«SRF mySchool»-Beitrag «Inseln der Zukunft: El Hierro» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 29. April 2019 beanstandeten Sie die Sendung «SRF MySchool» vom gleichen Tag über die Energieversorgung von El Hierro im Rahmen der Serie «Inseln der Zukunft».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Heute morgen, 29.4.19, wurde als Wiederholung die oben genannte Sendung fürs Schulfernsehen ausgestrahlt. Bereits vor ca. 1 Monat erfolgte die Erstausstrahlung in diesem Rahmen.
Es geht um das Thema Energiewende. Als angeblich leuchtendes Beispiel wurde der Film ‘Inseln der Zukunft’ gezeigt, in dem das Windkraftprojekt mit Pumpspeicherung auf der Kanareninsel El Hierro als Vorbild dargestellt wurde. Dieser eingekaufte Film gibt die Realität völlig einseitig, wenn nicht sogar grundfalsch, wieder. Das habe ich vor einem Monat per mail beanstandet und trotzdem kommt heute morgen wieder dieselbe Falschinformation.
Konkret geht es darum, dass im Film behauptet wird, dass auf El Hierro die komplette Umstellung auf 100% sog. Oekostrom gelungen sei. Das beinhaltet hier einige Windkraftanlagen mitsamt Pumpspeicherung. Nach meinen wenigen Recherchen im Internet ist es aber so, dass das 100 Mio.-Projekt komplett gescheitert ist und heute ausser Betrieb ist. Die Energie komme wieder vollständig von Schwerölkraftwerken.
Man hätte als SRF begleitend z.B. folgende Aspekte ausführen können:
- Das Projekt ist wegen handwerklicher Fehler gescheitert
- Das Projekt beweist, dass Windkraft mit Pumpanlagen sehr teuer sind
- Verschiedenes hätte mit erheblichen Kostenfolgen besser gemacht werden können
- Das Projekt zeigt, das Windkraft grundsätzlich mit systemischen Problemen behaftet ist
- Das Projekt könnte sogar als abschreckendes Beispiel dienen (entspricht wahrscheinlich nicht der vorgefassten Meinung der Redaktion)
Man darf so einen Film doch nicht unkommentiert und unkritisch unserer Jugend vorsetzen. Die völlig unausgewogene Information durch unser Fernsehen enttäuscht mich. Entweder will man bewusst unsere Jugend einseitig in grüner Richtung ‘erziehen’ oder es wurde einfach geschlampt. Beides ist schlimm.
Sollten meine Recherchen wider Erwarten nicht stimmen, entschuldige ich mich. Ich bin gespannt auf eine Reaktion und verdanke die Bemühungen.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «SRF MySchool» antwortete Frau Stefanie Theil, Senior Producer SRF mySchool, stellvertretende Bereichsleiterin Familie:
«Im Mail vom Montag, 29. April 2019, beanstandet X einen Inhalt von SRF mySchool. Nachfolgend unsere Überlegungen und die Stellungnahme zur Beanstandung.
1. Inhalt des Beitrags
Der am 29.4.19 ausgestrahlte Beitrag ‘Inseln der Zukunft: El Hierro’ begleitet die Errichtung und Inbetriebnahme des Wind-Pumpwasserspeicherwerks ‘Gorona del viento’ auf der Insel ‘El Hierro’ – basierend auf einer Idee des Ingenieurs Javier Morales – dessen Bau das Ziel verfolgt, die Insel mit umweltfreundlichem Strom zu versorgen. Bis dato war die Insel komplett auf Strom aus einem Dieselkraftwerk angewiesen. Das neue Wind-Pumpwasserspeicherwerk soll dies ändern.
2. Beanstandung
Die vorliegende Beanstandung beinhaltet, dass es sich bei diesem Film, der El Hierro als ‘leuchtendes Beispiel’ für die Energiewende darstellt, um eine ‘Falschinformation’ handle, der Beitrag unkritisch sei und die Realität einseitig oder ‘sogar grundfalsch’ wiedergebe. Die Redaktion wird aufgefordert, den Beitrag ergänzend einzuordnen. Folgende Aspekte werden in diesem Zusammenhang aufgeführt:
- Das Projekt ist wegen handwerklicher Fehler gescheitert
- Das Projekt beweist, dass Windkraft mit Pumpanlagen sehr teuer ist
- Verschiedenes hätte mit erheblichen Kostenfolgen besser gemacht werden können
- Das Projekt zeigt, das Windkraft grundsätzlich mit systemischen Problemen behaftet ist
- Das Projekt könnte sogar als abschreckendes Beispiel dienen
3. Stellungnahme
Wir bedanken uns für das kritische Feedback, sind aber nicht in allen Punkten einer Meinung mit dem Beanstander. Der Beitrag wurde zeitnah nach der Eröffnung des Kraftwerks am 27. Juni 2014 produziert und im Anschluss auf arte und in einer fürs Schulfernsehen aufbereiteten, verkürzten Version beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) ausgestrahlt. (Anmerkung: Dort steht der Beitrag auch heute noch als Video on demand zur Verfügung).[2] Neuere Erkenntnisse zur Performance des Wind-Pumpwasserspeicherwerks konnten demnach nicht mehr in den Beitrag einfliessen, der Film bezieht sich lediglich auf die Entstehungsgeschichte des Kraftwerks. Das Produktionsjahr des Beitrags ist im Abspann erkennbar. SRF mySchool hat den Film seit 2017 im Programm und zeigt seitdem Wiederholungen.
