«Mona mittendrin – bei der Berufsfeuerwehr» beanstandet V

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Mit Ihrer E-Mail vom 17. November 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Mona mittendrin – bei der Berufsfeuerwehr» (Fernsehen SRF) vom 14. November 2019.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Das Sterben eines Menschen öffentlichen zu Thematisieren und zu zeigen, ist verwerflich, gehört sicher nicht zum Service Public von SRF und ist auch mit den Richtlinien von SRF nicht kompatibel, da das Sterben schon vor der Sendung in der Öffentlichkeit bekannt wurde, dient alleine den Quotenbolzerei. Zudem wurden ja die Angehörigen nicht kontaktiert, ebenfalls wurde für das Austrahlen kein Erlaubnis eingeholt und die Angehörigen wurden erst mit Sendung v.14.11.2019 ins Bild gesetzt. Trotz verpixeln war eine Hand ersichtlich, wenn das Fernsehen die Sendung nicht gezeigt hätte, wäre nicht am folgenden Tag, also am Freitag den 15.11.2019 der Verstorben mit Namen und Bild im Blick erschienen. Das was da das Schweizer Fernsehen mit der Sendung geboten hat ist Schmuddel-Journalimus. Kommt einfach nicht auf die Idee mir weiszumachen, zu sagen, es gäbe auch noch Knöpfe zum aus - oder abzustellen, das wäre unterste Schublade und als Serafe - Mitglied, erwarte ich Ethisch und Moralische - Sendungen und solche die die Menschen verletzen.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «Mona mittendrin» äußerte sich Herr Daniel Pünter, Bereichsleiter DOK und Reportagen:

„Gegen die Publikation der Sendung ‘Mona mittendrin – Bei der Berufsfeuerwehr’ gingen nach einer öffentlichen Debatte mehrere Beanstandungen ein. Im Fokus der Kritik steht eine Szene der Sendung, die von gewissen Medien, Experten und Beanstandern als unpassend, reisserisch oder unprofessionell bezeichnet wurde.

Gerne nehmen wir wie folgt Stellung zur Beanstandung von Herrn X:

Auch Herr X ist der Ansicht, dass es verwerflich sei, eine sterbende Person zu zeigen, was den Publizistischen Leitlinien von SRF widerspräche. Zudem kritisiert er, dass eine Hand unverpixelt zu sehen war und der Schutz der Identität des Verstorbenen dadurch nicht gewährleistet worden sei. Insgesamt sei das ‘Schmuddeljournalismus’.

Die Sendung ‘Mona mittendrin’ taucht immer wieder in Milieus und Situationen ein, die zwar alltäglich, aber einem breiten Publikum nicht bekannt sind. Die Reporterin Mona Vetsch versucht, solche unbekannte Welten erlebbar zu machen, indem sie in der Regel während drei Tagen selber am Ort des Geschehens ist, ihre Erfahrungen kommentiert und reflektiert. Relevante gesellschaftliche Fragen, die sie beschäftigen, nimmt sie auf und vertieft diese, indem sie mit anwesenden Personen spricht und nachfragt.

Die Macher dieser Folge legten ihren Fokus auf die Berufswelt der Feuerwehr Basel. Sie verfolgten mit der Sendung das Ziel, dank dieser Reportage dem Publikum den Alltag der Feuerwehrleute näher zu bringen. Das Publikum erlebt und sieht, dass die Organisation nicht nur hilft und kommt, wenn es brennt oder Bergungsarbeiten anstehen, sondern auch dann, wenn es nur vermeintlich brennt oder ein Storch nicht mehr fliegen kann. Die Reporterin war bei verschiedenen Einsätzen dabei und unterhielt sich mit verschiedenen Feuerwehrleuten über ihren Beruf, ihren Alltag und belastenden Situationen.

Wie üblich Wie üblich stellte SRF interessierten Medien rund zwei Wochen vor Ausstrahlung eine Arbeitskopie der Sendung inkl. Pressetext zur Verfügung – mit dem Hinweis, das Videomaterial sei vertraulich zu behandeln und dürfe nicht weiterverbreitet werden. Diese Praxis ist üblich bei grösseren Produktionen von SRF (fiktionale und dokumentarische Filme, Serien etc.), weil Medien interessiert daran sind, vorab darüber zu berichten.

