«Rundschau»-Beitrag «Geschäft mit dem Hass» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 8. September 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Rundschau» (Fernsehen SRF) vom 4. September 2019 und dort den Beitrag «Geschäft mit dem Hass». [1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Ich schau sonst die Rundschau gerne und habe keine Sympathien für den offenbar rechtsextremen Matratzenfabrikanten aus Bern. Aber diese Rundschau ging zu weit. Woher nehmen sie sich das Recht eine nicht öffentliche Person dermassen durch den Dreck zu ziehen obschon er sich hat rechtlich nichts zu schulden kommen lassen? Es ist offensichtlich dass es hier nur darum ging diese Person persönlich und geschäftlich zu schädigen. Ich sehe kein öffentliches Interesse daran den Namen oder die Machenschaften dieser Person zu kennen. Wir haben weissgott andere Probleme im Land. Ich will bemängeln.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Rundschau» antwortete deren Redaktionsleiter, Herr Mario Poletti:

«Gerne nehmen wir Stellung zum beanstandeten Beitrag ‘Geschäft mit dem Hass’ vom 04. September 2019. Die Beanstanderin fragt, woher wir uns das Recht nehmen, eine öffentliche Person dermassen ‘durch den Dreck zu ziehen’, obwohl sie sich rechtlich nichts habe zu Schulden kommen lassen. Zwar ist richtig, dass Herr Patrick Roth, Geschäftsführer von Roviva, keine Gesetze gebrochen hat. Trotzdem haben wir über ihn berichtet. Roth trägt gerne martialische T-Shirts, er geht an die Grenze dessen, was verboten ist, zum Beispiel mit einem Aufdruck der ‘Schwarzen Sonne’, einem Erkennungszeichen in der rechtsextremen Szene, das aus drei übereinandergelegten Hakenkreuzen besteht.[2]

Roth liess über seinen Anwalt ausrichten, dass er gerne solche T-Shirts trage, aber kein rechtsextremes Gedankengut hege. Die Rundschau fand aber ein Foto, das ihn zusammen mit Vertretern der ‘Kameradschaft Heimattreu’ zeigt, einer militanten Schweizer Neonazi-Gruppe, die Waffen besitzt. Diese ‘Kameraden’ posieren auf anderen Fotos auch mit Hitlergruss.

Wir sind dezidiert der Ansicht , das ist Grund genug, um Patrick Roths politische Ansichten an die Öffentlichkeit zu bringen.

Die Rundschau hat mehrere Versuche unternommen, mit Patrick Roth in Kontakt zu kommen und ihn zu einem Interview zu bewegen. Roth hat das kategorisch abgelehnt. Er hat Anwalt Valentin Landmann beauftragt, seine Ansichten darzulegen. Das hat Landmann getan – mit einem O-Ton im Beitrag und in seinem Acht-Minuten-Livegespräch im Studio. Es war also ausreichend Platz für die Ansichten von Patrick Roth. Valentin Landmann, Roths Anwalt, fand den Rundschau-Bericht übrigens fair und in Ordnung.

Der Rundschau ging es keineswegs darum, Patrick Roth und die Matratzenfabrik Roviva wirtschaftlich zu schädigen. Wir haben auf unserer Online-Seite die Kommentarfunktion nach rund zwei Stunden geschlossen, weil es Aufrufe zum Boykott von Roviva-Matratzen gab. Dem wollten wir keine Plattform bieten. Andere Online-Plattformen haben diese Aufrufe massenhaft veröffentlicht.

