«Echo der Zeit»-Beitrag «’Tief, tiefer, am tiefsten’: Der österreichische Wahlkampf» beanstandet
6083
Mit Ihrem Brief vom 11. August 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Echo der Zeit» (Radio SRF) vom 10. August 2019 und dort den Beitrag «’Tief, tiefer, am tiefsten»: Der österreichische Wahlkampf».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Es tut mir irgendwie fast leid, sie wieder mit einer Beanstandung, betreffend manipulativer Berichterstattung zu beschäftigen. Dies hat jedoch nichts, aber auch gar nichts mit Missbrauch des Beanstandungsverfahrens zu tun, da eine Beanstandung gegen diese Sendung zwingend ist. Meine Beanstandung (Interview mit ‘Profil’- Chefredaktor Christian Rainer) gegen die oben erwähnte Sendung wegen manipulativer Berichterstattung begründe ich wie folgt:
- Die FPÖ wurde mehrfach als ‘radikal rechte’ Partei bezeichnet. Dies ist jedoch unwahr, da die FPÖ eine klar rechtskonservative Partei ist, jedoch nichts mit radikal zu tun hat. Diese Bezeichnung ist nicht wahr und somit eine bewusste Manipulation der unbefangenen Zuhörer.
- Es wurde nur Kritik an der vergangenen ÖVP/FPÖ Regierung geübt, ohne ihre Errungenschaften zu benennen, denn von diesen gibt es einige.
- Es ist unerhört, wenn Herr Rainer die österreichischen Wähler indirekt als ‘lernresistent oder dumm’ bezeichnet, weil die, gemäss Umfragen, mit ca. 25 % die FPÖ wählen. Diese Unterstellung verstösst ganz klar gegen das geltende RTVG.
- Den Zuhören wurde nicht erklärt, dass es sich bei ‘Profil’ um eine klar linke Zeitschrift handelt, welche der SPÖ nahesteht, sowie dies auch ihr Chefredaktor tut.
- Christian Rainer war für die ehemalige SPÖ-Zeitung ‘Arbeiter-Zeitung’ tätig, welche als Parteiorgan der SPÖ diente.
- Christian Rainer ist Mitglied der SPÖ.
- Dies den unbefangenen Zuhörern nicht mitzuteilen ist klar manipulativ, denn es müsste für die Zuhörer klar ersichtlich sein, dass Herr Rainer seine Meinung als SPÖ-Mitglied äussert und ‘Profil’ eine klar linkes Magazin ist.
- Das Interview erweckte den Eindruck, dass SRF die FPÖ bewusst schlecht redet und auch dies ist klar manipulativ.
Ich bitte Sie, vorliegende Beanstandung gutzuheissen, bzw. die von mir beanstandeten Punkte zu rügen. Für Ihre Bemühungen danke ich Ihnen im Voraus.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für das «Echo der Zeit» schrieb Herr Fredy Gsteiger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF:
«Der Beanstander, Herr X, wendet sich in hoher Kadenz an die Ombudsstelle. Und zwar immer mit denselben Anliegen. Er beanstandet ein ums andere Mal, dass wir Parteien, die sich ganz am rechten Rand positioniert haben, zu kritisch beleuchten und nicht bereit sind, sie dem bürgerlichen Lager im Parteienspektrum zuzuordnen.
Aus unserer Sicht ist die Inanspruchnahme der Ombudsstelle in dieser Häufigkeit und mit stets denselben Zielen und Argumenten missbräuchlich. Hinzu kommt: Das Verfassen von Stellungnahmen absorbiert unsere Ressourcen ohnehin in stark zunehmendem Masse. Angesichts der aufgrund des Sparauftrags von drei Millionen für Radio SRF erforderlichen umfangreichen Stellenkürzungen sind wir schlicht ausserstande, zusätzliche personelle Mittel in diese Aufgabe zu investieren.
