Radio SRF Nachrichten, Beitrag über Hotelübernachtungen beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 7. Mai 2019 beanstandeten Sie zwei Radio-Nachrichten-Meldungen vom gleichen Tag zur Statistik der Hotelübernachtungen. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Nachrichten heute auf SRF 1 um 10:00:

  • ....... die Hotelübernachtungen in der ersten 3 Monaten dieses Jahres sind um 3.1 % zurückgegangen .....

Nachrichten heute auf SRF 1 um 12:30:

  • ........ in diesem Winter haben etwas mehr Gäste übernachtet als im Winter des Vorjahr die Zunahme betrug 0.30%

Für mich ist es rätselhaft, wie kann man innert wenigen Stunden aus demselben Thema - Übernachtungen in Hotels währen der Winterzeit - gleich 2 verschiedene Meldungen machen mit völlig verschiedenen Aussagen. Für mich blieb nach den 10:00 Nachrichten: die CH Hotellerie hatte weniger Gäste, und nach den 12:30 Nachrichten: die CH Hotellerie hatte mehr Gäste.

Ich weiss, einmal (um 10:00) spricht man von der vergangenen Wintersaison (wann beginnt und wann endet diese genau?) in der Meldung um 12:30 spricht man von den ersten 3 Monaten des Jahres 2019, mit dem Zusatzhinweis dass man diese Zahlen eigentlich wegen der Verschiebung der Ostern nicht genau vergleichen könne. (!!)

Ein solches Wirrwarr (!) und die völlig verschiedenen Zeitangaben, mit völlig verschiedenen Textangaben - weiss da die Linke nicht mehr was die Rechte tut, bzw. sagt? Oder sind da schlicht wieder einmal zu viele Leute sprich Redaktionen am Werk gewesen, und alle haben einfach darauf losproduziert und dann gesendet? Und, ist denn niemand mehr da, der solche Dinge überwacht und kontrolliert und dann ggf. auch einschreitet?

Dass dies kein Einzelfall ist, ist Ihnen sicher bekannt. Haben Sie (trotzdem) besten Dank für Ihre Antwort.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für Radio SRF antwortete Herr Fredy Gsteiger, stellvertretender Chefredaktor:

«Besten Dank für die Gelegenheit, Stellung zu nehmen zur Beanstandung von Herrn X. Herr X kritisiert, dass eine Studie gleich Anlass geliefert hat zu zwei unterschiedlichen Meldungen in unseren Nachrichten.

Anlass für die Publikation war eine Erhebung des Bundesamtes für Statistik über die Zahl der Hotelübernachtungen im ersten Quartal des Jahres.[1] Das Thema sahen wir, angesichts der Bedeutung der Tourismusbranche in der Schweiz, als wichtig genug an für eine Nachrichtenmeldung. Diese wurde, basierend auf einer Meldung der Nachrichtenagentur SDA um 10 Uhr gesendet. Ihr Inhalt:

In Schweizer Hotels haben im ersten Quartal 2019 weniger Menschen übernachtet als im Vorjahr. Die Zahl der Übernachtungen von Januar bis März sank um 1,1 Prozent - auf 9,3 Millionen Menschen. Sowohl die Zahl der Gäste aus dem Ausland, als auch jene aus dem Inland nahm ab, wie das Bundesamt für Statistik bekannt gab. Allerdings waren die Osterfeiertage 2019 im Gegensatz zum Vorjahr erst im April. Dies erschwere einen Vergleich, so die Statistiker.

Kurz vor 11 Uhr publizierte die SDA eine zweite Nachricht, in der sie die erste angereichert hat, und zwar um die Übernachtungszahlen der Monate November und Dezember. Mit diesen Zahlen und jenen aus der aktuellen Erhebung liess sich also die Entwicklung für die ganze Wintersaison darstellen. Entsprechend publizierten wir in den Hauptnachrichten im «Rendezvous» um 12h30 eine neue, umfassendere Nachricht mit folgendem Wortlaut:

In diesem Winter haben etwas mehr Gäste in Schweizer Hotels übernachtet als im Winter davor. Insgesamt waren es 14 Millionen Hotelnächte, was ein Anstieg um 0,3 Prozent ist, wie das Bundesamt für Statistik mitteilt. Die Hälfte der Gäste kam aus dem Ausland - am meisten waren es aus Deutschland. Die Zahl der deutschen Gäste ist allerdings um fast 2 Prozent zurückgegangen. Dagegen haben in diesem Winter 11 Prozent mehr US-Amerikaner in Schweizer Hotels übernachtet. Laut dem Bundesamt für Statistik fällt auf, dass in diesem Winter vor allem die grösseren Städte wie Zürich, Genf und Luzern bei den Hotelnächten zulegen konnten.

Beide Nachrichten sind inhaltlich korrekt, entsprechen also dem für uns zentralen Sachgerechtigkeitsgebot. Es ist zudem ein völlig normaler Vorgang, dass sich Nachrichten weiterentwickeln, dass zusätzliche Erkenntnisse dazukommen. Wir bilden diese ab, entweder indem wir Nachrichten ergänzen und neu formulieren – oder, falls die Zusatzinformationen besonders relevant sind, aus einer Nachricht in einer späteren Sendung gar einen ausführlicheren Bericht machen.

Das hat mit Wirrwarr nichts zu tun. Auch nicht damit, dass die eine Hand nicht weiss, was die andere tut. Es ist lediglich ein alltägliches Beispiel dafür, wie Informations-journalismus funktioniert: Kaum etwas ist jemals endgültig abgeschlossen. Geschehnisse entwickeln sich weiter. Zu Fakten kommen neue Fakten hinzu. Auf Nachrichten gibt es Reaktionen. Das bilden wir ab.

Wir bitten Sie daher, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung von Herrn X abzulehnen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der beiden Meldungen. Ich kann Ihre Verwunderung und Ihr Kopfschütteln sehr gut verstehen: Die Radiomeldung von 10 Uhr am 7. Mai 2019 sprach von einem schlechten Winter für den Schweizer Tourismus, die Radiomeldung von 12:30 Uhr vom gleichen Tag sprach von einem guten Winter für den Schweizer Tourismus, und beide Meldungen bezogen sich auf das Bundesamt für Statistik. Die Statistik kann natürlich für vieles herhalten, je nachdem, welche Fragen man an sie stellt und welche Grundgesamtheiten und Messperioden man zugrunde legt. Und beide Meldungen stimmten ja. Sie waren je für sich sachgerecht. Ausserdem ist richtig, dass sich die Nachrichtenlage entwickelt und dass es zur Aufgabe des Journalismus gehört, stets die neuesten Erkenntnisse einzubeziehen. Ein Fehler an diesem Tag war aber, dass die zweite Meldung keinen Bezug zur ersten herstellte. Dieser wäre schon allein dadurch erfüllt gewesen, dass ein Satz angefügt worden wäre, etwa: «Betrachtet man hingegen nur das erste Quartal 2019, dann präsentiert sich die Statistik im Vergleich zum Vorjahr negativ: Die Zahl der Übernachtungen sank um 1,1 Prozent.» Dann hätten jene Hörerinnen und Hörer, die schon die 10-Uhr-Nachrichten rezipiert hatten, nicht verwirrt den Kopf geschüttelt. Das Transparenzgebot war jedenfalls nicht vollends eingehalten. Ich kann daher Ihre Beanstandung teilweise unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home.gnpdetail.2019-0361.htm

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