SRF News-Sendung «Darf man noch fliegen?» beanstandet
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Mit Ihrem Brief vom 24. Juli 2019 haben Sie die Sendung «Darf man noch fliegen?» von SRF News vom 5. Juli 2019 beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten. Ombudsmann Roger Blum ist in den Ausstand getreten, weil er Sie, sehr geehrter Herr X, von früher her kennt.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
Ich reiche ein Beschwerde gemäss {Art. 4 & 5 RTVG) des Sachgerechtigkeitsgebots ein!
Jetzt ist mir als Vizepräsident des Vereins probelpmoos, der «Kragen geplatzt. Vielleicht weisst du noch wie ich dir den Verein erklärt habe, dass wir, einige hundert Mitglieder aus der Wirtschaft, Politik und aus der Fliegerei uns für den Erhalt und die Unterstützung des schönsten Flughafens der Welt, Bern-Airport, einsetzen.
In einer Sendung[1] hat Klaus Ammann soviel «Mist erzählt» (meine persönliche Meinung um juristisch korrekt zu bleiben, dass ich ihn angeschrieben habe. Die Antwort dazu ist fast noch haarsträubender . Hier werden Tatsachen und Fakten schlicht nicht wahrgenommen, verdreht und auf meine Eingaben schlicht nicht eingegangen.
Selbstverständlich hat Herr Ammann wissenschaftlich gehärtete Unterlagen von mir erhalten, weshalb er diese nicht zur Kenntnis nimmt, verschliesst sich meinem Verständnis für Fairness.
Sie fügen Ihrer Beanstandung Ihren E-Mail-Verkehr mit dem SRF-Kundendienst sowie einige Unterlagen bei.
B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Herr Fredy Gsteiger, Stellvertretender Chefredaktor Radio SRF, schrieb:
Besten Dank für die Gelegenheit, Stellung zu nehmen zur Beanstandung von Herrn X. Herr X kritisiert, ein Analysevideo[2] mit unserem Wirtschaftsredaktor Klaus Ammann, der seit Jahren über Klimapolitik berichtet, habe zwei Falschaussagen enthalten. In einem Fall gar «strafrechtlich relevante».
Wir bestreiten das entschieden. Selbstverständlich kann ein Video von lediglich einer Minute 47 Sekunden Dauer den Themenbereich Erderwärmung, Schadstoffausstoss und Luftverkehr nicht umfassend behandeln. Es bedarf einer massiven Verknappung. Allerdings, das räumen wir gerne ein, müssen auch in der Verknappung die wichtigsten Fakten vorkommen und korrekt dargestellt werden. Was aber in einem derart kurzen Format nicht leistbar ist, ist eine ausführliche Quellennennung und -diskussion. In anderen, ausführlicheren Publikationen zum Thema Klimawandel sind wir jedoch stets bestrebt, auch die Quellenlage darzulegen.
In dem beanstandeten Video geben wir die Fakten korrekt wieder: Herr X behauptet zwar, nach wenigen Sekunden «faselt Herr Ammann etwas zu zirka drei Prozent Treibhausgasen». Er räumt aber selber ein, dass es sich um 2,7 Prozent handelt und gibt insofern Klaus Ammann recht. Die Zahl 2,7 Prozent findet sich ebenfalls in dem Kommuniqué, das Herr X seiner Beanstandung beifügt. Es ist üblich und legitim, dass in der Berichterstattung die Stellen hinter dem Komma gerundet werden, also mathematisch korrekt ab 2,5 Prozent auf den nächsten Prozentwert auf-, darunter auf den tieferen Prozentwert abgerundet. Entsprechend spricht Klaus Ammann in seiner Kurzanalyse auch nicht von einem exakten Wert, sondern von «etwa drei Prozent».
Die Nennung eines exakten Wertes wäre zudem unseriös, denn zwischen den diversen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhobenen Daten besteht eine beträchtliche Bandbreite. Die Uno-Luftfahrtorganisation Icao nannte bereits vor über zehn Jahren (2007) einen Wert von zwei Prozent. Umweltschutzorganisationen wiederum sprechen von fünf Prozent, zum Beispiel der WWF. Die von Klaus Ammann verwendete Zahl von drei Prozent wird im jüngsten (Januar 2019) European Aviation Environmental Report der EU genannt.
Alle Publikationen gehen indes von einer insgesamt steigenden Tendenz aus. Die Uno-Organisation Icao im Wortlaut: “The amount of CO2 emissions from aviation is expected to grow around 3-4 per cent per year; and medium-term mitigation for CO2 emissions from the aviation sector can potentially come from improved fuel efficiency. However, such improvements are expected to only partially offset the growth of CO2 aviation emissions.”
Wenn Herr X von «sinkender Tendenz» spricht, meint er vermutlich die Schadstoffemissionen pro Passagierkilometer, die in der Tat sinken. Diese werden aber durch das enorme Wachstum der Anzahl Passagierkilometer deutlich überkompensiert.
