«Arena»-Sendung «Böse Burka?» beanstandet II
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Mit Ihrem Brief vom 13. Januar 2020 beanstandeten Sie die Sendung «Arena» (Fernsehen SRF) vom 13. Dezember 2019 zum Thema «Böse Burka?».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„Wie Sie aus beiliegenden Unterlagen und Schreiben ersehen können, wurde in oben erwähnter Sendung das Sachgerechtigkeitsgebot mehrmals verletzt, da die Initiative des Verhüllungsverbot einseitig als Burkaverbot dargestellt wurde, obwohl der Initiativtext unmissverständlich kein
Kleidungsstück erwähnt. Deshalb habe ich den Moderator der Sendung in meinem Schreiben gebeten,
dies richtig zu stellen durch eine öffentliche Stellungnahme. Sollte dies nicht geschehen, so werde ich ein gerichtliches Verfahren anstreben, da ich Herr Brotz per Mail vor der Sendung unmissverständlich auf das korrekte Anliegen der Initiative aufmerksam gemacht habe. Er scheint dies ignoriert zu haben,
weshalb durch die Aussagen von Diskussionsteilnehmerinnen der Eindruck entstand, dass eine Kleidervorschrift in die Verfassung geschrieben würde. Ich bitte Sie, meinem Anliegen bei der zuständigen Redaktion Nachdruck zu Verleihen.“
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die «Arena» antwortete Frau Franziska Egli, Leiterin der Sendung:
«Mit seinem Schreiben vom 13. Januar hat Herr X eine Beanstandung gegen die ‘Arena’ vom 13. Dezember ‘Böse Burka?’ eingereicht. Er kritisiert, dass die Eidgenössischen Volksinitiative ‘Ja zum Verhüllungsverbot’ als ‘Burka-Initiative’ bezeichnet wird. Dies suggeriere der Bevölkerung, <dass die Initianten eine Kleidervorschrift in die Verfassung schreiben wollen>. In der beanstandeten Sendung wurde seines Erachtens dadurch das Sachgerechtigkeitsgebot mehrfach verletzt. Gerne nehme ich dazu Stellung.
Ausgangslage
Das sogenannte ‘Egerkinger Komitee’ hat eine Volksinitiative mit dem Titel ‘Ja zum Verhüllungsverbot’ lanciert. Diese ist zustande gekommen und nun beim Parlament hängig. Dasselbe Komitee hat vor einigen Jahren die sogenannte ‘Minarett-Initiative’ lanciert und war an der Urne erfolgreich.
Die Initiative fordert einerseits, dass <niemand (...) sein Gesicht im öffentlichen Raum und an Orten verhüllen [darf], die öffentlich zugänglich sind oder an denen grundsätzlich von jedermann beanspruchbare Dienstleistungen angeboten werden (...)>. Andererseits möchte sie in die Verfassung schreiben, dass <niemand (...) eine Person zwingen [darf], ihr Gesicht aufgrund ihres Geschlechts zu verhüllen>. Im Weiteren hält die Initiative einige Ausnahmen fest.[2]
Den Initiantinnen und Initianten der Initiative geht es also einerseits um ein generelles Verbot von Verhüllung im öffentlichen Raum, andererseits zielt die Initiative aber auch eindeutig auf die Gesichtsverschleierung aufgrund des Geschlechts (Art. 10a Abs. 2 Initiativtext). Dies illustriert das Komitee auch auf seiner Homepage: Durchgestrichen sind hier sowohl eine Person, die mit verdecktem Gesicht im Begriff ist, eine Art Molotow-Cocktail zu werfen, als auch eine Person, welche einen Niqab trägt.[3] Den Initianten geht es also explizit um das Verbot einer Verhüllung im Allgemeinen als auch um das Verbot von Niqabs und Burkas im Speziellen.
Benennung von Initiativen
Die Benennung von Initiativen ist (mittlerweile) oftmals eine strategische Angelegenheit: Mit dem Entscheid, wie eine Initiative benannt wird, versuchen die Initiantinnen und Initianten häufig bereits bei Ankündigung der Initiative, das künftige Framing im Abstimmungskampf zu beeinflussen. Dies ist eine legitime Vorgehensweise, welcher sich alle Parteien von links bis rechts bedienen. So hiess etwa die CVP-Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe ‘Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe’ [4] , die Volksinitiative der Grünen für eine andere Raumplanungspolitik ‘Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung (Zersiedelungsinitiative)’ [5] oder die SVP-Initiative für eine Regulierung der Zuwanderung Initiative ‘Gegen Masseneinwanderung’.[6] Und wer ist auf den ersten Blick schon gegen Ehe und Familie, für Zersiedelung oder für eine Masseneinwanderung?