Wir verzichten deshalb im Fall der beiden Beanstandungen 6079 und 6083 auf das uns von Ihnen eingeräumte Recht, Stellung zu nehmen. Selbstverständlich werden wir uns aber auch künftig in anderen Fällen um sorgfältige Stellungnahmen bemühen.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich habe großes Verständnis für die Position von Radio SRF, in diesem Fall auf eine Stellungnahme zu verzichten. Sie beanspruchen die Ombudsstelle und damit auch die betroffenen Redaktionen in einem Maß, das in der Tat als missbräuchlich bezeichnet werden kann. Seit ich Ombudsmann bin, haben Sie 20 Beanstandungen eingereicht, von denen 18 schon erledigt sind. Keine dieser 18 Eingaben wurde vom stellvertretenden Ombudsmann Manfred Pfiffner oder von mir unterstützt, in keinem Fall erwies sich, dass die Bestimmungen des Radio- und Fernsehgesetzes verletzt waren. Dies ist die Liste:
Die Liste Ihrer bisherigen Beanstandungen
Fall-Nr. | Datum | Bescheid |
5128 | 11.7.2017 | Nicht unterstützt |
5418 | 5.4.2018 | Nicht unterstützt |
5427 | 9.4.2018 | Nicht unterstützt |
5558 | 26.8.2018 | Nicht unterstützt |
5594 | 3.10.2018 | Nicht unterstützt |
5599 | 7.10.2018 | Nicht unterstützt |
5617 | 24.10.2018 | Nicht unterstützt |
5724 | 17.1.2019 | Nicht unterstützt |
5729 | 20.1.2019 | Nicht unterstützt |
5745 | 27.1.2019 | Nicht unterstützt |
5777 | 18.2.2019 | Nicht unterstützt |
5831 | 18.3.2019 | Nicht unterstützt |
5832 | 18.3.2019 | Nicht unterstützt |
5850 | 28.3.2019 | Nicht unterstützt |
5856 | 30.3.2019 | Nicht unterstützt |
5859 | 1.4.2019 | Nicht unterstützt |
5861 | 3.4.2019 | Nicht unterstützt |
5911 | 9.4.2019 | Nicht unterstützt |
Diese Liste und die Bilanz sollte Ihnen längst zu denken geben: Sie haben offensichtlich eine falsche Vorstellung von den Grenzen der Medienfreiheit und von dem, was unter fairem, faktentreuem Journalismus zu verstehen ist. Sie erwarten eine rechtsbürgerliche Berichterstattung statt eine differenziert-distanzierte. Sie wollen die Wahrheit nicht hören.
Auch im konkreten Fall, dem Interview des «Echo der Zeit» mit dem Herausgeber und Chefredakteur des Nachrichtenmagazins «profil», Christian Rainer, über den österreichischen Wahlkampf nehmen Sie die Wirklichkeit nicht wahr. Es lässt sich durch Internetrecherchen nicht eruieren, ob Christian Rainer je Mitglied der SPÖ war und falls ja, ob er es heute noch ist. Das ist aber auch nicht entscheidend. Entscheidend ist, ob er seiner beruflichen Rolle eines unabhängigen und kritischen Journalisten gerecht wird, denn das Nachrichtenmagazin «profil» ist genau dem verpflichtet: einem unabhängigen und kritischen Journalismus.[2] Rainer legt in dem Gespräch dafür den Tatbeweis ab, denn er kritisiert nicht nur die FPÖ und die ÖVP als Produzenten von «Schmutz und Morast», sondern ausdrücklich auch die SPÖ. Nur die Neos und die Grünen taxierte er als anständig. Und mitverantwortlich für den Wahlkampfstil der schnellen Emotionen erklärte er nicht nur die FPÖ und Kanzler Sebastian Kurz, sondern auch die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner. Sie sollten genauer zuhören, bevor Sie sich hinsetzen und eine Beanstandung formulieren! So haben Sie falsch gehört, dass Christian Rainer gesagt haben soll, die österreichischen Wähler seien lernresistent und dumm. Er hat nur gesagt, es gäbe Menschen, die sich für den Stil der Politik genierten, wenn aber die Menschen wirklich genug hätten, dann würden nicht – laut Umfragen – wieder fast 25 Prozent für die FPÖ votieren. Im Gegenteil habe eine Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition im Volk eine klare Mehrheit.
Rainer nannte die FPÖ vier Mal eine «radikal-rechte» Partei, und das mit Grund. Die FPÖ ist nach dem Krieg von bekennenden Nationalsozialisten gegründet worden, sie hat diese nationalen Bindungen und Überzeugungen nie aufgegeben: Jörg Haider lobte die nationalsozialistische Beschäftigungspolitik und die Veteranen der Waffen-SS, Heinz-Christian Strache hatte Beziehungen zu Neo-Nazi-Gruppen, die antiliberalen und antiislamischen Parolen zeugen bis heute davon. Das «Echo der Zeit» hat mit dem Interview die FPÖ keineswegs «bewusst schlechtgeredet» und war mitnichten manipulativ.
Ich kann daher – einmal mehr – Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/grosse-demonstration-der-opposition-in-moskau
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