Radio SRF 1-Sendung «Zambo macht mit beim Zukunftstag» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 15. November 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Zambo macht mit beim Zukunftstag» (Radio SRF 1) vom 14. November 2019.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Herr gabriel crucitti sagte folgendes: Wer schon ‘GIGGERIG’ ist was die Kinder im Studio erlebt haben... Wenn man das Wort Giggerig im Mundartwörterbuch nachschlägt bedeutet es GEIL. Also übersetzt: wer schon GEIL darauf ist zu erfahren was die Kinder im Studio erlebt haben... Die Hörerschaft von Zambo sind Kinder von 7 bis max. 15. Die Wortwahl gehört sich nicht denn es ist sexistisch und die meisten Kinder wissen wahrscheinlich gar nicht was das heisst oder bedeutet: Herr Gabriel Crucitti hatte auch in früheren Sendungen totale ‘Wortentgleisungen’. Für mich ist er für die Kindersendung nicht tragbar.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «Zambo» antwortete Herr Christoph Aebersold, Bereichsleiter Familie:
«Mit Mail vom Freitag, 15. November 2019 beanstandet X eine Moderation in der Sendung ‘Zambo’ von Radio SRF 1 vom 14. November 2019. Dazu nachfolgend unsere Stellungnahme:
1. Inhalt der Radiosendung
Die tägliche Kindersendung ‘Zambo’ bei Radio SRF 1 richtet sich im Kern an ein Publikum zwischen
7 und 12 Jahren. Die Sendung zeichnet sich dadurch aus, dass sie inhaltlich stark von Kindern geprägt wird. Die Redaktion erarbeitet den grössten Teil der Inhalte gemeinsam mit Kindern aus der Online-Community, Schulklassen oder Gruppen von Freundinnen/Freunden.
Am Nationalen Zukunftstag 2019 gestalteten zehn Kinder, die sich vorgängig angemeldet hatten, das Programm. Sie erhielten während ihres mehrstündigen Besuchs einen Einblick in die Radio- und Medienberufe, konnten Interviews führen, Themen recherchieren, Beiträge machen und am Abend live in der ‘Zambo’-Sendung dabei sein und Gabriel Crucitti beim Moderieren unterstützen.
2. Beanstandung
Herr X beanstandet in seinem Mail das Wort ‘giggerig’ in einem kurzen Live-Interview von Moderator Gabriel Crucitti mit einem Kind im Studio. Der Junge erzählt in der Sequenz davon, was er mit seinen Kameradinnen/Kameraden heute alles erleben konnte. Gabriel Crucitti fragt spontan nach: <Wer schon ‘giggerig’ darauf ist, wo kann man jetzt schon sehen, was Ihr gemacht habt?>
Der Beanstander bemängelt diese Wortwahl, weil das schweizerdeutsche Wort ‘giggerig’ gleichbedeutend mit dem Wort ‘geil’ ist. Das Wort sei sexistisch, die meisten Kinder wüssten wahrscheinlich nicht, was es bedeute. X beurteilt Gabriel Crucitti aufgrund dieser und früherer Wortentgleisungen als Moderator für die Kindersendung als nicht tragbar.
3. Stellungnahme
Wir bedanken uns für die kritische Auseinandersetzung von Herrn X mit unserer Sendung. Ausdrucksweise und Wortwahl sind für uns wichtige Kriterien in der Qualitätssicherung. So führen wir für alle Sendungen regelmässig sogenannte ‘Airchecks’ und ‘Monitorings’ durch: Interne oder externe Fachpersonen analysieren die Einhaltung der konzeptionellen Vorgaben und besprechen ihre Eindrücke mit dem Moderator oder der Moderatorin. Zusätzlich gibt es an der Redaktionssitzung fast täglich Feedback-Einschübe zu Inhalten der letzten Sendung oder der aktuellen Online-Artikel. Hinzu kommen tägliche Rückmeldungen durch die Teamleiterin oder Kolleginnen/Kollegen.
Dieser kontinuierliche professionelle Austausch ist ein wichtiger Bestandteil des internen Qualitätsmanagements, da in der Live-Moderation – anders als bei redaktionellen Beiträgen – keine redaktionelle Endabnahme erfolgen kann. Während jeder Beitrag vor der Ausstrahlung von einer Zweitperson beurteilt und kontrolliert wird, ist ein Moderator oder eine Moderatorin in der Live-Situation auf sich gestellt. Moderatorinnen/Moderatoren müssen Situationen aufgrund ihres handwerklichen Könnens, ihrer Erfahrung und ihrer Aufmerksamkeit beurteilen. Nicht immer entspricht die spontan gewählte Reaktion im Nachhinein den eigenen Vorstellungen resp. der von Zuhörerinnen/Zuhörern.
Im vorliegenden Fall hat Moderator Gabriel Crucitti sehr spontan eine Frage an seinen Studiogast gestellt, das Wort ‘giggerig’ ist ihm dabei herausgerutscht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gespräch nicht nur live war, sondern auch unter ungewöhnlichen Bedingungen stattfand. Solche Kurzinterviews zum Stundeneinstieg einer Sendung sind eher ungewöhnlich und erfordern zusätzliche Konzentration im sogenannten ‘Fahren’ (technische Bedienung des Studiopultes, Zusammenspiel von akustischen Elementen und Signeten, Ablauf-/Zeitmanagement) – insbesondere, wenn zehn neugierige Kinder um einen herumstehen.