Noch bevor die Sendung ‘Mona mittendrin – bei der Berufsfeuerwehr Basel’ am 14.11.2019 fertiggestellt war und ausgestrahlt wurde, erschien in der Zeitung ‘Blick’ und auf ‘blick.ch’ ein Bericht mit einer aufwühlenden Schlagzeile: <Mann stirbt vor laufender SRF-Kamera>. Aus medienethischer Sicht wird klar suggeriert: Hier begeht SRF einen Sündenfall. Denn am Fernsehen zu zeigen, wie jemand vor laufender Kamera stirbt wäre wahrlich eine Ungeheuerlichkeit. Auch inner- und ausserhalb der Schweiz fand diese Schlagzeile rasch gierige Abnehmer: <Mann stirbt während Sendung im Supermarkt>, titelte ‘L’Essentiel’, das Luxemburger Schwesterblatt von ‘20 Minuten’. Der deutsche ‘Focus’ notierte <Tödlicher Einsatz vor laufender Kamera>. Noch vor der Publikation wurden Kommentare abgegeben und Meinungen geschaffen.

Illustriert wurde die ‘Blick’-Story <Mann stirbt in der Sendung von Mona Vetsch> mit unautorisierten Einzelbildern, die unerlaubterweise aus dem Ansichtsvideo verwendet wurden. Die Sendung wurde nochmals leicht überarbeitet und wie geplant am Abend des 14. November 2019 auf SRF1 und im Internet publiziert. Die Mediengeschichte drehte weiter: <SRF entschärft nach Blick-Artikel Sterbeszene>. Trotz der ‘Entschärfung’ erachtete die Zeitung die Szene immer noch als ‘schwer erträglich’ und fragte rhetorisch, darf man das?

Eine von vielen wichtigen Fragen, die wir uns auch bei dieser Sendung stellten: Warum berichten wir? Wie berichten wir? Für wen? Darf SRF eine Szene zeigen, die darstellt, wie Feuerwehr und Rettungssanität ihr Bestes geben, einen Mann zu reanimieren, obwohl er zuvor längere Zeit reg- und leblos in einer öffentlichen Toilette lag? Werden da Publikum und Angehörige mit schockierenden Bildern konfrontiert? Hätte das Einverständnis der Angehörigen unbedingt eingeholt werden müssen? Werden Würde oder Persönlichkeitsrechte verletzt?

Die Macher der Reportage (Kameramann, Ton, Reporterteam) entschieden sich während der Dreharbeiten, den Einsatz der Feuerwehrleute zu dokumentieren. Sie trafen in Basel auf einen Mann, der seit längerer Zeit mit einem Herz-Kreislaufstillstand leb- und reglos in einer öffentlichen Toilette eingeschlossen war. Die Szene ist in unseren Augen wichtig, sie ermöglicht nämlich, den Feuerwehralltag in all seinen Facetten darzustellen. Dazu gehören auch belastende Situationen.

Der Kameramann drehte die Szene zurückhaltend und wählte eine Kameraposition, welche die Anonymität des Mannes gewährleistete und den Fokus auf die Reporterin und die Feuerwehrleute lenkte. Er anonymisierte bereits auf dem Schauplatz, indem er bewusst darauf verzichtete, Gesicht oder besondere Merkmale des verstorbenen Mannes zu drehen. Dies aus Respekt vor dem toten Menschen.

Die Identität des Verstorbenen war vor Ort niemandem bekannt, weder dem TV-Team noch den Anwesenden, darunter die Feuerwehr und Sanität. Das TV-Team fragte nach dem Dreh, um wen es sich bei der verstorbenen Person gehandelt habe, um allenfalls Kontakt mit den Angehörigen aufzunehmen. Aus Datenschutzgründen (Schutz der Privatsphäre) verzichteten die Behörden auch nach dem Ereignis darauf, nähere Angaben zur verstorbenen Person zu machen. Selbst das Medienreferat des Justiz- und Sicherheitsdepartementes der Stadt Basel erhielt keine Angaben zur Identität der Person.

