«Kassensturz»-Thekengespräch «Darf man das?» zu Geschäftsantwortbriefen beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 23. April 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Kassensturz» (Fernsehen SRF) vom gleichen Tag und dort das Rechtsfragen-Thekengespräch «Darf man das?».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Ich bin heute erschrocken, mit welcher Selbstverständlichkeit in der heutigen Kassensturz-Ausgabe die Haus-Juristin zur ‘Darf man das?’-Frage komplette Fehlinformationen zum Besten gab – und falsche juristische Schlussfolgerungen daraus zog und als Tatsachen darstellte. Wenn ich mich nicht täusche, ist der 1. April vorbei, juristische Erläuterungen in Konsumentensendungen sollten korrekt sein – allenfalls der Vermittelbarkeit und Verständlichkeit halber etwas vereinfacht, aber nicht so grundfalsch wie in diesem Fall.

Die ‘Darf man das?’-Frage lautete, ob man eine Geschäftsantwortsendungs (GAS)-‘Frankatur’ (auf dem Tisch lag die klassische Variante mit der gepunkteten Ecke) auch verwenden dürfe, einen Brief an jemand anderen zu schicken. Das einzige korrekte am ausgestrahlten Gespräch ist, dass das nicht geht. Die Begründung ist haarsträubend falsch, und daraus werden ebenso falsche juristische Schlussfolgerungen gezogen.

Es wird behauptet, dass z.B. die Bank, die einen Umschlag mit GAS verschickt, das Porto im Vorfeld bezahlt hätte. Folglich, wenn man diese ‘Frankatur’ verwendet, um jemand anderem zu verschicken, ‘stehle’ man der Bank das bezahlte Porto und begehe ungerechtfertigte Bereicherung. Theoretisch könnte daher die Bank von jemandem das Porto zurückfordern.

Wie die Juristin auf die Grundannahme kommt, dass das Porto im Vorfeld bezahlt werde, ist nicht nachvollziehbar. Dass niemandem in der Redaktion aufgefallen ist, ebenso wenig. Hier wurde die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt. Nur schon ein Blick auf die Website der Post, Seite Geschäftsantwortsendungen ,zu finden an erster Stelle mit einer simplen Google-Suchanfrage wie «Post Geschäftsantwortsendung», hätte gezeigt, dass der Sachverhalt ein anderer ist.[2]

Der Versand von Geschäftsantwortsendungs-‘Frankaturen’ mit der eigenen Adresse als Empfänger basiert auf einem Vertrag mit der Post, mit dem sich der GAS-Empfänger zur Bezahlung des Portos (plus Zuschlag) der eingegangenen Sendungen per Monatsrechnung im Nachhinein zu bezahlen. Fazit: Niemand hat das Porto im Voraus bezahlt. Ein GAS-Code per se hat keinen Frankaturwert. Folglich kann auch keine ungerechtfertigte Bereicherung stattfinden. (Ich nehme an, die Post würde bei einer an einen Nicht-GAS-Kunden umadressierten Sendung mit GAS-‘Frankatur’ einfach wie bei einer anderen nicht oder ungenügend frankierten Sendung das Nachporto verlangen.) Und die Frage des Moderators, ob bei einem solchen ‘Portoklau’ allenfalls neben zivilrechtlichen auch strafrechtliche Konsequenzen drohen könnten, ist einfach nur absurd...

Wenn der Kassensturz eine Satiresendung wäre, wäre dieses Ad-absurdum-Führen einer falschen Ausgangsvermutung sogar lustig. Bei einer Informationssendung ist hingegen das Sachgerechtigkeitsgebot grobfahrlässig verletzt worden. Eine minimalste Recherche hätte genügt, dies zu verhindern.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «Kassensturz» antwortete Frau Ursula Gabathuler, Redaktionsleiterin von «Kassensturz/Espresso»:

«Mit E-Mail vom 23. April 2019 hat sich Herr X an die Ombudsstelle SRG.D gewandt und das Studiogespräch im ‘Kassensturz’ vom 23. April 2019 beanstandet. Dieses bezog sich auf die vorgängig in der Rubrik ‘Darf man das?’ gestellte Frage <Darf man Rückantwort-Couverts für andere Zwecke verwenden?> [3]

Gerne nehmen wir zum beanstandeten Sachverhalt Stellung.

Allgemeine Bemerkungen

Herr X kritisiert, im Gespräch seien ‘komplette Fehlinformationen’ zum Besten gegeben und falsche juristische Schlussfolgerungen gezogen worden.

Diese Vorwürfe sind weder nachvollziehbar noch begründet. Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, enthielt das Studiogespräch zwischen Ueli Schmezer und Gabriela Baumgartner weder falsche juristische Ausführungen noch falsche Tatsachendarstellungen.

In der Rubrik ‘Darf man das?’ können Zuschauerinnen und Zuschauer ihr Rechtsempfinden anhand von alltäglichen Situationen überprüfen. Die Beiträge sind spielerisch gestaltet, im Studiogespräch sollen die aufgeworfenen Fragen leicht verständlich beantwortet und den Zuschauerinnen und Zuschauern nach Möglichkeit Mehrwert vermittelt werden.

