Kommentare zum Schiedsrichter bei Direktübertragung des UEFA-Nations-League Finals beanstandet
6015
Mit Ihrer E-Mail vom 5. Juni 2019 beanstandeten Sie die die Kommentare von Sascha Ruefer über den Schiedsrichter in der Fernseh-Direktübertragung des Fußball-Länderspiels Portugal-Schweiz vom gleichen Tag. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Ich möchte mich über den Kommentator Sasha Ruefer beschweren. Ich als Schiedsrichter (18) finde es nicht ok, wie sich Ruefer über den Schiedsrichter äusserte. Bei einigen Entscheidungen des SRs war ich auch nicht komplett zufrieden, aber Ruefer behauptet sogar, eines Fifa-SR nicht würdig zu sein und das ist eine Frechheit. Weil 1. Schiedsrichter sein ist micht einfach und jeder kann Fehler machen. 2. Finde ich, dass Ruefer, als Vorbild, den SR nicht so demontieren darf, denn der Ruf der SR ist allgemein nicht gut und jetzt macht auch der Kommentator den SR schlecht. Was denken sich dann alle anderen? Ah ok ich kann auch den SR schlecht reden, gar beleidigen. 3. Würde Ruefer einmal selber ein Spiel pfeiffen, würde er verstehen was es heisst ein Schiedsrichter zu sein. Ich wollte Ihnen das gerne melden und ich hoffe ich kann etwas bewirken oder Sasha Ruefer auch mal etwas Anstand beibringen, denn etwas schlecht reden, von dem man keine Ahnung hat, ist einem SRF-Kommentator nicht würdig.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die SRF-Sportredaktion antwortete Herr Hansjörg Wyss, Inputer Chefredaktion Sport:
«Gerne nehme ich folgendermassen Stellung zur Beanstandung Nr. 6015:
Der Beanstander kritisiert Fussball-Kommentator Sascha Ruefer, dass dieser sich in seinem Live-Kommentar in der Partie Portugal-Schweiz zu stark und zu oft ungebührlich negativ über den Schiedsrichter geäussert, diesen als nicht Fifa-würdig eingestuft und so das Vorbild von Schiedsrichtern an sich demontiert habe. Und zwar in derartig herablassender Art und Weise, dass Zuschauer dazu animiert werden, sich ebenfalls ungerechtfertigt schlecht gegenüber Spielleitern zu äussern. Zudem sei Kommentator Ruefer Anstand beizubringen.
SRF legt grossen Wert darauf, dass die schwierige Arbeit der Schiedsrichter korrekt beurteilt und in den Kommentaren sowie in den Match-Zusammenfassungen richtig widergegeben wird. Als Beispiel dazu darf speziell erwähnt werden, dass ein regelmässiger Austausch zu aktuellen Fällen und strittigen Fragen oder Szenen mit den Schiedsrichter-Verantwortlichen beim Schweizer Fussballverband (Cyril Zimmermann, Daniel Wermelinger) stattfindet und dass bei grossen Turnieren wie Welt- oder Europameisterschaften ein Schiedsrichter direkt ins Studio-Programm eingebaut ist (seit 2012 Carlo Bertolini, momentan Sascha Amhof). Dieses trägt viel dazu bei, dass die SRF-Journalisten die Aktualitätsfelder und Schwierigkeiten der Schiedsrichter kennen und diesen im Sportprogramm von SRF der nötige Platz und auch die richtige Einordnung und Wertung zukommt.
Fakten: In besagtem Spiel äussert sich Sascha Ruefer sechs Mal in der ersten Halbzeit, einmal nach dem Schlusspfiff bei der Bilanz der ersten Halbzeit und drei Male in der zweiten Halbzeit zum Schiedsrichter. Diverse Male bei umstrittenen Szenen spricht er die Leistung des Schiedsrichters nicht an, sondern kommentiert da das Vorgefallene auf der sachlichen Ebene.
Kritiken am Schiedsrichter: Sämtliche Aussagen des Kommentators Sascha Ruefer sind auf dem Beiblatt sinngemäss aufgelistet. Es sind alles Kritiken, die sich durch die eingespielten Slow-Bilder belegen lassen und die ein Kommentator, der kritisch und kompetent einen Fussballmatch kommentiert, auch beurteilen und erwähnten muss. Dabei hat Sascha Ruefer keinesfalls die helvetische Chauvinisten-Brille an, sondern bringt auch Kritiken am Schiedsrichter an, wenn dieser gegen die Schweiz pfeifen müsste (zB. 1. HZ bei 43:40 Min. -> das war Handspiel von Rodriguez – Schiedsrichter hat nichts gesehen...vielleicht ein bisschen Kompensation...). Einmal (1. HZ, bei ca. 40:40) stuft er selber seine Kritik, dass der Schiedsrichter einen wesentlichen Anteil daran habe, dass die Schweiz zurückliege, als persönliche Wertung ein. Klar und nachvollziehbar zudem die Kommentierung von Ruefer auch bei den sehr umstrittenen Penalty-Szenen (2. HZ, 58:00 Min.), als der Video Assistant Referee (VAR) einbezogen wurde.