Im Schnittraum schliesslich haben Editor und Produzent der Sendereihe sorgfältig abgewogen, wie auf Ton- und Videospur die Szene dargestellt werden sollte. Der Fokus blieb vorwiegend auf der Reporterin und den Feuerwehrleuten/Sanitätern.

Mittels eines Filters mit optischer Unschärfe (der sogenannten Verpixelung) wurden sichtbare Körperteile, ausser der Hand, des Verstorbenen anonymisiert und der Realität entrückt. So wurde in der Postproduktion erreicht, dass die Identität des Verstorbenen weder für Angehörige oder Bekannte erkennbar ist. Das Gesicht der verstorbenen Person war auf keinem der Bilder zu sehen und musste später auch nicht bearbeitet oder verpixelt werden.

An der Sendung haben mehrere Personen mitgearbeitet und nach der Fertigstellung wurde sie von Sendeverantwortlichen kritisch betrachtet. Die Rechtsabteilung wurde in die Entscheidungsfindung eingebunden.

Die Würde des verstorbenen Mannes wurde aus Sicht von SRF durch die zurückhaltende und anonymisierende Darstellung (auf der Bild- und Tonebene) respektiert und dessen Identität ausreichend geschützt. Mit den Betroffenen vor Ort (Sanität, Feuerwehr und Polizei) wurde der Dreh und die Umsetzung sorgfältig abgesprochen.

SRF ist auch im Nachhinein der Meinung, dass die Szene sachgerecht und angemessen aufbereitet wurde. Auf der Bild- und Tonspur wird bezüglich Form und Dauer der Szene die Realität weder dramatisiert noch verharmlost. Die Würde des Verstorbenen wurde nicht verletzt, seine Identität geschützt.

Die ‘Blick’-Redaktion setzte sich zum Ziel, die Identität des Verstorbenen herauszufinden. Sie wollten den Verstorbenen (<Das ist der Tote von SRF>). an die Öffentlichkeit bringen, was ihnen aufgrund ihrer eigenen Recherche gelang. Die ausgestrahlten Bilder lassen keine Rückschlüsse auf die Identität des Verstorbenen zu.

Warum ‘Blick’ den in der betreffenden Szene nicht identifizierbaren Mann mit vollem Namen, Bild und Lebensgeschichte ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit rückte, ist für uns nicht nachvollziehbar. Bild und Name erlauben es zwar, diese Geschichte stärker zu personalisieren und emotionalisieren: <Das ist der Tote von SRF> und <SRF-Star starb vor laufender Kamera> waren die weiteren Schlagzeilen. Aber ein öffentliches Interesse an der Identität bestand aus unserer Sicht nicht. Den verstorbenen Mann als SRF-Star zu bezeichnen, sei zwar etwas übertrieben gewesen, meinte Christian Dorer später, aber die Veröffentlichung der Identität durch seine Zeitung legitimierte der Chefredaktor der Zeitung ‘Blick’ trotzdem. Mit dem Argument, dass der Verstorbene vor Jahren in zwei TV-Sendungen aufgetreten sei: als Waldmensch und als Single auf Partnersuche.

‘Blick’-Journalisten konfrontierten noch vor der Ausstrahlung der Sendung die unwissende Schwester des Verstorbenen. Sie erzählten ihr die Geschichte, dass SRF-Kameras gefilmt hätten, als ihr Bruder starb, und dass die Bilder ihres sterbenden Bruders noch am gleichen Abend auf SRF gezeigt würden. Niemand wundert sich, dass sich die Schwester über SRF und die Sendung empörte und schockiert zeigte.

SRF bedauert diese Entwicklung der Geschichte. Die Schwester des Verstorbenen wurde ungewollt an die Öffentlichkeit gezerrt und als Katalysator der Empörung missbraucht. SRF hat seine Verantwortung wahrgenommen und der Produzent und Mona Vetsch haben sich nach der Publikation der Identität des Verstorbenen umgehend bei der Schwester gemeldet. Sie entschuldigten sich bei ihr und erklärten ihr die Beweggründe ihres Handelns. Die Schwester zeigte Verständnis und beklagte sich, sie sei von den ’Blick’-Journalisten überrumpelt worden. Aber als sie dann die Szene und die Sendung gesehen habe, sei sie erleichtert gewesen. Sie fand die Sendung gut umgesetzt und die Darstellung der Szene nicht pietätlos. Aber sie erwähnte auch, dass sie sich gewünscht hätte, dass sie lieber vorgängig informiert worden wäre. Sie sei völlig unvorbereitet mit dieser Geschichte und mit Blick-Journalisten konfrontiert worden.