Anzufügen ist abschliessend folgendes: Der öffentliche Sturm der Entrüstung zeigt, dass unsere gelebte Demokratie rechtsextremer Ideologie keinen Platz überlassen will. Auch der Spitzenschwinger Curdin Orlik hat sofort die Konsequenzen gezogen.[3] Konsequenzen gezogen hat auch Patrick Roth selber, der sich nach der Berichterstattung aus dem rechtsextremen Label zurückgezogen hat. [4]

Fazit: Mit dieser Recherche hat die Rundschau u.E. nach die ihr aufgetragene Funktion des ‘Wachhundes der Demokratie’ geradezu vorbildlich eingelöst. Die Story war transparent erzählt, Roths Anwalt konnte zu allen Vorwürfen an der Theke Stellung nehmen, das Publikum konnte sich jederzeit eine eigene Meinung bilden. Darum bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung abzuweisen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. In einer rechtsstaatlichen Demokratie gilt die Meinungsäußerungsfreiheit: Jedermann kann denken und sagen, was er oder sie möchte, solange er oder sie anderen damit nicht schadet. Das formulierte schon die Nationalversammlung am Beginn der Französischen Revolution im August 1789 in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Artikel 4: «La liberté consiste à pouvoir faire tout ce qui ne nuit pas à autrui.»[5] Welche Bücher jemand liest, welche Sender jemand sieht, welche Websites jemand besucht, welche Musik jemand liebt, welche Gedanken jemand hegt, welche Meinung jemand äußert, das gehört einerseits zur Freiheit und ist anderseits Privatsache. Die Menschenrechte sind das wichtigste Gut; sie sind noch wichtiger als die Demokratie. Es macht daher stutzig, wenn plötzlich eine Person, die keine Person des öffentlichen Lebens ist, im Fernsehen durchleuchtet wird. Da kann ich Ihre Verwunderung, ja Entrüstung gut verstehen.

Doch: Freiheit ist das Recht, alles zu tun, was anderen nicht schadet. Wir leben einerseits in einer liberalen und toleranten Gesellschaft, aber wir wünschen uns anderseits auch eine wehrhafte Demokratie, die jenen, die sie untergraben und abschaffen wollen, einen Riegel schiebt. Man sollte nicht Herr Biedermann spielen, der die Brandstifter seines eigenen Hauses bewirtet. Wer Gewalt verherrlicht und einübt, um sie dann in Strassenkämpfen gegen die Demokratie anzuwenden; wer Kriegsverbrecher, Schlächter und Völkermörder verehrt und deren Herrschaft zurückwünscht; wer die Meinungsäußerungsfreiheit bis zum Exzess ausnützt, um sie dann eines Tages abzuschaffen, der hat den Anspruch auf Toleranz und Schutz verwirkt. Neonazis verachten die Demokratie und die Toleranz. Es gehört daher zur vornehmen Aufgabe der Medien, ihr Treiben zu entlarven. Genau das hat die «Rundschau» im von Ihnen beanstandeten Beitrag parallel zum «Tages-Anzeiger» gemacht. Bei solchen Seilschaften, Gewaltverherrlichungen und Provokationen muss die Privatsphäre zurücktreten; diese Machenschaften sind von öffentlichem Interesse und von öffentlicher Relevanz. Und zweifellos ist der Geschäftsführer von Roviva, Patrick Roth, ein Mitläufer und Anhänger dieser Ideen, da mag es Rechtsanwalt Valentin Landmann noch so sehr verharmlosen. Die Reportage war nötig und sie war wichtig. Deshalb kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/braune-faeuste-rechtsextreme-kampfsportler-im-angriffsmodus?id=08a27ff1-3df0-430e-9ae6-4e936ef8b2c4

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Sonne

[3] https://www.blick.ch/news/schweiz/bern/ich-verurteile-jegliches-rechtsextremes-gedankengut-schwinger-curdin-orlik-wendet-sich-von-sponsor-roviva-ab-id15503124.html

[4] https://www.srf.ch/news/schweiz/roth-ist-raus-matratzen-fabrikant-zieht-sich-aus-rechtsextremen-label-zurueck

[5] https://www.elysee.fr/la-presidence/la-declaration-des-droits-de-l-homme-et-du-citoyen

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