Hier ist eine Aufarbeitung und Einordung durch Medien und damit auch durch SRF notwendig: Eine unkritische Übernahme der Titel von Initiativen wäre unter Umständen irreführend. Im Vorfeld von Abstimmungen legt die Chefredaktion TV von SRF daher jeweils ein bestimmtes Wording fest. Dabei wird darauf geachtet, dass möglichst der Inhalt bzw. das Ziel insbesondere von Initiativen widergegeben wird – und nicht deren Framing durch die Initiativkomitees. Dies sehen wir als unsere journalistische Aufgabe und Pflicht. Da sich die betreffende Initiative noch im parlamentarischen Prozess befindet, ist dies aktuell noch nicht geschehen.
Benennung der Initiative durch die «Arena»
Im Pressetext zur beanstandeten Sendung wird der Titel der Volksinitiative wie ihn die Initiantinnen und Initianten gewählt haben, im ersten Satz im Lead erwähnt: ‘Die Burka in der Schweiz verbieten – das will die Initiative ‹Ja zum Verhüllungsverbot›: (...)’ [7] Die Redaktion der ‘Arena’ hat sich also in diesem Fall dazu entschieden, im Pressetext denjenigen Titel der Initiative zu nennen, den die Initiantinnen und Initianten gewählt haben. Die weitere Einordnung erfolgt im Text. Allerdings nennen sogar Mitglieder der SVP-Fraktion, also jener Partei, die die Initiative wesentlich unterstützt, besagte Initiative ‘Burka-Initiative’; so zum Beispiel Ständerat Thomas Minder auf der Internetseite der SVP.[8]
Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots
Der Beanstander sieht das Sachgerechtigkeitsverbot verletzt <wegen bewusster Irreführung der Bevölkerung und Suggerierung, dass sich das Verbot ausschliesslich gegen Burkaträgerinnen richtet und demnach einen Kleidervorschrift in die Verfassung schreiben will>.
In der beanstandeten Sendung hat die Redaktion der ‘Arena’ sich dazu entschieden, den Fokus auf ein mögliches Verbot von Niqab und Burka bei einem Ja zur Initiative zu legen. Dennoch wurde in der Sendung auch das generelle Verhüllungsverbot thematisiert. Der Text des Erklärstücks, welches in der Sendung gezeigt wurde (ca. 14:38) lautet wie folgt:
Im Park oder in anderen öffentlichen Räumen darf niemand sein Gesicht verhüllen
Wer etwa eine Burka trägt, verstösst gegen das Gesetz
Auch sein Gesicht mit einem Schal zu verhüllen, ist verboten
Oder an einer Demonstration eine Sturmmaske zu tragen
Die Initiative sieht Ausnahmen vor:
Wenn es um die Gesundheit geht
wenn es um Sicherheit geht
aufgrund klimatischer Bedingungen
und für ‘einheimisches Brauchtum’, also zum Beispiel Fastnachtsmasken.
Zudem verboten ist: jemanden wegen des Geschlechts zu zwingen, sich zu verhüllen.
In der Sendung äussert sich Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP) gegen die Initiative. Sie wirft den Initiantinnen und Initianten vor, eine Kleidervorschrift in die Verfassung schreiben zu wollen (ca. 12:20). Auf die Frage hin, ob die Verhüllung von Frauen überhaupt kein Problem sein, erwidert der Co-Präsident des Initiativkomitees, Walter Wobmann: <Es ist ein Problem und zwar haben wir vermehrt auch da in der Schweiz verhüllte Frauen. Also der Kanton Tessin hat dieses Verbot jetzt schon ein paar Jahre und setzt das erfolgreich um. Und grundsätzlich muss ich einfach sagen: Wenn man nur nach der Anzahl gehen wollten, dann könnten wir eigentlich fast alle Gesetze abschaffen. Das meiste ist für sehr wenige Leute und das ist der erste Punkt und jetzt kommt der zweite: wenn wir das verhindern wollen, dass eben das zunimmt, dieser extreme, radikale Islam mit vermehrt verhüllten Frauen, wie das in vielen europäischen Städten, Grossstädten heute schon ist, wenn wir das verhindern wollen in der Schweiz, dann müssen wir das jetzt, am Anfang regeln. Nicht wenn Tausende rumlaufen. (...)>. Auf den Vorwurf, dass er als Mit-Initiant eine Kleidervorschrift in die Verfassung schreiben wolle, reagiert er nicht. Und dies wohl mit gutem Grund: Obwohl die Initianten auf ihrer Internetseite angeben, dass es nicht um eine ‘Kleidervorschrift’ gehe, [9] sprechen sie im Zusammenhang mit dem geschlechterbedingten Verbot von Gesichtsverhüllungen explizit von Burka und Niqab. So auch etwa Walter Wobmann im SVP-Klartext vom September 2019: <Die beliebte Initiative fordert bekanntlich ein Gesichtsverhüllungsverbot im öffentlichen Raum. Sie richtet sich sowohl gegen religiös motivierte Verhüllung (Burka, Niqab) als auch ausdrücklich gegen jene Verhüllung der kriminelle, zerstörerische und vandalistische Motive zugrunde liegen (vermummte Hooligans und Chaoten)>[10]
Der Duden definiert die Burka als <(von muslimischen Frauen in Afghanistan, Pakistan und Teilen Indiens getragener) den ganzen Körper bedeckender Umhang mit einem Einsatz aus Netzgewebe für die Augen>[11] Ein ‘Umhang’ wiederum ist gemäss Duden ein <[mantelartiges] ärmelloses Kleidungsstück zum Umhängen (2); Cape, Pelerine>[12] Auch Wikipedia definiert die Burka als ein Kleidungsstück: <Die Burka (eigentlich Burqu, aus arabisch برقع, DMG burquʿ, Plural براقع, DMG barāqiʿ; in Pakistan auch als Barqa) ist ein Kleidungsstück, das der vollständigen Verschleierung des Körpers dient. (...)>[13] Demnach geht es in besagter Initiative zumindest teilweise um Kleidervorschriften. Das Sachgerechtigkeitsgebot wurde daher nicht verletzt.