Nicht nur im ‘Blick’, sondern auch in anderen Zeitungen, Online-Portalen und sozialen Medien wurde debattiert. Die zeitweilig aufgeheizt-empörte Stimmung in der Öffentlichkeit kippte jedoch rasch, nachdem die Sendung ‘Mona mittendrin’ nach der Publikation für alle öffentlich zugänglich war. Die meisten Kommentare fielen ab diesem Zeitpunkt neutral oder positiv gegenüber der Sendung aus. Denn schnell wird den Betrachtenden klar, dass SRF keinen sterbenden Menschen zeigte. Auch aus unserer Sicht hat die Darstellung der Szene das Publikum weder brüskiert noch schockiert. Die Sensibilität der Betrachtenden wurde nicht verletzt. Die Reporterin hat nach der Szene im Gespräch das Erlebte reflektiert und seitens Feuerwehr aufschlussreiche Antworten auf relevante Fragen erhalten.

Auch Medienprofessor Vinzenz Wyss relativierte seine ursprünglich gegenüber ‘Blick’ formulierten Empörung, nachdem er die Sendung gesehen hatte. Er kommentierte auf Twitter, dass er sich vom ‘Blick’ als Alibi-Experte missbraucht fühle. Mit etwas Distanz sei er der Meinung, dass SRF seine Arbeit gut gemacht habe, auch wenn man die Film-Szene in seinen Augen besser kürzer gehalten hätte. <Der Körper des Mannes ist nicht sichtbar, ebenso wenig sein Sterben. Zudem erhält das Publikum keine Informationen zur Identität des Opfers. Zur Sprache kommt aber, wie die Journalistin und die Feuerwehrleute mit Todesfällen umgehen>, konstatiert beispielsweise die «NZZ».

Diego Yanez, ehemaliger Chefredaktor von SRF und Direktor des Medienausbildungszentrum, kritisierte die Sendung, denn sie verletze die Publizistischen Leitlinien von SRF. Diese schreiben vor, dass SRF-Journalistinnen und -Journalisten die Persönlichkeitsrechte zu respektieren haben, insbesondere die Intim- und Privatsphäre der Einzelnen. Im Zusammenhang mit Berichterstattungen über Gewalt, Krieg und Katastrophen verbieten die SRF-Richtlinien, sterbende Menschen zu zeigen (vgl. Ziffer 6.5 publizistische Leitlinien).

Die Szene in der Sendung ‘Mona mittendrin’ ist aber nicht im Umfeld von Gewalt, Verbrechen, Krieg oder Katastrophen anzusiedeln. Sie stellt auch kein Ereignis dar, indem ein Mensch unmittelbar stirbt. Die Leitlinien schliessen aber nicht aus, den Tod oder das Sterben im Fernsehen zu thematisieren. So widerspricht es beispielsweise nicht den Leitlinien, Krebspatienten zu zeigen, die im Sterben liegen. Es ist durchaus auch möglich, Personen zu interviewen, die mit dem eigenen Tod rechnen oder damit konfrontiert sind. Entsprechende Sendungen und Geschichten werden von SRF realisiert. Natürlich unter besonderer Berücksichtigung der Menschenwürde, des Schutzes der Persönlichkeit und der Sensibilität des Publikums.

SRF hat in diesem Fall besonders genau hingeschaut, ob die Darstellung und die Umstände während des Drehs, Gesetz, Konzession oder interne Leitlinien verletzen würden. Betrachtende der Sendung sehen keinen sterbenden Menschen, sondern eine Situation, in der Rettungsleute eine leblose und nicht identifizierbare Person aus einem WC bergen und erfolglos versuchen, diese wiederzubeleben. Einstellungen, auf denen Teile des leblosen Körpers zu sehen gewesen wären, wurden unkenntlich gemacht – bis auf eine Aufnahme, in der eine Hand erkennbar ist.

