«Deville»-Beitrag «Vatikan Special» beanstandet II
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Mit Ihrer Ihrer E-Mail vom 13. Januar 2020 beanstandeten Sie die Sendung «Deville» (Fernsehen SRF) vom 12. Januar 2020 zum Thema «Vatikan Special».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Die Satiresendung Deville zu Vatikan, Schweizer Garde und Papst Franziskus hat mich in meinem persönlichen Empfinden so verletzt, dass ich im Verlauf der Sendung, nach nur wenigen Worten von Michael Mittermeier, den Platz vor dem TV verlassen musste. Es geht nicht an und es ist unanständig, die eingangs genannten Institutionen während der ganzen Sendezeit der Lächerlichkeit preiszugeben. Die Sequenz, in welcher Papst Benedikt dargestellt wird, ist menschenverachtend. Die Auseinandersetzung mit der Schweizer Garde war diskriminierend; sittlichkeitsgefährdende Gesten (nur unter Bezugnahme auf diese Satiresendung, Beispiele: ausrutschender Zeigestab, Körperbewegungen usw.) waren nicht selten. Können Sie sich eine identische Satiresendung z.B. über den Islam, Reformator Zwingli usw. und deren Auswirkungen vorstellen? Meines Erachtens gehören religiöse Themen bzw. diesbezügliche Institutionen nicht in satirische Programminhalte des SRF.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «Deville» antwortete Herr Daniel Kaufmann, Senior Producer Comedy:
«Gerne nehme ich zur Beanstandung von Herrn X Stellung. Bei ‘Deville’ handelt es sich um eine Satiresendung. Satire ist ein besonderes Mittel der Meinungsäusserung, bei dem sich die Form bewusst nicht kongruent zu dem verhält, was sie hinterfragen will. Sie übersteigert die Wirklichkeit, verfremdet sie, stellt sie um, kehrt wieder zu ihr zurück, banalisiert sie, karikiert sie, macht sie lächerlich. Dabei ist es aus programmrechtlicher Sicht zentral, dass der satirische Charakter für das Publikum erkennbar ist. Der satirische Charakter bei ‘Deville’ ist für den Zuschauer aufgrund des Sendeformats klar erkennbar.
Die Satiresendung ‚Deville‘ hat sich in der Ausgabe vom 12. Januar 2020 dem Vatikan gewidmet. Die römisch-katholische Kirche ist mit rund 2.52 Millionen Angehörigen und einem Bevölkerungsanteil von 35.9 Prozent die grösste Glaubensgemeinschaft in der Schweiz (Evangelisch-Refomierte: 23.8 %, Islam: 5.4 %). Deshalb ist das Thema für eine Schweizer Satiresendung relevant.
Herr X findet, dass <religiöse Themen bzw. diesbezügliche Institutionen nicht in satirische Programminhalte des SRF> gehören.
‚Deville‘ hat nicht den Glauben thematisiert, sondern den Fokus auf die Organisation der katholischen Kirche gelegt. Die katholische Kirche sorgt immer wieder auch für negative Schlagzeilen: sexuelle Missbräuche auf der einen Seite, Finanzskandale auf der anderen Seite. Im Mittelpunkt der Sendung stand ein Beitrag über Finanzgeschäfte, die Ende letzten Jahres medial bekannt wurden. Die katholische Kirche, die für viele Menschen auch in der Schweiz eine moralische Instanz darstellt, steht bei allem Respekt nicht ausserhalb jeder Kritik; insbesondere bei ihren weltlichen Aktivitäten. Berichte über Investments des Vatikans in Immobilien berühren keine zentralen Glaubensinhalte.
‚Deville‘ wollte keine religiösen Gefühle verletzen und hat das unserer Einschätzung nach auch nicht getan. Die Sendung hat sich satirisch mit der Struktur und den Institutionen im Vatikan auseinandergesetzt. Man muss darüber reden dürfen, wie die Kirche mit ihrem Vermögen umgeht. Das kann nicht tabu sein.- Ich bedanke mich für die Gelegenheit zur Stellungnahme.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Es handelte sich um Satire. Satire darf (fast) alles. Ihre Devise ist, dass sie nach oben tritt und eher nicht nach unten, will sagen: aufs Korn genommen und sarkastisch verspottet werden die Mächtigen und nicht die Schwachen, Abhängigen. Beim Christentum ist zu unterscheiden zwischen dem Glauben und den Institutionen. Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hat in ihrer Rechtsprechung immer festgehalten, dass der Kern der Glaubensinhalte geschützt sei, dass aber die Amtsträger der Kirche genau so der öffentlichen Kritik (und damit auch der Satire) unterworfen sind wie Amtsträger anderer Institutionen. Als Kern der Glaubensinhalte gelten bei den Katholiken die Sakramente, allerdings prüft die UBI jedes Mal wieder neu, ob angesichts des gesellschaftlichen Wandels diese Regel noch gilt. Angesichts der Tatsache, dass in der Schweiz mehr als ein Drittel der Ehen geschieden wird (und dass auch in den übrigen Ehen teilweise gestritten, geschlagen, gemordet wird), ist fraglich, ob das Sakrament «Ehe» auf Dauer immun bleibt vor satirischem Spott. Jedenfalls ist der Kern der Glaubensinhalte geschützt.
Nicht so die Institutionen und die Funktionäre. Die katholische Kirche ist eine der mächtigsten Institutionen der Welt. Sie produziert immer wieder Skandale (Finanzskandale, Mordskandale, Missbrauchsskandale). Weltweit wurden Abertausende Jugendlicher sexuell missbraucht, allein in Australien waren es über 60'000, in Deutschland fast 4'000, in der Schweiz über 300, wobei längst nicht alle Fälle gemeldet oder entdeckt worden sind. Das Verhalten der Päpste, Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Priester, Ministranten, Mönche und Nonnen ist daher kritisierbar und offen für Satire.
Von dieser Möglichkeit hat «Deville» mit der Spezialsendung über den Vatikan Gebrauch gemacht. Ich habe mir die Sendung sehr sorgfältig angeschaut. Sie ist lustig, weil sie voller witziger Einfälle ist. Sie nimmt die Institutionen des Vatikans (darunter auch die Schweizergarde) auf die Schippe, nicht den katholischen Glauben. Wenn Sie durch diese Sendung in Ihrem persönlichen Empfinden (als Katholik) getroffen wurden, dann müssten Sie ja eigentlich als Schweizer jeweils ebenfalls betroffen sein, wenn die Satire den Bundesrat aufs Korn nimmt, oder als Tourist, wenn die Satire Kreuzfahrten verspottet. Ich habe jedenfalls in der Sendung nichts gefunden, was unsittlich, rassistisch, sexistisch oder eine Diskriminierung von wehrlosen Abhängigen gewesen wäre. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/play/tv/deville/video/deville-mit-michael-mittermeier?id=4ad4013c-c1fd-41db-bf45-41ccc0ba9ccf
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