeptischen Fragen an Herrn Trappitsch, bezüglich Beruf Radio-Fernsehelektriker etc.
3.Die Moderatorin macht bei einem Impfbefürworter eine Aussage wie "das war jetzt ein gutes
Schlusswort von Herrn..." . Auch hier ist die Moderatorin voreingenommen und berichtet weder neutral noch fair.
Gerne erwarte ich Ihren Bericht
B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Frau Barbara Lüthi, Teamleiterin/Moderatorin, Frau Erika Burri, Produzentin/Stv. Teamleiterin sowie Herr Tristan Brenn, Chefredaktor TV/SRF, schrieben:
Wir sind an einer lebendigen Diskussionskultur nicht nur mit unseren Gästen interessiert, sondern auch mit unseren Zuschauern. Wir finden es wichtig, dass Sendungsinhalte reflektiert und kritisiert werden. Deshalb nehmen wir gerne Stellung zu den vorliegenden Fällen.
Herr X beanstandet,
- dass die Gästerunde nicht ausgewogen gewesen sei. Impfskeptiker seien in der Minderheit gewesen.
- dass Frau Lüthi von den «herabmachenden» Aussagen im Bezug auf Herrn Trappitsch «zu angetan war».
- dass sich die Moderatorin mit ihrer Aussage «das war jetzt ein gutes Schlusswort...» als voreingenommen gezeigt habe.
Als Verantwortliche der Sendung möchten wir, bevor wir im Detail auf die Punkte eingehen, etwas Grundsätzliches zur Sendung sagen: Der «Club» ist eine Diskussionssendung, die wir unter Livebedingungen aufzeichnen. Wir schreiben weder unseren Gästen vor, was sie sagen sollen, noch schneiden wir im Nachhinein oder bearbeiten wir die Aufzeichnung. Die Sendung geht jeweils dienstags um 22.25 Uhr genauso über den Sender, wie wir sie ein paar Stunden vorher aufgezeichnet haben.
Als Sendungsmacherinnen müssen wir in Kauf nehmen, dass eine Diskussion ihre eigene Dynamik entwickelt.
Dazu kommt: Das Reden übers Impfen ist ein emotionales Thema. Impfen gehört zu den grossen Errungenschaften in der Medizin. Die Wissenschaft bestreitet nicht, dass Impfungen Nebenwirkungen haben können. Schwere Nebenwirkungen sind allerdings äusserst selten. Diese müssen den Folgen von Viruserkrankungen gegenübergestellt werden, die man mit Impfen hätte verhindern können. Wer diese Viruserkrankungen durchmacht, ist einem sehr viel grösseren gesundheitlichen Risiko ausgesetzt.
In der Schweiz gab es dieses Jahr bereits zwei Maserntote. Tatsache ist: Hätten diese zwei Personen nicht Kontakt mit dem Virus gehabt, hätten sie die Masern nicht bekommen.
In der Schweiz sind die allermeisten Menschen geimpft. Dennoch gibt es eine kleine Gruppe von Personen, die entweder die Impfempfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) infrage stellen oder nicht eins zu eins befolgen, oder – und das ist eine marginale Gruppe –impfen gänzlich ablehnen.
Insbesondere bei kontroversen Themen wie Impfen kommen wir Journalistinnen nicht umhin, eine Haltung einzunehmen. Unsere Haltung ist faktenbasiert und im Sinne der Aufklärung. Die wissenschaftlichen Fakten sind eindeutig: Durch Impfungen konnten Krankheiten eingedämmt und ausgerottet werden, an denen die Menschheit früher dahingesiecht ist: Pocken ist so ein Beispiel. Kinderlähmung gibt es zum Glück in unseren Breitengraden nicht mehr, weil auch Impfskeptiker offenbar ihren Kindern eine solche Krankheit und deren Folgen nicht zumuten wollen.
Bei den Masern (und wenigen anderen so genannten Kinderkrankheiten) aber gibt es Widerstände. Deshalb fragen wir: Wieso haben wissenschaftliche Argumente einen zunehmend schweren Stand? Ist die ablehnende Haltung gegen Impfungen ein Wohlstandsphänomen? Oder eher ein Symptom zunehmender Individualisierung?
Wir haben keine Sendung darüber gemacht, ob man nun impfen soll oder nicht. Die allermeisten Menschen in der Schweiz impfen, wie erwähnt. In der Sendung hatten wir mit Daniel Trappitsch einen Vertreter, der Impfen nicht nur kritisch beurteilt, sondern deren Erfolg er teilweise gar leugnet. Er informiert zudem mit zweifelhaften Fakten. Der Naturheilpraktiker Markus Senn ist impfkritisch, lehnt aber Impfen nicht generell ab. Damit, denken wir, haben wir der impfkritischen Seite genug Rechnung getragen (1.)