Es ist unserer Ansicht nach von öffentlichem Interesse zu zeigen, dass die Feuerwehr nicht nur Feuer löscht und Katzen von den Bäumen holt. Sie ist auch immer wieder mit schwierigen Situationen des Alltags konfrontiert, in denen es um Leben und Tod geht. Situationen, die herausfordernd und belastend für die im Einsatz stehenden Leute sein können. Es ist auch relevant zu zeigen, dass Feuerwehrleute in einem solchen Moment versuchen, eine Person zu reanimieren, auch wenn Herz und Kreislauf schon seit längerem stillstehen. Offenbar gehört eine solche Massnahme zu ihrem Alltag und die Reanimation zu ihrer Ausbildung.

Der Chefredaktor von SRF TV, die Rechtsabteilung und ich als Bereichsleiter DOK & Reportage sind der Meinung, dass mit dieser Szene weder Gesetz, Konzession noch Leitlinien verletzt wurden. Die Sendung hat ein relevantes Thema sachgerecht und angemessen aufbereitet, die Würde des Verstorbenen wurde nicht verletzt und die Sensibilität des Betrachtenden nicht tangiert.

Wir nehmen die Debatte und die Kritik aber zum Anlass, unser eigenes Verhalten zu überprüfen. Was hätten wir anders machen können? Würden wir in einer ähnlichen Situation bei der Umsetzung etwas ändern? Hätten wir darauf bestehen müssen, die Angehörigen des Verstorbenen ausfindig zu machen?

Weil die Angehörigen auch nach ausgiebigen Gesprächen mit der Redaktion keinen Grund sehen, die Sendung zu sperren oder zu bearbeiten, bleibt sie im Internet weiterhin abrufbar.

Wir sind der Meinung, die Beanstandung ist abzuweisen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die Serie «Mona mittendrin» hat gesellschaftlich aufklärerischen Charakter. Sie ist darum wichtig. In der hier zur Debatte stehenden Sendung ging es um verschiedene Einsätze der Berufsfeuerwehr Basel.[2] Das Publikum erhielt einen Einblick in die Vielfalt und die unterschiedliche Schwere der Einsätze. Insofern war der Film eine gelungene Sache.

Umstritten sind aufgrund der eingegangenen Beanstandungen nur zwei kurze Szenen: Sieben Beanstandungen kritisieren, dass gezeigt worden ist, wie ein Mann aus einer Toilette geborgen wurde, in der er eingeschlossen war, und wie er erfolglos wiederbelebt wurde. Das Publikum bekam also mit, dass es im Laufe des Einsatzes einen Toten gab. Die achte Beanstandung kritisierte, dass bei einem anderen Einsatz zwei Personen gezeigt wurden, die auf einem Balkon ein Feuer gemacht hatten, ohne dass diese ihr Einverständnis zur Ausstrahlung der Fernsehaufnahmen gegeben hatten.

In den Beanstandungen wird hauptsächlich die Verletzung der Menschenwürde angeprangert (teils mit anderen Worten, die aber darauf hinauslaufen). Die Achtung der Menschenwürde ist in der Tat eine zentrale Norm im Rundfunkrecht. So sagt das Radio- und Fernsehgesetz in Artikel 4, Absatz 1:[3] «Die Sendungen haben insbesondere die Menschenwürde zu achten, dürfen weder diskriminierend sein noch zu Rassenhass beitragen noch die öffentliche Sittlichkeit gefährden noch Gewalt verherrlichen oder verharmlosen.» Von der Menschenwürde spricht auch die dem Gesetz nachgelagerte SRG-Konzession, steht doch in Artikel 3, Absatz 2, das publizistische Angebot der SRG «respektiert die Menschenwürde des Individuums».[4] Auch der Journalistenkodex, den der Schweizer Presserat anwendet, verlangt von den Journalistinnen und Journalisten in Ziffer 8, dass sie die Menschenwürde respektieren [5], und in den dazugehörigen Richtlinien wird dies in den Punkten 8.1., 8.3. und 8.5. noch verdeutlicht.[6]

