«Deville» Monolog «Abstieg von GC» und «Ueli besucht Donald» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 20. Mai 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Deville» (Fernsehen SRF) vom 19. Mai 2019 und dort die Monologe «Abstieg von GC» und «Ueli besucht Donald».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten. Leider erhalten Sie diesen Schlussbericht leicht verspätet; die mir zustehende 40-Tage-Frist ist schon vor ein paar Tagen abgelaufen. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Der Grund ist eine starke Überlastung der Ombudsstelle. Ihre Rechte werden dadurch allerdings nicht beschnitten: Die 30tägige Frist für eine Beschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen beginnt erst zu laufen, wenn der Schlussbericht bei Ihnen angekommen ist.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Am Sonnabendabend hat mich die DEVILLE-SHOW sehr enttäusch, wie Dominice Deville u.A. drei Bundesräte ins lächerliche gezogen haben. Es ziemt sich nicht, dass drei Bunderäte mit einer Schweizerfahne bzw. als „Feigenblatt der Nation“ dargestellt werden. Auch die massiven Verunglimpflichungen gegen den Bundespräsidenten in Wort und Bild waren sehr deplatziert und nicht würdig für die SRG. Es reichte ja, dass das Fernsehen in der USA bereits eine Falle gestellt hat!
Die Sonntagabend-Show hat die Grenzen des Komikers und Moderators stark überschritten. Ironie und Humor darf es weiter sein, aber nicht so und gegen unsere Bundesbehörde! M.E. wurde die Presse- und Meinungsfreiheit in dieser Sendung sehr stark überstrapaziert. Diese Art wird von der Mehrheit des Volkes nicht goutiert. Diese Sendung wird ja vom Volk finanziert.
<Deville hat diesmal sehr schlecht geprühlt!!>
Ich beantrage, dass diese Sendung ab sofort vom Programm gestrichen wird und an der nächsten Sendung eine Entschuldigung folgt.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «Deville» äußerte sich Herr Daniel Kaufmann, Senior Producer Comedy bei Fernsehen SRF:
«Gerne nehmen wir zur Beanstandung von Herrn X Stellung.
«Bei ‘Deville’ handelt es sich um eine Satiresendung. Satire ist ein besonderes Mittel der Meinungsäusserung, bei dem sich die Form bewusst nicht kongruent zu dem verhält, was sie hinterfragen will. Sie übersteigert die Wirklichkeit, verfremdet sie, stellt sie um, kehrt wieder zu ihr zurück, banalisiert sie, karikiert sie, macht sie lächerlich. Dabei ist es aus programmrechtlicher Sicht zentral, dass der satirische Charakter für das Publikum erkennbar ist. Der satirische Charakter bei ‘Deville’ ist klar erkennbar.
In der Sendung vom 19. Mai 2019 hat sich Dominic Deville unter anderem mit dem Besuch von Bundespräsident Ueli Maurer bei Donald Trump befasst. Das Treffen und Maurers verunglücktes Interview auf CNN wurden in der betreffenden Woche in allen Medien und auch auf allen Social-Media-Kanälen diskutiert. Dass auch die Sendung ‘Deville’ sich dieses Themas annahm, liegt auf der Hand. Wenn ein Bundespräsident sich in einem öffentlichen Auftritt lächerlich macht, dann erntet er Spott. Dafür ist Satire da.
Das gilt auch für die Fotomontagen mit den entkleideten Bundesrätinnen und Bundesräten. Satire steht in der Tradition der Hofnarren. Satiriker sind die, die sich über die Regierenden lustig machen dürfen. Vorausgegangen war den Bildern das vieldiskutierte Thema der GC-Hooligans, die von den Spielern verlangten, sie müssten sich entkleiden. Dass Menschen, die sich über andere ärgern, fordern, dass diese Personen die Kleider ablegen, ist neu und deshalb für die Satire interessant. Es lädt dazu ein, das Prinzip weiterzuspinnen. Was bedeutet es, wenn dieser Mechanismus auf andere Gebiete übertragen wird? In diesem Zusammenhang entstanden die besagten Fotomontagen. Über Geschmack lässt sich streiten. Wir haben intern über diese Bilder diskutiert. Aber Satire darf auch an die Grenzen des guten Geschmacks gehen.
