«Rundschau»-Beitrag «Tamilen-Prediger im Zwielicht: Missbrauch von Gläubigen» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 17. September 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Rundschau» (Fernsehen SRF) vom 11. September 2019 und dort den Beitrag «Tamilen-Prediger im Zwielicht: Missbrauch von Gläubigen».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Der Beitrag stellt unsere Kirche und unseren Pastor sehr schlecht dar. Ich habe das Interview mitaufgenommen als es gemacht wurde. es wurden nur die Stellen im Fernseher gezeigt, die ihn angreifbar machen. Am Anfang des Beitrages schlägt der Herr die Kamera zurück, weil sie unbefugt in unserer Kirche eingetreten sind. Es war nicht auf der Strasse sondern in unserer Kirche. Es wurde uns versichert, dass dieser Abschnitt nicht veröffentlicht wird und siehe da, die Szene wird zwei dreimal gezeigt. ausserdem liegt unsere Gemeinde in keine Tiefgarage, sonst müsste da ein Auto stehen. Die Kirche liegt zwar im Untergrund und ist wunderschön. Natürlich wurden die hässlichen Seiten gezeigt und der Ort als eine Tiefgarage bezeichnet. Die Schilderungen wurden nicht sachgerecht dargestellt, Weder die Reporterin noch die Mädchen bringen Beweise, dass Ihnen solche Taten geschehen ist, trotzdem wird es so dargestellt als hätte ihr diese getan. Direkt wird Herrn Williams den Stempel aufgedrückt, er hätte dieses getan. Ist es überhaupt erlaubt Dokumente im Beitrag zu zeigen? Wo ist in diesem Beitrag das Recht auf Schutz? Die gezeigten Dokumente sind gefälscht. In der 19:31 Sekunde wird ein Dokument ausgestrahlt, indem als letztes die Stadt Hannover gezeigt wird. Wenn sie auf unsere Homepage sehen, hatten wir und haben nie eine Gemeinde in Hannover gehabt. Aber natürlich wird nichts überprüft und wird einfach so ausgestrahlt. Erst nach der Sendung wurden die Ermittlungen gegen Herrn Williams eingeleitet, in der Sendung wird aber ab der 22:12 erwähnt, Ermittlungen gegen Ihn seien schon eingeleitet worden. Dies können sie auf der twitter Seite von der Reporterin Rahe Sahlin sehen. In einem Tweet vom 13.09 2019 steht: <Die Recherchen haben Folgen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern hat im Fall des Pastors Ermittlungen eingeleitet. Das bestätigt sie gegenüber dem Regionaljournal @srfbern von Radio SRF.> Ohne das polizeilich oder gerichtlich Herr Williams als Schuldig erkannt wird, wird er in diesem Beitrag als schuldig bekannt. Nicht nur dass dieser Beitrag seinen Ruf und das Ruf seiner Gemeinde sehr geschädigt hat, viele Sender und Zeitungen, national wie international haben sich auf ihn gestürzt, sodass sein Ruf nicht nur in der Schweiz sondern auch auf der ganzen Welt in Verruf geraten ist. Bedenken wir dass, er keine öffentliche Person sondern eine Privatperson ist.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Rundschau» äußerte sich deren Redaktionsleiter, Herr Mario Poletti:

«Eingangs möchten wir klarstellen, dass sich der Beitrag keineswegs gegen die gläubigen Mitglieder der Kirche GGMCI richtete, sondern – im Gegenteil – dazu beitragen will, die Gläubigen vor einem potentiell gefährlichen Kirchenoberhaupt zu schützen.

Gegen den Gründer der Kirche GGMCI, Pastor Kumar Williams, welcher sich selbst als Apostel bezeichnet, werden Vorwürfe erhoben, die strafrechtlich relevant sind. Unter anderem berichten mehrere Aussteigerinnen von sexuellen Übergriffen durch den Pastor während der Zeit, in welcher sie Mitglied seiner Glaubensgemeinschaft waren. Darunter eine junge Frau, die von einem sexuellen Übergriff durch den Pastor berichtet, als sie 13 Jahre alt und für eine Nacht in seiner Obhut war.

Da es sich bei ‘sexuellen Handlungen mit Kindern’ um ein Offizialdelikt handelt, mussten die Strafverfolgungsbehörden nach der Ausstrahlung Ermittlungen aufnehmen.