Wir nehmen uns bei «Zambo» vor, eine altersgerechte Sprache zu verwenden, die von Kindern verstanden wird. Uns ist auch wichtig, dass die Moderatorinnen/Moderatoren am Mikrofon eine alltagstaugliche Umgangssprache sprechen und authentisch sind. Wir kommunizieren mit Kindern auf Augenhöhe. Schwierige Ausdrücke und Fremdwörter versuchen wir zu vermeiden, ebenso natürlich Derbheiten. Eine ‘schwarze Liste’ für Wörter gibt es aber nicht, Unsicherheiten und Auffälligkeiten werden untereinander und mit Expertinnen/Experten im Haus diskutiert.
Wie Herr X schreibt, wird die Bedeutung des Worts ‘giggerig’ in Mundartwörterbüchern mit ‘geil’ angegeben. ‘Geil’ wiederum bedeutet ‘erregt’, «’exuell fordernd’, in der Jugend- und Umgangssprache seit Jahren auch ‘hervorragend’ oder ‘besonders neugierig’. Selbstverständlich gehört ‘giggerig’ nicht zu den vornehmen oder gepflegten Ausdrücken. Menschen, die oft mit unterschiedlichen Kindern zu tun haben, z.B. Lehrpersonen, werden X jedoch bestätigen können, dass von vielen 7- bis 12-Jährigen im Alltag deutlich explizitere Begriffe verwendet werden als ‘giggerig’. Dadurch soll die Verwendung des Ausdrucks in einer Kindersendung natürlich keineswegs legitimiert, aber allenfalls relativiert werden. ‘Giggerig’ gehört jedoch nicht zum erwünschten ‘Standardrepertoire’ unserer Moderatorinnen/Moderatoren.
Die Einschätzung von Herrn X, das Wort ‘giggerig’ sei sexistisch, können wir nicht nachvollziehen. Mit Sexismus wird die Diskriminierung von Menschen aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Neigung bezeichnet. Wir können nicht erkennen, dass die Bedeutung des Worts ‘giggerig’ im Grundsatz auf eine solche Herabwürdigung abzielt. Allenfalls ist das auch abhängig vom Kontext, in dem das Wort verwendet wird. In der oben beschriebenen Situation können wir Sexismus nicht erkennen.
Auf den Vorwurf, Gabriel Crucitti hätte <auch in früheren Sendungen totale ‘Wortentgleisungen’> gehabt, können wir nicht eingehen, da wir nicht wissen, worauf sich X bezieht. Dass Gabriel Crucitti als Moderator für eine Kindersendung nicht tragbar sein soll, weisen wir aufgrund seiner fachlichen Kompetenzen zurück. Neben einer Moderationsausbildung verfügt Gabriel Crucitti auch über einen fundierten pädagogischen Hintergrund.
4. Fazit
Wir nehmen zur Kenntnis, dass Herr X sich an der Verwendung des Worts ‘iggerig’ in der Kindersendung ‘Zambo’ von Radio SRF 1 stört. Wir respektieren, dass er der Meinung ist, es gehöre sich nicht, ‘giggerig’ in einer Kindersendung zu benutzen. Aus unserer Sicht ist die Verwendung des Wortes aufgrund des oben beschriebenen Sachverhalts als Missgeschick und nicht als Entgleisung zu werten. Dies bestätigt auch ein nachträgliches Gespräch mit Gabriel Crucitti, in dem die beanstandete Moderation und Wortwahl besprochen wurde. Der sorgfältige Umgang mit der Sprache geniesst bei ‘Zambo’ einen hohen Stellenwert, die altersgerechte Ansprache von Kindern stellt ein zentrales Element unserer Moderationsrichtlinien dar. Sexuell konnotierte und derbe Begriffe werden vermieden. Wir bedauern, Herr X durch die spontane und unbedachte Verwendung des Wortes ‘giggerig’ dermassen verärgert zu haben.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Der Ausdruck «giggerig» gehört tatsächlich schon eher zu den Tabuwörtern der deutschen Sprache. Er bedeutet «lüstern», «geil». Aber das gilt nicht für jeden Dialekt. Im Berndeutschen beispielsweise hat das Wort eher die Bedeutung von «begierig», «ungeduldig», «spitz», und es kommt ja nicht von ungefähr, dass Polo Hofer 1985 auch einen Song, den er im Duett singt, «Giggerig» genannt hat – ein Song übrigens, der, wie Gregi Sigrist in seinem Musik-Blog darlegte, eine amerikanischen Vorlage hat, geschrieben von Margaret Lewis und Myra Smith, erstmals 1969 gesungen von Peggy Scott und Jo Jo Benson.[2] «Giggerig» ist im Berndeutschen also durchaus gängig. Ob es auch im Bündner Dialekt der Fall – der Moderator stellt ja die Frage auf Bündnerdeutsch -, entzieht sich meiner Kenntnis. Klar ist jedenfalls, dass das Wort «giggerig» in Teilen der Schweiz zur Alltagssprache gehört. Ich begrüsse aber Ihren Hinweis dennoch, denn er hilft, die Sprachqualität zu fördern. Und ich muss der Redaktion ein Kränzchen winden dafür, wie sorgfältig sie mit der Sprache umgeht – von spontanen «Ausrutschern» mal abgesehen. Ich bleibe daher gegenüber Ihrer Beanstandung neutral und lasse es beim Wunsch bewenden, dass der sorgfältige Umgang mit der Sprache auch in der Zukunft Bestand haben möge.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/sendungen/zambo/einen-tag-lang-bei-zambo-arbeiten
[2] https://www.srf.ch/radio-srf-3/musik/musik-blog/die-story-hinter-dem-titelsong-von-die-goettliche-ordnung
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