Dass sich jemand daran stösst, können wir nachempfinden. In Satiresendungen wird es immer Dinge geben, die in anderen Formaten so nicht vorkommen. Eine Verletzung des Programmrechts sehen wir nicht.
Wir bedanken uns für die Gelegenheit zur Stellungnahme.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sende-Episoden. Satire ist Spott; sie kennt kein Tabu (außer den Spott auf Kosten von Behinderten, Opfern, Benachteiligten und zentralen religiösen Glaubensinhalten). Spott macht die aufs Korn Genommenen lächerlich, und darum muss man lachen. Ich musste herzhaft lachen, als ich die mit dem Schweizer Wappen als Feigenblatt bedeckten nackten Bundesräte Alain Berset (SP), Karin Keller-Sutter (FDP) und Ueli Maurer (SVP) sowie Alt-Staatsrat Oskar Freysinger (SVP) und Nationalrat Hans-Ulrich Bigler (FDP) an mir vorbeischweben sah. Mir kam sofort «Des Kaisers neue Kleider», das Märchen von Hans-Christian Andersen, in den Sinn, das berichtet, dass alle, auch der Kaiser selber, um nicht als dumm zu gelten, bestätigten, der nackte Kaiser sei wunderbar neu eingekleidet. Manchmal ist die Wirklichkeit eben nur sichtbar, wenn die Mächtigen nackt gehen. Der Sinn der Satire ist ja gerade, dass die Mächtigen kritisiert werden. Das ist auch der Sinn der Fasnacht: Drei Tage lang darf das Volk verkleidet (und damit nicht identifizierbar) den Mächtigen die Meinung sagen.
Auch der Beitrag über den Blitz-Besuch von Bundespräsident Maurer bei Präsident Trump im Weissen Haus ist alles andere als deplatziert. Erstens entschloss sich der Bundespräsident quasi Hals über Kopf, dem amerikanischen Präsidenten die Aufwartung zu machen; man musste fürchten, dass er nicht genügend vorbereitet war. Zum Glück aber war er in Begleitung der Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, der Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), die die Dossiers kennt und die, wie man jetzt durch die «Weltwoche» erfahren hat, im Oval Office von Trump interviewt wurde und ihm das schweizerische System erklärte.[2] Maurer sass wahrscheinlich lächelnd daneben. Besonders peinlich war sein Interview bei CNN. Wenn das nicht Stoff für Satire ist!
Im Übrigen sind jene Bundesräte, die häufig die Satiriker beschäftigen, just die populärsten. Über Rudolf Minger (SVP) gab es unzählige Witze, aber kein anderer Bundesrat war in den dreissiger Jahren populärer als der Bauer in der Landesregierung. Ähnlich bei Adolf Ogi: Er war – und ist – populär, aber es gab zahlreiche Witze über ihn.
All das gesagt, sehe ich keinerlei Anlass, die Sendung «Deville» zu kritisieren. Niemand wurde diskriminiert, alles war im Rahmen der Meinungsäußerungs- und Kunstfreiheit. Und folglich gibt es auch keinen Grund für eine Entschuldigung. Schon gar nicht werde ich den Verantwortlichen empfehlen, die Sendung abzusetzen. Ich kann folglich Ihre Beanstandung in keiner Weise unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen
Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/play/tv/deville/video/nico-semsrott-pavian-praesentation?id=c5f38a1d-3918-4dd9-9283-42667e40d424
[2] Florian Schwab: Die Frau, die von Donald Trump interviewt wurde. „Weltwoche“ 26, 27. Juni 2019, S. 12-13.
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