Wir gaben wie allen Gästen auch Herrn Daniel Trappitsch Raum, seine Einwände darzulegen. Wie bei jedem Gast sind wir als Journalistinnen aber darum bemüht, dass die Zuschauer verstehen, wann es sich bei einem Statement um Fakten handelt und wann lediglich um eine Meinung. Meinungen sind Gegenstand der Diskussion. Fakten aber versuchen wir so gut wie möglich richtigzustellen. Entweder, in dem die Moderatorin den Ball einer Expertin oder einem Experten in der Runde zuspielt, oder gleich selbst. Gerade bei Sendungen, wo wir uns auf dem Glatteis von Verschwörungstheorien bewegen, ist dies umso wichtiger. Das haben wir auch bei Herrn Trappitsch gemacht. (2. und 3.)
Wir hoffen, Herr Ombudsmann, Ihnen mit unseren Ausführungen genügend Gründe geliefert zu haben, die Beanstandungen abzulehnen.
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Der «Club» auf SRF 1 ist eine Diskussionssendung, zu der – gemäss dem Sendungsportrait – Gästemit pointierten Standpunktenund einschlägigen Erfahrungen eingeladen werden. Dabei prägen die Moderatorin sowie die Diskussionsgäste mit ihren authentischen Geschichten und ihrem Fachwissendas Gesicht der Sendung.[2]In der von Ihnen kritisierten Sendung «Impfskepsis – ein Virus mit tödlichen Folgen?» ging es um die Tatsache, dass sich die Masern weltweit wieder ausbreiten und im Jahr 2019 in der Schweiz zwei Personen an der Viruskrankheit gestorben sind. Ausserdem warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass Impfskeptiker eines der grössten Risiken für die Gesundheit der Menschheit darstellen. Das wirft natürlich Fragen auf wie zum Beispiel: Woher rührt die Skepsis zum Impfen? Braucht es überhaupt eine Impfpflicht? Wieso haben wissenschaftliche Argumente einen zunehmend schweren Stand? Der «Club» vom 7. Mai 2019 ging diesen Fragen auf den Grund.
Sie werfen den Verantwortlichen vor, dass nur eine Person, nämlich Herr Daniel Trappitsch, Geschäftsleiter Netzwerk Impfentscheid, als hundertprozentiger Impfskeptiker eingeladen wurde, während der Naturheilpraktiker, Herr Markus Senn, nicht zu diesen gehöre. Zudem monieren Sie, dass die Moderatorin, Frau Barbara Lüthi, der Seite der Impfbefürworter zugeneigt gewesen sei. Wenn es sich bei diesem «Club» um eine Sendung im Vorfeld einer Volksabstimmung gehandelt hätte, dann hätten die zwei Lager paritätisch vertreten sein müssen, also drei grundsätzliche Impfbefürworter und drei grundsätzliche Impfgegner. Da es sich aber nicht um eine Abstimmungssendunghandelte, durfte das Verhältnis auch 3:2:0 oder 5:1 lauten. Denn entscheidend ist, dass die Argumente beider Seiten ausreichend zum Zug kommen, und das war in dieser Sendung durchaus der Fall.
Frau Barbara Lüthi fragt zurecht hartnäckigbei Herrn Daniel Trappitsch nach und weist u. a. darauf hin, dass der von den Impfbefürwortern kritisierte Artikel (Rötelnimpfung und Schwangerschaft) in einem Magazin von Herrn Daniel Trappitsch von einem Tontechniker ohne medizinische Ausbildung stammt [Timecode: 38:34]. Dieser Hinweis war in keiner Art herabwürdigend, sondern diente dem Publikum als Information, damit es den Gehalt des Artikels bezüglich Wissenschaftlichkeit einordnenkann. Dass die Moderatorin Herrn Daniel Trappitsch skeptisch befragt, liegt auf der Hand. Die Moderatorin hat die Aufgabe, dem Publikum aufzuzeigen, wann es bei einem Statement um gesicherte Fakten geht und wann es sich um eine persönliche Meinung handelt. Herr Trappitsch konnte sich zu jeder ihm gestellten Frage ausgiebig äussernund seinen Standpunkt vertreten. Ausserdem wies die Moderatorin bei der Vorstellungsrunde der Diskussionsgäste auf seine Homepage hin [Timecode: 01:37].
Zum Schlusswort von Frau Barbara Lüthi: Der Leiter Abteilung Übertragbare Krankheiten BAG, Herr Daniel Koch, sagt (nachdem ihn die Moderatorin darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Sendezeit vorüber ist): «Es ist das Wichtigste, dass wir die Menschen erinnern, die nicht gegen das Impfen sind, sondern es einfach vergessen haben» [Timecode: 01:15:48]. Barbara Lüthi wiederholt seine Aussage als Schlusswort. Damit rundetsie die Diskussionssendung abund verabschiedet sich beim Publikum.
Insgesamt komme ich zum Schluss, dass die Parteien ihre pointierten Standpunkte und Argumente einbringen konnten. Dem Publikum war es möglich, sich eine eigene Meinung bildenzu können. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich Ihre Beanstandung nicht unterstützenkann.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussberichtgemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,Manfred Pfiffner, stv. Ombudsmann
[1]https://www.srf.ch/play/tv/club/video/impfskepsis---ein-virus-mit-toedlichen-folgen?id=ab853266-e67e-4fa6-896d-ec12c2cf42dd
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