Die Rundschau erachtet es als ihre journalistische Pflicht, die Vorwürfe publik zu machen, zumal der Pastor gegenwärtig zahlreiche junge Frauen und Mädchen in seiner Gemeinde hat und teils persönlich berät und betreut. Das öffentliche Interesse an einer Berichterstattung über den Pastor ist klar gegeben.

Ziel der Reportage war es also nicht, der Gemeinde zu schaden, sondern im Gegenteil, die Mitglieder der Kirche zu schützen.

Zu den einzelnen Punkten der Beanstandung:

1. Vorwurf: Es wurden die falschen Passagen aus dem Interview mit dem Pastor genommen

Dass der Pastor am Schauplatz des Gottesdienstes (draussen vor der Kirche) mehrmals gezeigt wird, hat den einfachen Grund, dass er nur dieses eine Interview gegeben hat. Der Reporterin war es wichtig, dass der Pastor zu jedem Vorwurf Stellung nehmen konnte. Deshalb wurde der Pastor gleich dreimal am selben Schauplatz gezeigt.

Die Antworten des Pastors sind keineswegs zufällig gewählt, sondern es sind seine Antworten auf die Vorwürfe der ehemaligen Gemeindemitglieder.

Die Beanstanderin moniert weiter, dass die Szene gezeigt wird, in welcher der Pastor die Kamera wegschlägt.

Aus Sicht der Rundschau ist es wichtig, dass diese Szene auch gezeigt wird. Nur so erfahren die Zuschauer (und auch die Mitglieder der Gemeinschaft), wie der Pastor auf die Interviewanfrage der Rundschau reagiert.

Es muss betont werden, dass der Besuch der Rundschau an diesem Tag für den Pastor nicht überraschend kam. Die Reporterin hatte sich rund einen Monat vorher (Melchtal, Bibel-Camp) persönlich bei ihm vorgestellt und ihn darüber informiert, dass sie über die Kirche und über ihn recherchiere. Sie hat sich ihm mit vollem Namen, Berufsbezeichnung und Sendegefäss, vorgestellt. Die Reporterin hatte damals auch verschiedenen Mitgliedern der Kirche gegenüber gesagt, dass sie eine Recherche zu GGMCI mache und angeboten, Interviews mit dem Pastor und Gemeindemitgliedern aufzunehmen, damit diese über die positiven Seiten der Kirche berichten. Leider hat sich niemand bereit erklärt dazu.

Der Pastor hat im Melchtal die Reporterin mündlich dazu eingeladen, zum grossen Monats-Gottesdienst nach Bern zu kommen. Sie solle ihm eine E-Mail schreiben, er würde ihr dann mitteilen, ob Filmaufnahmen des Gottesdienstes möglich wären. Auf die E-Mail hat er nie reagiert. Die Reporterin hat dem Pastor in der Folge mehrere E-Mails geschickt für eine Drehanfrage für besagten Gottesdienst und ihn auch via persönliches Kontaktformular zu erreichen versucht.

Dies alles, bevor sie am 25.08.2019 zu besagtem Gottesdient gegangen ist.

Die Beanstanderin wirft der Rundschau vor, dass die Reporterin vor Ort versichert habe, verschiedene Szenen später nicht zu senden. Diese Aussage hat die Reporterin nicht gemacht. Im Gegenteil hat sie mit den Personen, die während des Interviews in der Nähe des Pastors standen, besprochen, ob sie gerne unkenntlich gemacht werden wollen. Ausser dem Pastor und seiner Tochter (welche gesagt hatte, dass man sie zeigen dürfe) waren im Beitrag alle Personen aus der Gemeinde unkenntlich gemacht.

(Diese Übereinkunft ist im Rohmaterial von SRF ersichtlich)

Ausserdem war es für den Pastor klar ersichtlich, dass die TV-Kamera läuft und er wurde von Gemeindemitgliedern vorgängig darüber informiert, dass das Team mit Kamera im Vorraum (nicht im Raum des Gottesdienstes) auf ihn wartet.

Die Tochter des Pastors (O-Ton im Beitrag) hatte ausdrücklich erlaubt, dass das Team im Vorraum auf den Pastor warten kann. Wortlaut:

<wenn sie, das Beten fertig ist, dann kann man schon reden. ja, sicher sie können hier schon warten>

2. Vorwurf: Schilderungen nicht sachgerecht dargestellt

Die Reporterin hat mit allen Frauen, die im Beitrag aufgetreten sind und mit weiteren Frauen lange Hintergrundgespräche geführt und über Monate hinweg immer wieder hinterfragt, ob die Frauen glaubwürdig sind.

