Radio SRF-Sendung «Peter Schneider – Die andere Presseschau» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 23. Januar 2020 beanstandeten Sie die Sendung «Peter Schneider – Die andere Presseschau» (Radio SRF 3) vom gleichen Tag und dort eine Passage über Tote an der Beerdigung von General Soleimani.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Ein Witz über 60 zu tode getrampelter Menschen?!?!Hallo?!?!?!...das kann nicht konsequenzlos bleiben!!! Denken es gibt keine Iraner hier? Werde heute Abend mit meinen Anwälten zusammen sitzen. Sie werden von uns hören.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Die Antwort kam von Herrn Alexander Blunschi, publizistischer Co-Leiter von Radio SRF 3:

«Ich nehme Stellung zur Beschwerde von Herrn X per Mail vom 23.01. 2020 zur satirischen ‘anderen Presseschau’ unseres SRF 3 Haussatirikers Peter Schneider. Beanstandet wird zusammengefasst, dass die ‘andere Presseschau’ von SRF 3 vom 23. Januar 2020 sich über zu Tode getrampelte Iraner lustig mache.

Wortlaut des Ausschnitts:

[Zitate Printmedien] «Der STERN berichtet aus ...China: „Unheimliche Terrakotta-Armee gibt ihre Geheimnisse preis - weitere 200 Soldaten entdeckt“

[Kommentare Peter Schneider] Die wollten sicher desertieren. - Von den alten Soldaten in China zu den jungen Leuten in der Schweiz und damit zur NZZ:

Während die Jungen in der Schweiz ... seit Monaten für den Klimaschut< protestieren, gehen sie für Reformen im Rentensystem nicht auf die Strasse. ...Warum ist das so? "Für junge Menschen ist die eigene Altersvorsorge noch sehr weit weg. ...>, sagt Salomé Vogt, Leiterin Avenir Jeunesse ...

[K]: Ausserdem kann man ohne Rente lebe, aber nicht ohne Klima. - Wir bleiben bei der NZZ und fahren fort mit dem Thema: Andere Länder andere Sitten:

Viele Iraner betrachteten Soleimani ... als Verteidiger der Nation. ...

Denken Sie an den Riesentrauermarsch bei seiner Beisetzung.

Das Gedränge war ... so gross, dass mehr als 60 Menschen zu Tode getrampelt wurden. Die Tragödie erinnert an die Beisetzung des Revolutionsführers Ayatollah Khomeiny 1989, als ebenfalls mehrere Menschen im Gedränge starben.

[K]: Aber Suleimani hat mit 60 Toten in der Nachspielzeit eindeutig gewonnen. Schade, dass er das nicht mehr miterleben durfte.

Stellungnahme der Redaktion:

Wie schon der Titel der täglichen Kolumne ‘Peter Schneiders Andere Presseschau’ zum Ausdruck bringt, handelt es sich bei der Rubrik in erster Linie um eine Mediensatire. Das heisst, nicht die im Zitat behandelten Ereignisse selbst stehen im Fokus des satirischen Interesses, sondern die Art und Weise, wie diese Ereignisse dargestellt oder kommentiert werden. Dies ist den SRF 3 Hörerinnen und Hörern sehr wohl bekannt, existiert die Rubrik doch bereits seit den frühen 1990er Jahren. Zudem ist Peter Schneiders Presseschau als satirisches Element täglich am Sender speziell layouterisch ausgeschildert, dies hören Sie im angehängten MP3 File.

In diesem konkreten Fall betrifft die beanstandete Satire einen Bericht über die Beliebtheit des iranischen Generals Quasem Soleimani, der der durch einen Drohnen-Angriff der USA getötet wurde und den <viele Iraner>, so die NZZ, als <Verteidiger der Nation> betrachten. Dazu ist zunächst zu sagen, dass Soleimani ein ranghoher und einflussreicher Repräsentant der iranischen Regierung ist, den diverse westliche Nationen seit Jahren als Terrorist eingestuft hatten. Bei seinem Begräbnis handelte es sich daher nicht schlicht um eine Trauerbekundung für einen demokratischen Politiker, der einem Attentat zum Opfer gefallen ist, sondern zugleich um eine Solidaritätsbekundung mit einem höchst umstrittenen Militärrepräsentanten.

Die Pointe, mit der der Beitrag schliesst, beruht zwar auf dieser zuvor dargestellten Einschätzung Soleimanis und der an seinem Begräbnis teilnehmenden Personen, ist aber zunächst davon unabhängig. Sie karikiert die Schlussfolgerung der NZZ, die implizit nach dem Muster ‘Viele Tote, viel Ehre’ zu argumentieren scheint. Dieses ‘Argumentation’ entspricht ironischerweise derselben Logik, nach der Terroristen gemeinhin den Erfolg ihrer Mordaktionen zu beurteilen pflegen. Gegen eben eine solche Logik wendet sich die Schlusspointe, ohne damit den Tod der ums Leben Gekommenen selber zu kommentieren, geschweige denn spöttisch zu behandeln.

Warum in der Schweiz lebende Iraner, unter denen sich viele Menschen befinden dürften, die selbst Opfer der iranischen Regierung wurden oder vor ihr geflohen sind, durch den satirischen Beitrag verletzt werden sollten, erschliesst sich uns nur schwer.

Schlussfolgernd können wir die Beanstandung nicht nachvollziehen, da sich die Satire nachweislich und hörbar um die Medienberichterstattung dreht und keine Witze macht über die Opfer.

Wir ersuchen Sie darum diese Beanstandung abzuweisen. Für weitere Fragen stehe ich Ihnen selbstredend gerne zur Verfügung.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Passage. Der Kommentar von Peter Schneider karikiert den Gedankengang hinter der NZZ-Aussage, wonach es schon bei der Beerdigung Khomeinis Tote gegeben habe, bei jener Soleimanis aber mehr, nach dem Motto: Je mehr Tote bei der Beerdigung, umso populärer. Diese bittere Bilanz greift Schneider sarkastisch auf, und er tut damit, was die Aufgabe von Satire ist: Die Wirklichkeit zur Kenntlichkeit entstellen. Er spielt dabei mit sportlichen Begriffen, indem er von der Nachspielzeit redet. Will sagen: Soleimani hat viele Tote in der «regulären Spielzeit» (als er noch lebte) auf dem Gewissen, jetzt auch Tote in der «Nachspielzeit» (als er selber schon tot war). Peter Schneider verletzt mit dieser kalten «Statistik» keine Regeln, weil er niemand persönlich diskriminiert und auch die Menschenwürde der Toten nicht verletzt, denn genau so pflegt es die Polizei mitzuteilen: Gedränge, 60 Tote. Ich kann Ihre Beanstandung aus diesen Gründen nicht unterstützen.

Ich habe zudem den Eindruck, dass Sie viel zu rasch und überreagiert haben. Die Drohung mit «meinen Anwälten» deutet darauf hin.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1]

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