«Tagesschau»-Beitrag: «Hochspannung zwischen den USA und Iran» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 28. Juni 2019 beanstandeten Sie die «Tagesschau» vom 22. Juni 2019 und dort den Beitrag: «Hochspannung zwischen den USA und Iran».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«In der oben aufgeführten Sendung betr. den Spannungen zwischen dem Iran und den USA im ME wurde nur der Iran als Sündenbock dargestellt. Die USA wurden nicht erwähnt. Die Aussage, dass der Iran im Syrien Konflikt Bashir Al Assad unterstützt stimmt als solches, es wurde jedoch komplett unterschlagen, dass der Iran ausschlaggebend an der Zerschlagung der Terrororganisation IS beteiligt war. Dafür wurde hervorgehoben, dass der Iran den Hesbollah im Libanon und die Houthis im Yemen unterstützt. Über die Unterstützung der Saudis als Partei im Yemen Konflikt wurde kein Wort verloren. An dieser Einseitigkeit und Parteinahme störe ich mich.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Tagesschau» antwortete Herr Franz Lustenberger, ehemaliger stellvertretender Redaktionsleiter:
„Mit Mail vom 22. Juni 2019 hat Herr X eine Beanstandung gegen die Tagesschau vom gleichen Abend eingereicht. Die Redaktion Tagesschau nimmt zu den einzelnen Punkten der Kritik wie folgt Stellung:
‚Sündenbock Iran‘ und die Rolle der USA
Der Beitrag ist sachlich und neutral formuliert. Die Redaktion macht keine Schuldzuweisungen. Weder der Iran noch die USA werden als ‚Sündenbock‘ dargestellt. Im Gegenteil wird in der Moderation gleich zu Beginn gesagt, dass beide Seiten derzeit gegen Aussen Entschlossenheit demonstrieren und die jeweils andere Seite mit scharfen Drohungen eindeckten.
Im Beitrag wird festgehalten: <Seit der Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA spitzt sich der US-iranische Konflikt zu.> Mit anderen Worten, als tiefere Ursache der aktuellen Eskalation wird die einseitige Kündigung des Atomabkommens durch die USA genannt. Es wird klar gesagt, wer diesen Vertrag gekündigt hat, die USA. Sicherheitsberater John Bolton wird namentlich genannt, der einen Militärschlag gegen den Iran befürwortet. Die Trump-Administration sieht im Iran einen Aggressor. Nicht die Tagesschau bezeichnet den Iran so, sondern die Trump-Administration.
Syrien und Jemen
Der Beanstander vermisst den Hinweis, dass <der Iran ausschlaggebend an der Zerschlagung der Terrororganisation IS beteiligt war>. Am Krieg gegen die Terrororganisation IS waren verschiedenste Seiten beteiligt, allen voran die militärischen Kräfte der Kurden in Syrien und im Irak. Es ist richtig, dass auch der Iran mitgeholfen hat, die Terrororganisation IS zurückzudrängen. Allerdings ist der Kampf gegen den IS, respektive die jeweiligen Anteile am Erfolg nicht Thema des Beitrages.
Im Beitrag wird lediglich gesagt, dass die USA und ihre Verbündeten den Iran und ihre Revolutionsgarden als Bedrohung für die Region sehen. Sicherheitsberater John Bolton sieht in der Unterstützung von Syriens Präsident Baschar al-Assad eine Begründung.
Der Beitrag zeigt mit drei Beispielen, weshalb die USA und ihrer Verbündeten den Iran als Bedrohung für die Region sehen. Neben Syrien werden die Hisbollah im Libanon und die Huthi-Rebellen im Jemen genannt. Der Bürgerkrieg im Jemen ist nicht Thema des Beitrages.
Fokus des Beitrages
Der Bericht befasst sich aus aktuellem Anlass mit der Eskalation zwischen den USA und dem Iran. Dabei wird – wie schon ausgeführt - klar festgehalten, dass die Kündigung des Atomabkommens durch die USA eine der wesentlichen Ursachen für die steigenden Spannungen in der Golfregion darstellen.
