Grosses Drama im Krimi

Die Drama-Krimi-Serie «Wilder» begeisterte Publikum und Kritikerinnen. Im Januar startet die zweite Staffel. Was ist dieses Mal anders – und warum macht «Wilder» überhaupt so süchtig?

Es dauert dieses Mal keine Minute, bis Schüsse fallen. Man hört sie nur. Hört sie mit den Pferden, die auf einer Weide grasen, unruhig ihre Ohren spitzend, nervös grummelnd, mitten in die Dunkelheit horchend. Danach liegen drei Tote auf weichem Grasboden und ein junger Mann kann sich aus dem Kofferraum eines Autos befreien. Wir sind mitten im Jura, bei Mooren, Teichen, Nadelbäumen, Kalkfelsen, in Schluchten und auf Hochebenen. Schön und geheimnisvoll ist diese Natur – wie schon auf dem Urner Boden, wo die erste Staffel von «Wilder» spielte. Dorthin wollte man aber nicht direkt wieder zurück, erzählt SRF-Redaktorin Bettina Alber: «Gleich ein weiterer grosser Fall im kleinen Dorf in den Bergen – das wäre nicht glaubwürdig gewesen.»

Die erste Staffel von «Wilder» war ein grosser Erfolg – beim Publikum (jede Folge hatte weit über eine halbe Million Zuschauer) sowie bei den Kritikerinnen und Kritikern. Sie war ein Experiment: die erste Krimiserie in der Schweiz, die rein horizontal erzählt wurde. SRF hatte noch keine Erfahrung damit, auch die Drehbuchautoren nicht – und es würde aufwändig werden, auch teuer. Aber spätestens bei der Ausstrahlung der letzten Folge war vorhersehbar, dass es weitere Staffeln geben würde – in der ganzen Deutschschweiz rätselten Bürogemeinschaften mit und Kritiker wünschten sich nach dem verblüffenden Ende eine Fortsetzung.

Eine uniformierte Polizistin, ein uniformierter Polizist und in der Mitte Sarah Spahle als Rosa Wilder
Nach dem verblüffenden Ende endlich die Fortsetzung. Kommissarin Rosa Wilder ist zurück.

Was den Erfolg ausmachte, kann selbst die Serienchefin von SRF nicht genau benennen. Da war so vieles, das am Schluss einfach stimmte. Sie erwähnt die authentische, lokale Geschichte, die in den Bergen angesiedelt war, und bei der es um Verlust ging, um Heimat und Familie – und die trotzdem nie vorhersehbar oder gar kitschig war. Sie erwähnt auch die intensiven Landschaftsbilder, die eine für die Schweiz neue Ästhetik einführten, eine mit Sogwirkung. Sie erwähnt die eigenwilligen, spannenden Figuren und die überzeugenden Schauspielerinnen und -spieler, die sie verkörperten. Die Zeit, in der sich die Geschichte entfalten konnte, was Tiefe ermöglichte. Und schliesslich die Geheimnisse: «Es war wirklich faszinierend, wie die Leute miträtselten, manche schickten uns Fotos von Flipcharts, auf denen sie ihre Überlegungen skizzierten.»

Exklusive Vor-Premiere von «Wilder 2»

Läuten Sie das neue Jahr mit Hochspannung ein: Am 4. Januar 2020 zeigt SRF im Fernsehstudio Zürich die erste Episode der 2. Staffel von «Wilder» - noch vor dem offiziellen Start. Tickets für diese Premiere gibt es fürs Anwerben von Neumitgliedern bzw. für Neumitglieder, die sich vor dem 18. Dezember anmelden: Anmeldetalon

Als klar war, dass «Wilder» eine Fortsetzung finden würde, überlegte man sich, was die Essenz der Serie sei, worauf man nicht verzichten dürfe. Und wusste bald: Die beiden Hauptfiguren Rosa und Kägi mit ihren Vorgeschichten sowie die Landschaft mit ihrer starken Ausstrahlung als eine Art dritte Hauptdarstellerin. «Und schliesslich gehört das Eintauchen in einen Mikrokosmos zu ‹Wilder›», sagt Bettina Alber: «Deshalb spielt die zweite Staffel wieder an einem abgeschiedenen Ort voller Geheimnisse, gedreht wurde dieses Mal im Jura. Dort entfaltet sich das neue Drama, bei dem Fragen nach Identität, Herkunft und Familienzusammengehörigkeit eine wichtige Rolle spielen.»

Sarah Spahle als Kommissarin Rosa Wilder kniet neben einer Leiche auf der ein Schild mit der Nummer 3 platziert ist.
Neues «Wilder»-Drama: Wer ist - oder war - Nummer 3?

Für die Geschichte verantwortlich ist wie schon bei der ersten Staffel ein Autorenteam rund um den Zürcher Dokumentarfilmer Béla Batthyany. Die «Wilder»-Premiere war zwar Batthyanys Serien-­Premiere. Nicht neu war für ihn aber das Wissen darum, was ein gutes Drama ausmacht. Er sagt es so: «Ein Sumpfgebiet aus Geschichten, Konflikten und Geheimnissen, die uns emotional mitreissen.» Und er sagt es auch so: «Etwas vom Wichtigsten sind starke Figuren – und stark sind sie, wenn sie Schwächen haben. Dann können wir uns mit ihnen identifizieren, weil wir diese Schwächen selber kennen. Wenn wir eine Figur kennenlernen, die ihre Probleme zu überwinden versucht, entwickeln wir Empathie und damit Nähe zu ihr. Das hilft, um in die Geschichte einzutauchen.» Dabei spiele es nicht so sehr eine Rolle, ob eine Figur sich von unsympathisch zu sympathisch entwickle oder umgekehrt: «Wenn du den Weg nachvollziehen kannst, nimmt es dich mit.»