Die Frage, ob man solche Geschäftsantwortcouverts für einen anderen als den bestimmten Zweck verwenden darf, stammt von einer Zuschauerin. Im Studiogespräch wurde aufgezeigt, dass und mit welcher rechtlichen Begründung eine andere Verwendung als die vorgesehene nicht gestattet ist.

Stellungnahmen zu den einzelnen vom Beanstander vorgebrachten Vorwürfe:

1. <Das einzige korrekte am ausgestrahlten Gespräch ist, dass das nicht geht. Die Begründung ist haarsträubend falsch, und daraus werden ebenso falsche juristische Schlussfolgerungen gezogen.>

Im Studiogespräch wurde gesagt, dass diese Couverts nicht für andere als die vorgesehenen Zwecke verwendet werden dürfen. Dies wurde uns bei der Vorbereitung der Sendung auf Anfrage durch die Post und durch zwei Grossbanken bestätigt. Da die im Beitrag thematisierte missbräuchliche Verwendung von Geschäftsantwortsendungen in den Bestimmungen der Post nicht geregelt ist, kommen die Bestimmungen des Privatrechts zur Anwendung, konkret die Bestimmungen zur ungerechtfertigten Bereicherung in Artikel 62 des Obligationenrechts. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen bereichert sich jemand ungerechtfertigt, wenn er sich ohne gültigen Rechtsgrund aus dem Vermögen eines anderen bereichert. Genau dieser Sachverhalt ist bei einem Missbrauch dieser Couverts erfüllt.

2. <Folglich, wenn man diese ‹Frankatur› verwendet, um jemand anderem zu verschicken, ‹stehle› man der Bank das bezahlte Porto und begehe ungerechtfertigte Bereicherung. Theoretisch könnte daher die Bank von jemandem das Porto zurückfordern.>

Im Studiogespräch wurde nicht gesagt, <man stehle der Bank das bezahlte Porto>. Wie oben erläutert, sieht das Gesetz als Folge einer unrechtmässigen Bereicherung vor, dass der zu Unrecht Entreicherte die Bereicherung beim zu Unrecht Bereicherten zurückfordern kann. Mit einem Diebstahl hat das nichts zu tun. Die Rechtsfolge dieser Bestimmung ist zivilrechtlicher, nicht strafrechtlicher Natur.

Keine der angefragten Banken würde das Porto von einem Kunden zurückverlangen, der Couverts missbräuchlich verwendet. Unstreitig ist aber, dass weder die Herausgeber solcher Couverts noch die Post damit einverstanden sind, wenn diese Couverts zu anderen als den vorgesehenen Zwecken verwendet werden.

3. <Der Versand von Geschäftsantwortsendungs-‹Frankaturen› mit der eigenen Adresse als Empfänger basiert auf einem Vertrag mit der Post, mit dem sich der GAS-Empfänger zur Bezahlung des Portos (plus Zuschlag) der eingegangenen Sendungen per Monatsrechnung im Nachhinein zu bezahlen. Fazit: Niemand hat das Porto im Voraus bezahlt. Ein GAS-Code per se hat keinen Frankaturwert. Folglich kann auch keine ungerechtfertigte Bereicherung stattfinden. (Ich nehme an, die Post würde bei einer an einen Nicht-GAS-Kunden umadressierten Sendung mit GAS-‹Frankatur› einfach wie bei einer anderen nicht oder ungenügend frankierten Sendung das Nachporto verlangen.)>

Es trifft zu, dass Geschäftsantwortsendungen keinen eigenen Frankaturwert haben. Daraus den Schluss zu ziehen, eine anderweitige Verwendung sei zulässig, ist aber falsch. Bei der Frage, in welchem Zeitpunkt und wie die Couverts dem Herausgeber zugeordnet und verrechnet werden, ist laut der uns vorliegenden Stellungnahme der Post zu unterscheiden: Bei Geschäftsantwortcouverts mit Q-Code (‘Sendungen mit dem DMC’, auf der Abbildung oben) erfolgt die Verrechnung automatisiert aufgrund der Erkennung bei der Sortierung. Sendungen mit Cicero-Code, welche heute nur noch selten verwendet werden (auf der Abbildung unten), werden bei der Zustellung an den Herausgeber manuell erfasst. Daraus folgt: Bei Geschäftsantwortsendungen mit Q-Code wird bei einer missbräuchlichen Verwendung der Herausgeber geschädigt, bei Sendungen mit Cicero-Code die Post. Weil es sich in beiden Fällen rechtlich betrachtet um eine ungerechtfertigte Bereicherung handelt und weil die Sendezeit beschränkt ist, sind wir im Studiogespräch nicht auf diese Unterscheidungen eingegangen. Während des Studiogespräches lagen beide unten abgebildeten Couverts auf dem Tisch.

Der Schluss des Beanstanders, es könne keine unterechtfertigte Bereicherung ‘stattfinden’, weil kein Porto im Voraus bezahlt würde und weil ein Geschäftsantwortcouvert keinen eigenen Frankaturwert besitze, ist somit falsch. Durch die missbräuchliche Verwendung wird der Verwender bereichert (er spart sich die Kosten, die er sonst für Porto auslegen müsste) und der Herausgeber der Sendung oder die Post werden entreichert (weil sie für fremde Portospesen zur Kasse gebeten werden, respektive eine Sendung ohne Entgelt befördern müssen).