Aufforderung zur Nachahmung: Die Aussage des Beanstanders, dass Ruefer durch seine Kritiken dazu auffordere, Schiedsrichter generell zu kritisieren und deren Ruf zu demontieren, lässt sich im Kommentar nirgends feststellen. Die Kritiken werden in einer anständigen, sachlichen Sprache formuliert, die kritisierten Punkte werden dabei aber klar und deutlich angesprochen. Alles Kritisierte wird durch die (Slow)-Bilder belegt und untermauert.
Anstand: Alle Kommentare von Sascha Rufer werden in einer anständigen Sprache und Spreche vorgebracht. In einer einzigen Aussage kann mit viel Willen im absoluten Detailbereich ein leichter ausfallender Unterton herausgehört werden: Als Ruefer davon spricht, dass Schiedsrichter Brych als Doktor angesprochen werden wolle (1. HZ, ab 23:35 Min.). Diese Bemerkung ist an und für sich überflüssig und könnte von einzelnen Zuschauern als leicht herabsetzend gewertet werden.
Mangelnde Fachkompetenz: Dezidiert wehre ich mich gegen die Behauptung, dass Kommentator Ruefer <von etwas rede, von dem er keine Ahnung habe>. Er kommentiert seit vielen Jahren wichtige Fussballspiele, teils vor Millionen von Zuschauern und bekommt wie alle anderen Kommentatoren regelmässig interne und externe Feedbacks, in denen inhaltliche, sprecherische, sprachliche wie fachliche Fakten angesprochen werden. Auch externe Fachleute attestieren ihm ein grosses Fussballwissen (incl. Schiedsrichterwesen) und einen objektiven, aber auch unterhaltsamen Kommentar-Stil.
Die Kriterien des Beanstanders sind im Kommentar von Sascha Ruefer nicht auffindbar oder nur ganz rudimentär in kleinsten Details auffindbar. Deshalb bitte ich Sie, diese Beanstandung nicht zu unterstützen.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich habe die Leistung von Fußballschiedsrichtern immer wieder bewundert, aus drei Gründen: Erstens absolvieren sie ein ungeheures Laufpensum. Sie laufen mehr als die meisten Spieler, und das erfordert Kondition. Zweitens brauchen sie Übersicht, Mut zum Entscheid und die Fähigkeit, emotional aufgeladene, konflikthafte Szenen zu entspannen. Und drittens werden sie, auch bei einer Glanzleistung, kaum je gefeiert: Die Beifallsstürme des Publikums im Stadion gelten vorab der siegreichen Mannschaft, manchmal auch der unterlegenen, wenn sie bravourös gekämpft hat. Man kann daher die Leistung der Schiedsrichter nicht hoch genug einschätzen, und ich gratuliere Ihnen dazu, dass Sie Spiele pfeifen!
Allerdings gibt es auch bei den Schiedsrichtern qualitative Unterschiede – die einen sind souverän, die anderen weniger – und Tagesformen. Deshalb sind auch Schiedsrichter kritisierbar. Es gehört zur Aufgabe eines Spiel-Kommentators, auch die Leistung des Schiedsrichters mit zu beurteilen.
Ich habe mir alle die Szenen im Spiel Portugal-Schweiz, in denen Sascha Ruefer sich zum Schiedsrichter äußert, genau angeschaut, und komme zu folgendem Schluss: Er hatte einerseits aus seiner fußballerischen Kompetenz heraus allen Grund, die Entscheide des Schiedsrichters zu kritisieren – mehrfach gab Felix Brych gelbe Karten sowohl gegen die Schweiz wie gegen Portugal nicht, obwohl sie fällig gewesen wären, er pfiff einen Elfmeter gegen die Schweiz, der nicht zwingend war, und einen gegen Portugal, der keineswegs zwingend war. Anderseits nannte Sascha Ruefer den Schiedsrichter vor allem in der ersten Halbzeit mit einem etwas verächtlichen Unterton immer wieder «Herr Doktor Brynch», wie um anzuzeigen, dass er vielleicht besser auf einem anderen Feld tätig wäre. Das erste war nötig, ja wichtig, denn der Schiedsrichter überzeugte tatsächlich nicht durchweg, war zeitweise unsicher. Das zweite war unnötig. Da aber die Kritik überwiegend sachlich und gut begründet war, kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum
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