Moderatoren im Visier der Kritiker

Politische Talkshows gibt es überall im Rundfunk. In der Schweiz stehen vor allem deren Moderatorinnen und Moderatoren immer wieder in der Kritik. Und rasch folgt die Forderung: «Jagt sie davon!» Ein Kommentar von Ombudsmann Roger Blum.

Unsere Väter pflegten am Bildschirm Sonntag für Sonntag den «Internationalen Frühschoppen» zu gucken, jene Frühform einer Talkshow, in der Werner Höfer zwischen 1952 und 1987 jeweils eine Anzahl deutscher und ausländischer Journalisten zur Gesprächsrunde bei Weisswein versammelte. Sie war zwar nicht die älteste Talkshow weltweit und sie hat – wegen des Nazi-Flecks auf Höfers Weste – nicht überdauert. Ihre (viel weniger berühmte) Nachfolgesendung wurde der «Presseclub» (ARD). Die älteste, noch heute existierende politische Talkshow ist «Meet the Press» auf NBC in den USA, ebenfalls jeden Sonntag, 1947 ins Leben gerufen und von Tim Russert zwischen 1991 und 2008 zur Hochform gebracht. Gastgeber ist heute Chuck Todd. Die Sendung hat in den USA zwei Schwestern: «Face the Nation» (CBS, seit 1954) mit Margaret Brennan und «This Week» (ABC, seit 1981) mit
George Stephanopoulos. Die Amerikaner (und dann auch die Briten) haben die politische Talkshow und das politische Interview stark geprägt.

Das blieb nicht ohne Einfluss auf die Schweiz. Im Fernsehen versuchte man es zunächst mit Gesprächsrunden wie «Tatsachen und Meinungen» oder «CH-Magazin». Das Radio kennt seit langem schon die «Samstagsrundschau». Und auf «TeleZüri» setzte Roger Schawinski einen neuen Massstab mit «TalkTäglich» und «SonnTalk». Bald zog Radio SRF nach und bot mit dem «Tagesgespräch» ein tägliches Interview am Mittag. Und Fernsehen SRF kennt mittlerweile ebenfalls fast täglich einen Talk – am Montag «Schawinski», am Dienstag den «Club», am Mittwoch das Thekengespräch der «Rundschau» und am Freitag die «Arena».

Es sind Gespräche, in denen argumentiert und gestritten wird. Sind mehrere Gäste geladen, dann streiten sie vor allem untereinander. Steht nur ein Gast Red und Antwort, dann macht sich der Moderator zum Widerpart, zum Advocatus Diaboli. Es sind denn auch immer wieder die Moderatoren, die den Stein des Anstosses für Beanstandungen bilden. Bei Diskussionssendungen mit einer ganzen Gruppe von Gästen wird ihnen jeweils vorgeworfen, sie seien nicht wirklich neutral, sie würden die eine Seite härter angehen als die andere und sie würden die Redezeit ungleich verteilen. Bei Interviews lautet der Vorwurf immer wieder, der Moderator oder die Moderatorin unterbreche zu viel, stelle unangebrachte Fragen und vertrete einen einseitigen politischen Standpunkt oder befrage das Gegenüber nicht wirklich kritisch.

Und das tönt dann etwa für die «Rundschau» oder den «Rundschau talk» so: «Sandro Brotz wirkte gänzlich inkompetent und voreingenommen.» – «Ein Moderator von SRF darf harte und bissige Fragen stellen, aber er muss dabei neutral bleiben.» – «Brotz tritt absolut primitiv und respektlos auf.» – Nicole Frank «versucht, ihren Gesprächspartner blosszustellen». – «Sie ist übertrieben aggressiv» – «Ein Skandal!» Zum «Club» liest man in Beanstandungen: «Es war spürbar klar, dass sie (Barbara Lüthi) sich bei keinem anderen Gesprächspartner in dieser respektlosen Art verhalten hätte.» – «Versuch einer Manipulation.» – «Während Minuten sprachen drei oder mehr Personen gleichzeitig, und je länger, umso lauter.» Zur «Arena» erhält die Ombudsstelle Kommentare wie Folgende: «Die Moderation war katastrophal schlecht.» – «Ich erachte Ihre Moderation als tendenziös» – «Herr Projer hat leider nicht das persönliche Format, eine Sendung zu moderieren.» Ähnlich lauten die Kritikpunkte bei «Schawinski». Und meist folgt unmittelbar die Forderung, die Moderatorinnen oder Moderatoren seien abzusetzen.

Als Ombudsmann habe ich keine Entscheide zu fällen und schon gar nicht über das Schicksal von Moderatoren zu befinden. Meine Aufgabe ist es, zu prüfen, ob die Moderatoren im konkreten Fall ihre Rolle missbraucht und beispielsweise jemanden zu Unrecht angegriffen, ja fertiggemacht haben. Nur ganz selten ist die Kritik in den Beanstandungen begründet. Meist gilt es, gegenüber dem Publikum Aufklärung zu betreiben und zu erläutern, was die Aufgabe von Moderatorinnen und Moderatoren ist, nämlich: In Diskussionssendungen das Thema voranzutreiben, ausufernde Nebendebatten zu stoppen, Vielredner zu bremsen, gegenseitige persönliche Angriffe abzuklemmen, allen ausreichend das Wort zu geben, die verschiedenen Positionen ausgewogen zum Zuge kommen zu lassen und kritisch nachzufragen. In Interviewsendungen Personen mit Expertise durch Lockfragen zu zwingen, ihr Wissen möglichst konkret und verständlich auf den Punkt zu bringen (explorative Methode), und Personen mit Überzeugungen durch Einnahme der Gegenposition zu zwingen, prägnante Aussagen zu machen (konfrontative Methode).

Hin und wieder weisen Beanstander darauf hin, dass die politischen Talkshows in Deutschland gesitteter ablaufen, und argumentieren, der Grund dafür sei, dass dort die Gäste sitzen und nicht stehen wie in der «Arena», an der «Rundschau»-Theke oder an der «Kassensturz»-Theke. In der Tat debattieren die Teilnehmenden bei Frank Plasbergs «Hart aber fair» (ARD), «Markus Lanz» (ZDF), «Maischberger» (ARD), «Maybrit Illner» (ZDF) und «Anne Will» (ARD) alle sitzend, und ein babylonisches Sprachgewirr kommt seltener vor als in der Deutschschweiz. Ob aber ein Zusammenhang zwischen Sitzen und Sittsamkeit besteht, ist eher fraglich. Vielleicht wird in Deutschland die Autorität einer Moderatorin oder eines Moderators einfach ganz selbstverständlich anerkannt!

Text: Roger Blum

Bild: Stephan Lütolf

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