Die Frau, welche zum Zeitpunkt des mutmasslichen Übergriffs erst 13 Jahre alt ist, hat die Rundschau ausserdem zu einer externen Fachperson begleitet (Opferanwalt Christoph Erdös, Zürich). Er schätzte die Aussagen der Frau als absolut glaubwürdig ein.

Dass die Frauen die sexuellen Übergriffe durch den Pastor nicht mit Dokumenten beweisen können, ist bei solchen Straftaten leider die Norm.

3. Vorwurf: Die gezeigten Dokumente sind gefälscht

Die Rundschau hat von ehemaligen Kirchenmitgliedern einen Memory-Stick mit zahlreichen kircheninternen Dokumenten aus den vergangenen Jahren zugespielt bekommen und diese gesichtet. Die Angaben in den Dokumenten (Zehnten-Zahlungen / Kollekten, etc.) stimmten mit dem überein, was Kirchenmitglieder und Aussteiger der Redaktion über die Kirche berichteten.

Auch haben verschiedene Quellen der Rundschau Angaben auf den Dokumenten bestätigt.

Der Pastor hatte im Interview die Möglichkeit die hohen Einnahmen zu kommentieren. Er hat dabei hauptsächlich darauf verwiesen, dass er mit Geld nichts zu tun habe und die Kirche im Minus sei.

Später hat er dann gesagt, die Kirche spende Geld und komme für einzelne Mitglieder auf. Beides konnte er nicht belegen.

Auszüge aus mehreren Konti belegten später, dass die Kirche nicht im Minus ist.

Die Reporterin hat am Drehort ihre Visitenkarte mit E-Mailadresse und Handynummer hinterlassen und noch am selben Abend eine E-Mail geschrieben, in welcher sie den Pastor bat, die schriftlichen Belege dafür, dass die Kirche im Minus sei und dass die Ausgaben die Einnahmen übersteigen, nachzureichen. Sie räumte ihm dazu eine schriftliche Frist von 5 Arbeitstagen ein. Bis zum Sendetermin, zweieinhalb Wochen später, sind keine Belege eingegangen.

Trotz alledem wurde im Beitrag eine vorsichtige Formulierung gewählt. Es wurde lediglich gesagt, dass der Vorwurf gemacht wird, der Pastor betreibe eine ‘undurchsichtige Buchhaltung’.

4. Vorwurf: Fehlinformation über die Ermittlungen

Hier hat der Beanstander etwas falsch verstanden.

Es handelt sich um zwei verschiedene Verfahren. Einerseits wurde bereits vor Ausstrahlung des Beitrages Strafanzeige gegen den Pastor eingereicht. Dies, wegen Sozialhilfemissbrauchs und Urkundenfälschung.

Andererseits haben nach dem Beitrag die Strafverfolgungsbehörden Ermittlungen aufgenommen wegen möglichen ‘sexuellen Handlungen mit Kindern’. Da es sich hierbei um ein Offizialdelikt handelt, mussten die Behörden, nach Ausstrahlung des Beitrages Ermittlungen einleiten.

Es sind also zwei verschiedene Dinge. Das wurde im Beitrag auch so gesagt.

Abschliessend ist zu erwähnen, dass der Pastor im Rundschau-Beitrag keineswegs vorverurteilt wird. Ganz im Gegenteil wird zum Schluss des Beitrages nochmals betont, dass es bei den Vorwürfen zu sexuellen Übergriffen Aussage gegen Aussage steht.
Im Wortlaut:

<Der Pastor bestreitet kategorisch sämtliche Vorwürfe. Es steht Aussage gegen Aussage. Doch jetzt werden die Behörden ermitteln müssen. Denn sexuelle Handlungen mit Kindern gelten als Offizialdelikt.>

Pastor Williams ist ausserdem in der Funktion als spiritueller Leader und Gründer einer eigenen Internationalen Kirche sehr wohl eine öffentliche Person. Da er weiterhin einen engen Kontakt zu jungen Frauen in seiner Kirche hat, diente der Beitrag der Aufklärung und dem Schutz der weiblichen Gemeindemitglieder von GGMCI.