Von der Menschenwürde gehen auch die «Publizistischen Leitlinien» von Radio- und Fernsehen SRF aus, wenn sie in verschiedenen Punkten von der Intim- und Privatsphäre reden und angeben, was sich daraus ableitet.[7] So hält Ziffer 6.1. grundsätzlich fest, dass die Journalistinnen und Journalisten von SRF die Persönlichkeitsrechte respektieren, «insbesondere die Intim- und Privatsphäre des Einzelnen». In Ziffer 6.5 steht:

«(...) Schockbilder von Unfall- oder Katastrophenstellen und Aufnahmen von Handlungsunfähigen (z.B. Verletze oder Kranke) oder Urteilsunfähigen greifen in die Intim- und Privatsphäre ein. Besteht ein öffentliches Interesse, sind Einzelheiten mit Betroffenen, Angehörigen oder Verantwortlichen vorher abzusprechen.

Bilder von Toten, die erkennbar sind, werden nicht publiziert. (...)»

In Ziffer 8.1., die sich mit Gewaltdarstellungen befasst, heißt es überdies: «Wir zeigen keine sterbenden Menschen und von Toten kein erkennbares Gesicht.»

Zweierlei ist jetzt deutlich zu machen: Es geht erstens im vorliegenden Fall um Ziffer 6.5. der Publizistischen Leitlinien, nicht um Ziffer 8.1. Ziffer 8.1. behandelt die Berichterstattung über Ereignisse, die mit Gewalt verbunden sind, nämlich Kriege, Verbrechen, Unfälle, Naturkatastrophen. Gemeint sind beispielsweise Bombenangriffe in Syrien, terroristische Anschläge auf Weihnachtsmärkte, durch Raser verursachte Verkehrsunfälle auf der Autobahn, Lawinenniedergänge in den Alpen. Ziffer 6.5. geht vom Recht auf das eigene Bild aus und zeigt in der Folge die Grenzen. Aufnahmen eines Handlungsunfähigen wie des Sterbenden bzw. Toten im Film über die Basler Berufsfeuerwehr greifen in die Intim- und Privatsphäre ein. Dies hat gewisse Konsequenzen. Zentral ist der Satz: «Bilder von Toten, die erkennbar sind, werden nicht publiziert.»

Zweitens steht im Verfahren vor der Ombudsstelle das Gesamtpublikum im Fokus, nicht der einzelne Mensch. Die Ombudsstelle hat das Publikum zu schützen. Es stellt sich daher immer die Frage, ob Bilder gezeigt wurden, die dem Publikum nicht zuzumuten sind, und ob in den Augen des Publikums die Menschenwürde einer Person verletzt worden ist. Für Klagen der betroffenen Personen selber oder ihrer Angehörigen ist hingegen der Zivilrichter zuständig.

Daher also die Frage: Hat Fernsehen SRF in der Sendung «Mona mittendrin – bei der Berufsfeuerwehr» Grundrechte verletzt, weil ein Toter gezeigt wurde?

Die Antwort ist Nein. Im Film wurde kein Toter gezeigt, der erkennbar ist. Das Publikum wusste zwar rasch, dass die Feuerwehr auf der Toilette einen Mann im Koma gefunden hatte, den die Feuerwehrleute und die Sanitäter zu reanimieren versuchten, aber der Mann war dank der Verpixelung nicht sichtbar – außer seiner Hand, die eine Sekunde lang im Bild war – und damit doppelt nicht erkennbar: physisch nicht (als menschlicher Körper) und individuell nicht (als Mensch mit einem Gesicht und einem Namen). Seine Menschenwürde wurde nicht verletzt; er wurde durch das Fernsehen nicht öffentlich erniedrigt oder lächerlich gemacht. Im Fokus war die Aktivität der Feuerwehr. Die Idee der Sendung war, dass Mona Vetsch die Feuerwehrleute bei einigen Einsätzen begleitet. Bei diesem konkreten Einsatz ging es darum, einen eingeschlossenen Mann zu befreien. Dass man einen Toten finden würde, war nicht vorauszusehen, aber es gehört zur Reportage, dass man sie zu Ende erzählt, und das Ende des Einsatzes war eben dieser traurige Befund.

