«Espresso»-Beitrag «Gülle im Trinkwasser» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 8. Januar 2020 beanstandeten Sie die Sendung «Espresso» (Radio SRF) vom 6. Januar 2020 und dort den Beitrag zur «Gülle im Trinkwasser».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Der in der Sendung zitierte Landwirt wird ohne Beweise und ungenügender Untersuchung des Sachverhaltes als Schuldiger einer Quellwasserverseuchung dargestellt und so öffentlich angeprangert. Auch in den Medien gilt bis zu einem Schuldspruch die Unschuldsvermutung!!
Ebenso wurde nicht genügend darauf hingewiesen das der Bauer seine Felder gemäss Nährstoffbilanz seines Betriebes so düngen darf, wie er das für richtig hält.
Ebenfalls bemerke ich in der letzten Zeit in verschiedenen Sendungen, dass das undefinierte Wort ‘Pestizide’ inflationär und oft aus dem Sachverhalt gezogen verwendet wird. Es macht ganz den Anschein das Radio und Fernsehen SRF gefallen an der Trinkwasserschutzinitiative gefunden haben und dieser mit regelmässigen Beiträgen über Fehlverhalten einzelner Landwirte Vorschub leisten wollen. Es ist nicht Aufgabe von SRF Politik zu machen sondern sachlich zu informieren.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «Espresso» antwortete Frau Ursula Gabathuler, Redaktionsleiterin von «Kassensturz»/»Espresso»:
«Am 8. Januar 2020 hat sich X an die Ombudsstelle SRG.D gewandt und den Beitrag «Gülle im Trinkwasser: Betroffene müssen sich selbst helfen» im «Espresso» vom
6. Januar 2020 beanstandet. Gerne nehmen wir dazu wie folgt Stellung:
Zur Kritik des Beanstanders, der betreffende Landwirt werde <ohne Beweise und ungenügender Untersuchung des Sachverhaltes> als Schuldiger dargestellt und angeprangert:
Vorweg sei gesagt, dass sich die Redaktion bewusst dagegen entschieden hat, jenen Landwirt mit Namen zu nennen. Gerade, um ihn nicht anzuprangern und den Prozess der Konfliktlösung nicht zu torpedieren. Im Gegensatz zu den Betroffenen wurde er also anonymisiert. Im entsprechenden Online-Artikel wurde zudem auch der Ort, in dem sich der Fall zugetragen hat, anonymisiert.
Die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner haben sich bei der Redaktion ‘Kassensturz/Espresso’ gemeldet, weil sie ihr Wasser nicht mehr trinken können – und dies schon seit Monaten. Die Leute wurden krank, darunter auch ein dreijähriges Kind. Sie erzählten, weder der Bauer noch die Behörden hätten Hand geboten für eine Lösung.
Dass dieser Landwirt das Land düngt und sein Vieh dort weiden lässt, ist nicht bestritten. Dies belegen zudem Filmaufnahmen, die der Redaktion vorliegen. Sie zeigen, dass der Bauer eine beträchtliche Mengen Gülle vergiesst – und zwar im sensiblen Gelände mit den beiden Quellen, aus dem die zwei Liegenschaften ihr Trinkwasser beziehen. Dass deren Wasser verseucht war, ist ebenfalls belegt, die Belege liegen der Redaktion vor. Auch ist die Wasserqualität einer dritten Quelle in jenem Gebiet wieder einwandfrei, seit derselbe Bauer dort beim Güllen Rücksicht nimmt.
Es gibt also verschiedene deutliche Hinweise darauf, dass der Bauer mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der Verursacher der Verschmutzung ist. Eindeutig beweisen lässt sich ein solcher Sachverhalt freilich nicht.
Seit sich ‘Espresso’ eingeschaltet hat, ist immerhin ein Gespräch in Gang gekommen zwischen Landwirt und Anwohnern. Dem Vernehmen nach in einem vernünftigen Ton. Auch im Rahmen der Berichterstattung versprach der Landwirt, er biete nun Hand für eine Lösung. Schriftlich räumte er ein, von dem Problem gewusst zu haben. Ob es nun endgültig gelöst wird, ist aber noch offen. ‘Espresso’ wird im Frühling nachhaken.
Ziel des Beitrags war es, die Problematik aufzuzeigen, denn immerhin beziehen noch mehrere Tausend Menschen in der Schweiz ihr Wasser aus solchen privaten Quellen. Über den konkreten Fall hinausgehend, wird die Zuhörerschaft durch den Beitrag sowohl über die Rechte und Pflichten der Bauern beim Güllen aufgeklärt wie auch auf über die Schutz- und Unterhaltspflichten der Quell-Inhaber. Dies im Sinne einer kritischen, aber auch fairen und ausgewogenen Berichterstattung.
Zur allgemeinen Kritik des Beanstanders, dass <in der letzten Zeit in verschiedenen Sendungen> das <undefinierte Wort ‘Pestizide’ inflationär und oft aus dem Sachverhalt gezogen verwendet> werde, kann hier keine Stellung bezogen werden, da konkrete Beispiele fehlen.
Zur allgemeinen Kritik, dass SRF mit <regelmässigen Beiträgen über Fehlverhalten einzelner Landwirte> der Trinkwasserinitiative <Vorschub leisten> wolle, können wir auch nicht Stellung nehmen, da auch hier konkrete Beispiele fehlen. Grundsätzlich greift «Espresso» – wie im vorliegenden Fall – oft Inputs der Zuhörerschaft auf und berichtet nach eigenen Recherchen ausgewogen und fair. Im konkreten Fall wurde die Trinkwasserinitiative gar nicht erwähnt.
Aufgrund unserer Ausführungen bitten wir Sie, die Beanstandung als unbegründet zurückzuweisen.
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich stimme Ihnen zu, dass es nicht Sache der Medien ist, Politik zu machen. Es ist nicht ihre Aufgabe, Unterschriften zu sammeln und ein Referendum oder eine Initiative zu ergreifen oder Kandidaten für Wahlen aufzustellen. Es ist auch nicht ihre Aufgabe, den Behörden vorzuschreiben, wie sie zu entscheiden haben. Aber es gehört zu ihrer Funktion, die Gesellschaft zu beobachten und bei Problemen Lösungswege aufzuzeigen. Solche Lösungswege können durchaus auch politische sein. Und es gehört zu ihrer Funktion, im Rahmen ihrer Kritik- und Kontrollfunktion Fehlentwicklungen, Ungerechtigkeiten, Affären und Skandale aufzudecken und dadurch für Abhilfe, für Korrekturen, für politische Hygiene zu sorgen.
Im konkreten Fall hat «Espresso» einen Fall aufgerollt, bei dem es einen «Täter» und Opfer gab. Die Redaktion hat den Verursacher der Trinkwasserverschmutzung nicht skandalisiert, ihn nicht identifizierbar gemacht, aber sie hat zu einer Lösung beigetragen, indem sie den Gesprächsfaden neu hergestellt hat. Sie hat anwaltschaftlichen Journalismus betrieben, ja, aber in diesem Fall war das das einzig Richtige. Ich sehe nirgends eine Fehlleistung und kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/news/schweiz/private-quellen-guelle-im-trinkwasser-betroffene-muessen-sich-selbst-helfen
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