Auch Regisseur Pierre Monnard hatte bei den Vorbereitungen zu «Wilder» und beim Drehen immer mehr das Drama vor Augen als den Krimi, «auch wenn es Tote gibt. Denn es geht viel mehr um diese Menschen mit ihren komplexen Persönlichkeiten, um ihre Qualitäten und Schwächen – um ihr Menschsein letztlich.»

«Wilder 2» – die Story

Gleich mit drei Toten auf einmal bekommt Rosa Wilder es zu tun. Im Morgengrauen wird sie an einen abgelegenen Tatort im Jura gerufen. Die Opfer verbindet wenig, ausser, dass sie am Vorabend beim Jubiläumsfest der ortsansässigen Sägerei waren. Und auch ein unverhofft auftauchender Zeuge des Verbrechens bringt kein Licht in die Ermittlungen. Stattdessen kehrt mit ihm ein Teil aus Rosas Vergangenheit zurück, die sie so gerne hinter sich lassen würde. Tief dringt Rosa auch diesmal in die Geheimnisse einer abgeschiedenen Welt ein.

Einer der grossen Unterschiede zwischen einer Dramaserie und einem Spielfilm oder einem 90-minütigen Krimi ist: Man hat in rund sechs Stunden Geschichte die Möglichkeit, den Figuren richtig nahe zu kommen – das macht die Trennung dann auch so schmerzvoll, wenn eine Serie zu Ende ist. Am Ende der ersten Staffel von «Wilder» notierte eine Kritikerin: «Ich heule. Ich weiss nicht, ob es daran liegt, dass ‹Wilder› quasi vor meiner Haustüre spielt, die Protagonisten Dialekt sprechen oder daran, dass ich in Rosa eine Freundin und Verbündete sehe.»

Es liegt an beidem, würde Béla Batthyany sagen: «Geschichten, die sich in einer Umgebung abspielen, die wir selber kennen, interessieren uns mehr als solche, die anderswo angesiedelt sind. Emotional berührt werden wir aber von universellen Inhalten, die uns überall ergreifen, egal ob hier, im US-Bundesstaat Nevada oder in Kopenhagen. Dieses Erfolgsrezept erkannten vor rund zehn Jahren auch die Macher der skandinavischen Krimiserien, die den weltweiten Serienboom massgeblich mitprägten.»

Mann wehrt sich gegen Festnahme von einer Schweizer Polizistin und einem Schweizer Polizisten.
Lokale Storys wie «Wilder» kommen gut an. Szene aus der neuen Staffel.

Die Vergangenheit ist plötzlich mit voller Wucht im Jetzt. Das war in der ersten Staffel so – und die Vergangenheit bestimmt das Geschehen auch in der zweiten. «So etwas kannst du nur schreiben, wenn du in Schwingung bist mit deinem eigenen Leben. Es hilft beim Schreiben, wenn dir etwas vertraut ist – bei mir ist es beispielsweise die Frage, wie eine Familie mit einem Geheimnis lebt, wie sie es nach aussen trägt oder umgekehrt: wie sie es verdrängt», sagt Autor Béla Batthyany, dessen Bruder Sacha schaurige Ereignisse in der eigenen Herkunftsfamilie recherchierte und die Auseinandersetzung damit literarisch publizierte. Das Buch war 2016 für den Schweizer Buchpreises nominiert.

Bettina Alber lobt das Einfühlungsvermögen und das tiefgreifende Interesse der Drehbuchautoren an Zusammenhängen: «Sie wollen verstehen, warum Menschen tun, was sie tun. Das fasziniert auch mich am Geschichtenerzählen: sich auf Figuren einzulassen, um zu verstehen, was uns antreibt und was unserem Handeln zugrunde liegt.»

Dieses Interesse durchdringt «Wilder» von Anfang bis zum Schluss; es ist ein Boden, auf dem sie alle gemeinsam stehen. Und weil sie jetzt schon in zweiter Runde zusammenarbeiten, bauen die Autoren, die Hauptdarstellerinnen und -darsteller, der Regisseur, die Redaktion, die Produzenten und ein grosses Team auf einer gemeinsamen Erfolgsgeschichte auf, die ihnen erlaubt, selbstbewusst weiter zu experimentieren. Nach «Wilder 2», so viel sei verraten, wird es auch «Wilder 3» und «Wilder 4» geben – mit weniger langen Pausen dazwischen.

«Wilder 2» – der Start

  • Die zweite Staffel von «Wilder» startet am Dienstag, 7.1. 2020 um, 20 Uhr auf SRF 1 und läuft bis 11.2.2020.
  • Anschliessend sind alle Folgen noch bis am 11.3.2020 auf Play SRF verfügbar.
  • Wiederholung der ersten Staffel: 26.12. und 28.12. ab ca. 23 Uhr auf SRF 1 (jeweils drei Folgen).
  • Alle Folgen der ersten Staffel werden auch auf Play SRF verfügbar sein.

Text: Esther Banz

Bild: SRF

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