Die iranische Position kommt zur Darstellung, nicht in direktem Original-Ton, sondern im Text: <Im Iran zeigt man sich unbeeindruckt. Grenzverletzungen würden nicht hingenommen. Und auch der Iran sieht sich nicht als Aggressor.> Dies ist eine klare Gegenposition zu den Aussagen aus US-amerikanischer Sicht. Die Revolutionsgarden bezeichnen den Drohnenabschuss als <Warnung an die USA>. Ein bemanntes Flugzeug habe man bewusst nicht abgeschossen, obwohl es den iranischen Luftraum verletzt habe.
Fazit
Der beanstandete Beitrag ist aus Sicht der Tagesschau-Redaktion sachgerecht und in sich ausgewogen. Keine der beteiligten Staaten wird als ‚Sündenbock‘ hingestellt. Die wesentlichen Aussagen sind jeweils klar einer der beiden Seiten zugeordnet und als solche für das Publikum erkennbar. Die Kündigung des Atomabkommens durch die USA wird als tiefere Ursache für die aktuelle Eskalation bezeichnet. Die Tagesschau kann daher den Vorwurf der Einseitigkeit und der Parteinahme nicht verstehen. Das Publikum konnte sich jederzeit eine eigene Meinung bilden, basierend auf den Fakten und den zugeordneten Interpretationen des Geschehens durch die Akteure.
Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.“
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Sie haben Recht: Es gibt im Nahen und Mittleren Osten nicht nur den Iran, der sich in Konflikte einmischt, um seine Macht abzusichern. Gerade Saudi-Arabien, der wichtigste Konkurrent Irans, zeichnet sich durch eine ziemliche Arroganz aus, und zu Unrecht wird dieses absolutistische Königreich von westlichen Ländern gehätschelt. Ich habe just dazu am 5. Mai 2018 in der «Schweiz am Sonntag» eine Kolumne geschrieben.[2] Aber auch die Türkei nimmt sich Rechte heraus, die ihr nicht zustehen, und Israel hat, um sein Existenzrecht abzusichern, das Völkerrecht schon oft auf sehr spezielle Art ausgelegt. Man dürfte als Machtfaktor auch Ägypten nicht außer Acht lassen. Und dann sind da die Großmächte, vor allem die USA und Russland. Die Russen unterstützten und unterstützen den syrischen Präsidenten Assad vor allem gegen jene Opposition, die sich ein demokratisches und pluralistische Land vorstellen könnte, aber kaum gegen islamische Fundamentalisten. Die Amerikaner wiederum intervenierten wiederholt geheimdienstlich oder militärisch in dieser Region, denken wir nur an Iran, wo sie 1953 zusammen mit dem jungen Schah die Reformregierung von Mohammed Mossadeq wegputschten, oder an Irak, wo sie 1991 und 2003 das Regime von Saddam Hussein zuerst zurückbanden, dann stürzten, oder an Afghanistan und Syrien. Viele haben da «Dreck am Stecken».
Aber im von Ihnen kritisierten Beitrag ging es einzig und allein um den aktuellen Konflikt zwischen Iran und den USA, und dieser wurde korrekt und fair gespiegelt. Die «Tagesschau» kann nicht jedes Mal bei 1953 oder 1979 oder 1991 beginnen; sie muss sich auf die Aktualität beschränken. Das hat sie redlich getan. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen, so sehr ich Ihr Bedürfnis nach gerechter Beurteilung aller Akteure verstehe.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/hochspannung-zwischen-den-usa-und-iran?id=5cf43c9d-d6a3-4279-a0cb-da154caa14a8
[2] https://www.aargauerzeitung.ch/kommentare-aaz/die-zu-unrecht-gehaetschelten-saudis-132530940
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