Die Szene warf hohe Wellen, weil schon vor der Ausstrahlung des Films die Zeitung «Blick» den Sender SRF anprangerte, den Tod eines Menschen zu zeigen, und weil «Blick» nach der Ausstrahlung des Films den Namen des Toten enthüllte, der zudem seinerzeit in zwei Sendungen von SRF aufgetreten war. Dabei spielte «Blick» eine zwiespältige Rolle, weil das Blatt Fernsehen SRF einen Tabubruch vorwarf, aber selber Tabus brach, indem es ebenfalls Bilder zeigte, den Namen enthüllte und die Schwester des Gestorbenen im Voraus mit einer Sichtweise des Films konfrontierte, die der Realität nicht entsprach. Die Medienprofessorin Marlis Prinzing[8] hat in «persoenlich» auf diese Tabubrüche hingewiesen.[9] Christian Mensch zeigte in der «Schweiz am Wochenende» (16. November 2019) auf, dass sich im konkreten Fall Boulevardmedien gegenseitig aufschaukelten, was zur Folge habe, dass die Gesellschaft verhandle, was richtig und was falsch ist und welche ethischen und moralischen Normen gelten und welche nicht. Die Journalistin Joelle Weil wiederum unterstrich in der «Aargauer Zeitung» (18. November 2019), dass das Publikum mitverantwortlich sei: «Wir wollen das Drama sehen, zuschauen, gaffen. Wir sind die auf der Tribüne, die von den Gladiatoren in der Manege verlangen, immer einen Schritt weiter zu gehen.» Damit wird deutlich, dass es in der öffentlichen Kommunikation nicht nur eine Journalistenethik braucht, sondern auch eine Publikumsethik. Aber in der primären Verantwortung stehen die Macherinnen und Macher bei Fernsehen SRF.

Das führt mich zu zwei kritischen Punkten gegenüber «Mona mittendrin – bei der Berufsfeuerwehr»:

  1. Anscheinend war in der ursprünglichen Version des Films der Tote stärker sichtbar. Jedenfalls hat die Redaktion die Szene im Hinblick auf die Ausstrahlung noch mehr verpixelt. Das zeigt, dass sich die ethischen Prinzipien nicht zum vorneherein von selber durchsetzten, sondern dass es die von «Blick» angestoßene Debatte brauchte. Für mich als Ombudsmann ist dieses Faktum zwar merkwürdig, aber nicht weiter relevant, da ich immer nur die ausgestrahlte Sendung zu begutachten habe.
  2. Dass SRF die Angehörigen des Toten nicht vor der Ausstrahlung der Sendung kontaktieren und informieren konnte, war ein Fehler. Die Redaktion hat offensichtlich die Recherche nach der Identität der gestorbenen Person vorschnell aufgegeben, denn «Blick» bewies ja, dass es möglich war, die Identität herauszufinden. So kam es zu einer unschönen und unangenehmen «Schlaufe» im Einbezug der Angehörigen. In diesem Nebenpunkt kann ich die Beanstandungen 6203 und 6211 unterstützen.

Im Hauptpunkt hingegen kann ich keine der Beanstandungen unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/play/tv/mona-mittendrin/video/mona-mittendrin-bei-der-berufsfeuerwehr?id=cfe2e812-85e1-4c7a-826b-ca65969cbcf

[2] https://www.rettung.bs.ch/feuerwehr/bfbs.html

[3] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/index.html

[4] https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2018/5545.pdf

[5] https://presserat.ch/journalistenkodex/erklaerung/

[6] https://presserat.ch/journalistenkodex/richtlinien/

[7] https://www.srf.ch/unternehmen/unternehmen/qualitaet/publizistische-leitlinien-srf

[8] Der Ombudsmann ist mit Marlis Prinzing verheiratet, was nicht zwingend bedeutet, dass die beiden in medienethischen Fragen immer zu den gleichen Schlüssen gelangen.

[9] https://www.persoenlich.com/blog/tabubruch-versus-tabubruch

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