Fazit: Die Rundschau hat mit der Recherche über Pastor Williams eine wichtige Story publiziert, welche als öffentlicher Hilfeschrei der mutmasslichen Opfer bezeichnet werden kann. Sie wollten mit ihrem Mitwirken dazu beitragen, dass die mutmasslichen Übergriffe des Pastors auf junge und minderjährige weibliche Kirchenangehörige aufhören. Die Reporterin hat jederzeit transparent gearbeitet, wie die angefügten E-Mails dokumentieren. Auch die Recherche war für jedermann nachvollziehbar erzählt, der Pastor wurde mit allen Vorwürfen konfrontiert. Darum sind wir überzeugt, sachgerecht berichtet zu haben, so dass sich das Publikum jederzeit eine eigene Meinung bilden konnte.

In diesem Sinne bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung abzuweisen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Es geht um die Gethsamene Glory Missionary Church[2], eine tamilisch geprägte evangelische Glaubensgemeinschaft mit Sitz in Bern-Bümpliz und mit Ablegern in halb Europa, und es geht zentral um deren Pastor Kumar Williams, der sich Apostel nennt. Ihm werden Vorwürfe wegen finanziellen und wegen sexuellen Verfehlungen gemacht. Davon handelte der beanstandete Beitrag der «Rundschau», den Sie in folgenden zehn Punkten kritisieren:

  • Das Interview mit dem Pastor sei verzerrt wiedergegeben worden;
  • Die Szene mit dem Schlag gegen die Kamera sei entgegen den Zusagen gezeigt worden;
  • Die Kirche liege nicht in einer Tiefgarage;
  • Es gebe keinerlei Beweise für die Vorwürfe gegen den Pastor;
  • Die gezeigten Dokumente seien gefälscht;
  • Nichts sei überprüft worden;
  • Die Ermittlungen seien nicht vor, sondern erst nach der Sendung eingeleitet worden;
  • Die Unschuldsvermutung sei missachtet worden;
  • Der Ruf des Pastors und der Kirche sei durch die Sendung geschädigt worden;
  • Die Sache dürfte gar kein Thema für das Fernsehen sein, weil der Pastor keine öffentliche, sondern eine private Person sei.

Die überwiegende Zahl dieser Kritikpunkte hat Herr Poletti in seiner Stellungnahme überzeugend entkräftet. Nicht behandelt hat er den Punkt mit der Tiefgarage. Diese Aussage in der Sendung war sicher nicht ganz präzise: Die Kirche liegt zwar nicht in einer Tiefgarage, aber, soweit man sieht, in einem entsprechenden Gelände und mit einem Eingang, der über eine Einfahrt führt. Diese Aussage war ein Fehler, aber ein Fehler in einem Nebenpunkt, der nicht geeignet war, die Meinungsbildung des Publikums zu beeinträchtigen.

In einem Punkt hingegen kann ich Ihrer Kritik zustimmen: Obwohl die Vorwürfe gegen Pastor Willams happig sind und obwohl es viele Zeugen und Belege gibt, gilt die Unschuldsvermutung. Sie ist im Beitrag nicht konsequent eingehalten worden. Vor allem der Titel «Tamilen-Prediger im Zwielicht: Missbrauch von Gläubigen» ist zu absolut. Man hätte sagen müssen, dass ihm Missbrauch vorgeworfen wird. In allen anderen Punkten stütze ich Ihre Beanstandung nicht. Die «Rundschau» hatte allen Grund, den Vorwürfen nachzugehen. Eine Kirche ist eine gesellschaftliche Institution. Jeder, der sich ihren Regeln unterwirft, kann ihr beitreten. Sie hat daher Einfluss auf ihre Anhängerinnen und Anhänger. Dadurch werden ihre Handlungen öffentlich relevant: Es geht das Schweizer Publikum etwas an, was eine Kirche auf Schweizer Boden treibt. Die Handlungen der Verantwortlichen im Rahmen der Kirche sind nicht privat. Der Pastor ist durch seine Funktion eine öffentliche Person. Die Recherchen waren daher legitim, ja notwendig, und der Beitrag war in der Art, wie die Geschichte präsentiert wurde, sachgerecht. Und wenn Sie Rufschädigung monieren, dann ist die Ombudsstelle die falsche Adresse: Meine Aufgabe ist es, das Publikum vor Manipulation zu schützen, nicht Einzelpersonen. Die richtige Adresse im Falle von Rufschädigung wäre der Zivilrichter.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/play/tv/sendung/rundschau?id=49863a84-1ab7-4abb-8e69-d8e8bda6c989

[2] www.ggmci.ch

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