Zu den Argumenten und Recherchen von X:
Das Kraftwerk ist – entgegen anderslautender Meldungen im Internet – weiterhin in Betrieb. Es stimmt aber, dass das Kraftwerk den Strombedarf der Insel nicht zu 100% abdecken kann, so wie das ursprünglich angedacht war. Die Mediensprecherin der Betreiberorganisation ‘Gorona del viento’, Candelaria Sanchez, hat uns telefonisch die Auskunft erteilt, das Kraftwerk liefere nach wie vor Strom und habe im Jahr 2018 ca. 60% Ökostrom produziert. Die Produktion soll im kommenden Jahr um weitere 10% gesteigert werden.
Die aktuelle Performance des Kraftwerks ist auf der Website der Betreibergesellschaft öffentlich einsehbar.[3] Im Film wird an keiner Stelle behauptet, El Hierro sei die komplette Umstellung auf 100% Ökostrom gelungen, lediglich, dass es Ziel sei, 100% erneuerbare Energien zu produzieren.
Der Beanstander schlägt vor, dass wir den Beitrag begleitend mit einigen Aspekten ausführen sollten. Unsere Anmerkungen dazu:
- Dass das Projekt wegen handwerklicher Fehler gescheitert sei, konnten wir so nicht nachvollziehen. Ein Grund, warum es derzeit nicht möglich ist, komplett auf Ökostrom umzustellen, ist, dass der Stausee wegen Erdbebengefahr nicht grösser gebaut werden konnte.[4]
- Dass Windkraft mit Pumpanlagen sehr teuer ist, kommt im Beitrag zum Ausdruck. Der Film enthält dem Publikum nicht vor, was das Projekt gekostet hat.
- Dass Windkraft grundsätzlich mit systemischen Problemen behaftet ist (Speicherproblem, nur teilweise Verfügbarkeit) kommt im Beitrag zum Ausdruck.
Unsere Motivation, den Beitrag im Programm von SRF mySchool am 29.4. auszustrahlen, rührte daher, dass wir der Meinung sind, das Kraftwerk auf El Hierro steht exemplarisch für einen vorzeigbaren Versuch, neue Energien zu nutzen, wenn auch noch nicht auf dem angestrebten Niveau. Der Vorwurf, das Projekt könne als ‘abschreckendes Beispiel’ dienen, halten wir für nicht gerechtfertigt. Der Beitrag zeigt zudem m ehrere für Schülerinnen und Schüler lehrreiche Aspekte, wie teilweise auch der Beanstander einräumt:
- Dass Windräder zwar Strom erzeugen können, aber eben nur, wenn auch Wind weht
- Dass durch Windkraft zwar Strom erzeugt werden, aber nicht so einfach gespeichert werden kann
- Dass die Suche nach Erdöl für die Bevölkerung auf El Hierro ein Risiko darstellt (negative Auswirkungen auf Wirtschaft/Tourismus)
- Dass die Nutzung alternativer Energien möglich, aber gleichzeitig mit viel Geld und Aufwand verbunden ist
- Dass Inseln in Sachen Stromversorgungen andere Voraussetzungen haben als das Festland.
4. Fazit
Wir sind der Auffassung, dass der beanstandete Beitrag aus den im vorherigen Abschnitt genannten Gründen weiterhin Teil des SRF mySchool-Programms und in unserer digitalen Mediathek abrufbar sein sollte. Wir teilen aber die Meinung des Beanstanders, dass es sinnvoll ist, den Beitrag besser einzuordnen und werden den Webartikel zum Beitrag mit aktuellen Zusatzinformationen ergänzen, die wir in einer Textbox beim Video platzieren. Die TV-Lizenz werden wir nicht mehr verlängern, den Beitrag im Fernsehen demnach nicht wieder ausstrahlen, da eine Einordnung dieses Films auf diesem Vektor nicht ohne weiteres möglich ist.
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ihre konkrete Beanstandung kann ich nicht unterstützen, aber Ihre Intention. Ihre konkrete Beanstandung unterstellt, dass die Aussage, die Insel El Hierro wolle vollkommen auf erneuerbare Energie umstellen und entsprechende Anlagen seien im Betrieb, eine Falschinformation sei. Die These von der Falschinformation trifft aber nicht zu: Auch im Film wird nirgends gesagt, die Insel sei zu 100 Prozent vom Dieselöl unabhängig, lediglich das Ziel wird proklamiert. Und die Umstellung auf Ökostrom ist immerhin beträchtlich fortgeschritten. Es stimmt nicht, dass das Projekt gescheitert ist. Aus diesem Grund kann ich Ihrer konkreten Beanstandung nicht beipflichten, «SRF MySchool» hat keine Fake News verbreitet.
Ihre Intention hingegen, die Sendeverantwortlichen auf Mängel aufmerksam zu machen, heiße ich sehr willkommen. Sie helfen damit, dass die Programme noch besser werden. Frau Theil hat das ja auch anerkannt. Es wäre in der Tat wünschenswert gewesen, wenn die Redaktion darauf hingewiesen hätte, dass der Film von 2015 stammt, und wenn sie in der Sendung in wenigen Sätzen den aktuellen Stand des Projekts referiert hätte. Das hätte zu einer differenzierten Information beigetragen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/play/tv/srf-myschool/video/inseln-der-zukunft-el-hierro-15?id=682e549a-026f-40b6-b30e-552702358763
[2] https://www.planet-schule.de/sf/php/sendungen.php?sendung=10054#sendetermine
[3] https://demanda.ree.es/visiona/canarias/el_hierro/total/2019-05-20
[4] Webseite der «Deutschen Welle», 9.5.2017: https://www.dw.com/de/die-gro%C3%9Fen-gr%C3%BCnen-ziele-einer-kleinen-gr%C3%BCnen-insel/a-38755139
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