Entgegen der Annahme des Beanstanders trifft es laut der in der Vorbereitung zur Sendung bei der Post eingeholten Stellungnahme nicht zu, dass die Post bei einer missbräuchlichen Verwendung beim Empfänger ein Nach- oder Strafporto verrechnen würde. Beim Entdecken eines Missbrauchs würde die Post laut ihrer Stellungnahme auch darauf verzichten, das Porto dem Herausgeber des Couverts zu verrechnen.

4. <Und die Frage des Moderators, ob bei einem solchen ‹Portoklau› allenfalls neben zivilrechtlichen auch strafrechtlichen Konsequenzen drohen könnten, ist einfach nur absurd...>

Diese Frage ist nicht absurd. Im Gegenteil: Bei verpönten Handlungen haben Konsumentinnen und Konsumenten ein legitimes Interesse zu erfahren, mit welchen zivil- oder strafrechtlichen Sanktionen sie zu rechnen haben. Die zivilrechtlichen wurden oben ausführlich behandelt. Im Strafrecht gibt es explizite Bestimmungen zum Missbrauch von Wertzeichen (Art. 240 ff. StGB). Es mag Laien absurd erscheinen, aber es ist die Aufgabe von Juristinnen und Juristen zu prüfen, ob ein Sachverhalt unter eine Bestimmung subsumiert werden kann.

Fazit: Es mag sein, dass sich der Beanstander nicht für juristische Themen interessiert, die rechtlichen Erklärungen als spitzfindig oder die aufgeworfene Fragestellung als nicht relevant erachtet. Es ist ihm unbenommen, dies als seine Meinung zu äussern, und seine Meinung ist zu respektieren. Die in seinem Schreiben vorgebrachten konkreten Vorwürfe und die uns vorgeworfene Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten sind jedoch unbegründet. Wir sind der Ansicht, dass wir sachgerecht berichtet haben, deshalb bitten wir Sie, die Beanstandung als unbegründet zurückzuweisen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Beide Seiten sind sich einig, dass es unzulässig ist, Geschäftsantwortbriefe, bei denen das Porto durch den Empfänger bezahlt wird, für private Zwecke zu verwenden. Verschiedene Details hat Frau Gabathuler mit ihrer Stellungnahme geklärt. Nicht geäussert hat sie sich zur Frage, ob Geschäftsantwortsendungen durch den Auftraggeber zum Voraus bezahlt werden. Die Juristin Gabriela Baumgartner behauptete das – mündlich und schriftlich. Und in der Tat könnte man annehmen, dass eine Vorauszahlung stattfindet, denn die Post schreibt selber in ihrem Factsheet «Geschäftsantwortsendung»: «Mit der vorfrankierten Geschäftsantwortsendung können Ihre Zielgruppen einfach und kostenlos mit Ihnen in Kontakt bleiben oder auf Ihre Angebote reagieren. Sie bezahlen nur für die effektiv zurückgeschickten Antworten.» [4]

Doch scheint hier eine begriffliche Ungenauigkeit vorzuliegen, denn die Post schreibt ja selber, dass der auftraggebende Kunde nur die effektiv zurückgeschickten Antworten bezahlt. Was für einen Betrag sollte also der Kunde im Voraus bezahlt haben, wenn er 10'000 Couverts verschickt, aber nur 800 zurückerhält? Der Begriff «vorfrankiert» meint wohl einfach, dass der Absender nichts bezahlen muss. Dass die Post die Kosten dem auftraggebenden Kunden erst nachträglich verrechnet, bestätigte auch eine Postangestellte, die sich im Internet mit einem Kommentar zu den Ausführungen von Gabriela Baumgartner äußerte:

«Ich arbeite bei der Post und erfasse vor der Zustellung die Anzahl Geschäftsantwortsendungen, welche später dem Empfänger in Rechnung gestellt werden. Es handelt sich dabei um Couverts mit den schwarzen Balken oben rechts und dem Vermerk ‘Nicht frankieren’. Der Kunde bezahlt diese nicht im Voraus. Da irren Sie sich Frau Baumgartner.» [5]

In diesem Punkt war also die Darstellung von «Kassensturz» falsch, und deshalb kann ich ihre Beanstandung teilweise unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/krueckenklau-im-kkl-lusche-webdesignfirma-silikonbackformentest

[2] https://www.post.ch/de/geschaeftlich/themen-a-z/ruecklauf-und-retourenmanagement/vorfrankierte-antwortsendungen-inland/geschaeftsantwortsendung-brief-inland,

[3] https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/darf-man-rueckantwort-couverts-fuer-andere-zwecke-verwenden

[4] https://www.post.ch/-/media/post/gk/dokumente/direct-marketing-factsheet-gas.pdf?la=de&vs=6

[5] https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/darf-man-rueckantwort-couverts-fuer-andere-zwecke-verwenden

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