Fazit
Obwohl der Hauptfokus der beanstandeten Sendung vom 13. Dezember auf dem Verbot von Niqab und Burka lag, kann keineswegs von einer ‘Irreführung der Bevölkerung’ die Rede sein: Auch die anderen Forderungen der Initiative wurden, wenn auch in geringerem Masse, thematisiert und in einem entsprechenden Erklärstück dargelegt. Gemäss den Initiantinnen und Initianten geht es ihnen um ein Verbot von Niqab und Burka in der Schweiz. Die Burka ist ein Kleidungsstück. Bei einem Ja zur Initiative werden also – zumindest wenn die Umsetzung im Sinne der Initianten erfolgt - gewisse Kleidervorschriften in der Verfassung festgeschrieben. Aus Sicht der Redaktion wurde daher das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt.
Aufgrund obiger Ausführungen bitte ich Sie, die Beanstandung von Herrn X zur ‘Arena’ vom 13. Dezember ‘Böse Burka?’ nicht zu unterstützen. Für Nachfragen stehen ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die vom «Egerkinger Komitee» lancierte eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» lautet:[14]
Art. 10a Verbot der Verhüllung des eigenen Gesichts
1 Niemand darf sein Gesicht im öffentlichen Raum und an Orten verhüllen, die öffentlich zugänglich sind oder an denen grundsätzlich von jedermann beanspruchbare Dienstleistungen angeboten werden; das Verbot gilt nicht für Sakralstätten.
2 Niemand darf eine Person zwingen, ihr Gesicht aufgrund ihres Geschlechts zu verhüllen.
3 Das Gesetz sieht Ausnahmen vor. Diese umfassen ausschliesslich Gründe der Gesundheit, der Sicherheit, der klimatischen Bedingungen und des einheimischen Brauchtums.
Art. 197 Ziff. 12
12. Übergangsbestimmung zu Art. 10a (Verbot der Verhüllung des eigenen Gesichts)
Die Ausführungsgesetzgebung zu Artikel 10a ist innert zweier Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände zu erarbeiten.
Es stimmt, dass die Initiative offiziell «Ja zum Verhüllungsverbot» lautet, aber es sind ja gerade die Initianten, die die Debatte über den Islam und die Burka führen wollen und deshalb gerne selber vom Burka-Verbot sprechen. Die Initianten wissen ganz genau, dass man in der Schweiz mit Feindbildern Vorlagen leichter durchbringt als ohne. Im 19. Jahrhundert gewannen die Freisinnigen viele Abstimmungen, weil sie gegen die Jesuiten (und die klerikale Gefahr) wetterten. In den zwanziger und dreißiger Jahren gewannen die Bürgerlichen viele Abstimmungen, weil sie gegen die Kommunisten (und die rote Gefahr) antraten. Und jetzt gewinnt man Abstimmungen, weil man gegen den Islam (und die entsprechende Überfremdungsgefahr) sowie gegen die Islamisten (und die von ihnen ausgehende Terrorgefahr) kämpft. Für die Initianten besteht eine klare Hierarchie: In erster Linie geht es ihnen um das Burka- und um das Niqab-Verbot, in zweiter Linie um die Disziplinierung von Hooligans und Demonstranten, in dritter Linie um Frauenrechte. Die «Arena» folgte also nur den Initianten, als sie vom Burka-Verbot sprach. Und die Sendung selber hat ja alles ausdifferenziert. Somit war die Sendung sachgerecht. Ich kann deshalb Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/sendungen/arena/boese-burka
[2] https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis465t.html.
[3] https://www.verhuellungsverbot.ch/
[4] https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis404t.html
[5] https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis461.html
[6] https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis413t.html
[7] https://www.srf.ch/sendungen/arena/boese-burka
[8] https://www.svp.ch/news/artikel/editorials/gesicht-zeigen/
[9] https://www.verhuellungsverbot.ch/darum-geht-es/klarstellungen/
[10] https://www.svp.ch/partei/publikationen/parteizeitung/2019-2/svp-klartext-september-2019/sie-koennen-direkt-etwas-tun-fuer-mehr-sicherheit/
[11] https://www.duden.de/rechtschreibung/Burka_Ganzkoerperumhang
[12] https://www.duden.de/rechtschreibung/Umhang
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