Tragisch, ja «eventuell gar strafrechtlich relevant» findet Herr X die Aussage, wonach die Fliegerei in der Schweiz für rund zwanzig Prozent der Treibhausgase verantwortlich ist. Er nennt die Zahl von 0,52 Prozent. Eine eklatante Differenz. Woher Herr X diese hat und worauf sie basiert, führt er nicht aus. Wir können höchstens vermuten, dass sie auf dem Treibhausgasinventar des Bundesamtes für Umwelt basiert. Allerdings schliesst diese Zahl die internationale Luftfahrt ausdrücklich aus.Um den ökologischen Fussabdruck einer Gesellschaft zu bemessen, ist diese aber gerade im Fall der Schweiz entscheidend. Denn es gibt in einem Kleinstaat wie dem unseren nur eine sehr geringe Zahl von Inlandflügen. Deren Ausmass fällt kaum ins Gewicht. Hingegen fliegen die Bewohner der Schweiz in hohem Mass und oft auch mit Langstreckenflügen ins Ausland. Diese für die Bemessung einer «Klimaschuld» der Schweizer Bevölkerung auszublenden, wäre hochgradig unseriös. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt kommt daher in seiner Bemessung auf einen Wert von 18 bis 26 Prozent. Wenn Klaus Ammann also in dem Erklärvideo von «fast einem Fünftel» spricht, äussert er sich vorsichtig und bewegt sich am unteren Ende der von der Bundesbehörde genannten Bandbreite.
Wichtig scheint uns auch, dass wir in dem Beitrag keineswegs nur den ökologischen Fussabdruck der Luftfahrt thematisiert haben, sondern in gleichem Umfang auch die Bestrebungen, diesen zu vermindern. Etwa indem wir auf die grossen Anstrengungen der Forschung und der Flugzeughersteller zu sprechen kamen bei der Entwicklung von Elektroflugzeugen. Und dass beträchtliche Hoffnungen auf Fortschritte bestehen. Dabei erwähnt Klaus Ammann jedoch auch, dass die Aufgabe anspruchsvoll ist. Des Weiteren weisen wir darauf hin, dass die Entwicklung CO2-neutraler Treibstoffe möglicherweise einen schnelleren Weg zum Erfolg darstellt.
Wir sind deshalb überzeugt, selbst in der gebotenen Kürze des Erzählvideos sachgerecht berichtet zu haben und bitten Sie daher, die Beanstandung von Herrn X abzulehnen.
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung.
SRF News bietet dem Publikum die neusten Nachrichten in den Bereichen Schweiz, Regional, International, Wirtschaft und Panorama. So hat auch der von Ihnen kritisierte Kurzbericht «Darf man noch fliegen?» in nicht einmal zwei Minuten Sendedauer die aktuelle Thematik rund um den Flugverkehr beleuchtet.
Im ersten Teil des von Ihnen kritisierten Kurzberichts «Wie schlimm ist fliegen überhaupt?» (Dauer: 31 Sekunden) erläutert der SRF-Wirtschaftsredaktor, Klaus Ammann, dass das Fliegen sehr klimaschädlich sei. Er führt zuerst aus, die Luftfahrt sei global nur für etwa 3% der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Diese Zahl wird im Bericht gross eingeblendet und zusätzlich mit dem Lauftext «nur für etwa drei Prozent» unterlegt. Dem Publikum wird klar zu verstehen gegeben, dass es sich dabei nicht um einen exakten Wert handelt. Die Korrektheit der gerundeten Zahl ist hinreichend belegt.
Anschliessend heisst es: «In der Schweiz aber, wo wir sehr viel fliegen, ist das schon fast ein Fünftel. Kommt dazu, dass in anderen Bereichen – in der Industrie, bei der Energieproduktion oder auch im Gebäudebereich – die Treibhausgasemissionen in den letzten Jahren zurückgegangen oder zumindest stagnieren. Die Luftfahrt aber wächst rasant». Es ist für das Publikum nachvollziehbar, dass es sich hier nicht um den innerschweizerischen Flugverkehr handeln kann, wird doch davon berichtet, dass die Luftfahrt rasant wächst . So stösst beispielsweide der Flughafen Zürich langsam an seine Kapazitätsgrenzen. Die Passagierzahlen und dadurch auch die Flugbewegungen steigen[3]. Demgegenüber kämpft der Flughafen Agno, mehrheitlich für innerschweizerische Flüge gedacht, seit längerer Zeit mit massiven Schwierigkeiten[4].
Ich gehe vollkommen einig mit dem stellvertretenden Chefredaktor von Radio SRF, Herrn Fredy Gsteiger, der in seiner Stellungnahme festhält, dass zur Bemessung des ökologischen Fussabdrucks einer Gesellschaft die internationale Luftfahrt eingerechnet werden muss, da in der Schweiz nur eine kleine Anzahl von Inlandflügen getätigt werden, während die Schweizer Bevölkerung häufig und oft auch mit Langstreckenflügen ins Ausland fliegt.
Zusammenfassend ergibt sich, dass in der von Ihnen beanstandeten, sehr kurzen Sequenz des Erzählvideos die Fakten richtig wiedergegeben wurden. Die Informationen sind sachgerecht, so dass sich das Publikum frei eine eigene Meinung bilden kann. Ich kann Ihre Beanstandung daher nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,Manfred Pfiffner, stv. Ombudsmann
[1] www.srf.ch/play/tv/redirect/detail/ed843e4e-cd9f-4403-90b6-c0a3ada5e763
[2] www.srf.ch/play/tv/redirect/detail/ed843e4e-cd9f-4403-90b6-c0a3ada5e763
[3] https://www.srf.ch/news/regional/zuerich-schaffhausen/mehr-fluege-und-mehr-passagiere-am-flughafen-zuerich-purzeln-die-rekorde
[4] https://www.srf.ch/play/radio/die-woche-in-tessin-und-romandie/audio/der-flughafen-agno-in-schwierigkeiten?id=33d5e59c-3848-4711-ab55-6efba863717f
https://www.srf.ch/news/wirtschaft/darwin-streicht-fluege-zwischen-zuerich-lugano
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