«HeuteMorgen»-Beitrag «Wohl vorerst keine Neuwahlen in Thüringen: Das Hick-Hack um die Wahl des Ministerpräsidenten geht weiter» beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 7. Februar 2020 beanstandeten Sie die Sendung «HeuteMorgen» (Radio SRF) vom gleichen Tag und dort den Beitrag «Wohl vorerst keine Neuwahlen in Thüringen: Das Hickhack um die Wahl des Ministerpräsidenten geht weiter».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Gezielte Verunglimpfung einer demokratisch gewählten Partei in der Berichterstattung.
Im Zusammenhang mit der Ministerwahl eines FDP Politikers in Thüringen, wurde analog zur verfassungswidrigen Aufforderung der Bundeskanzlerin zur Annulierung der Wahl, die demokratisch gewählte AFD als populistisch bezeichnet. Auch wenn Deutschland mit der Demokratie schon immer Probleme hatte, sollte man dies in der Schweiz in keiner Weise unbesehen nachvollziehen. Schon gar nicht in einer gebührenpflichtigen Nachrichten Ausstrahlung.»
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «HeuteMorgen» antwortete Herr Fredy Gsteiger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF:
«Besten Dank für die Gelegenheit, Stellung zu nehmen zur Beanstandung von Herrn Franz X. Herr X kritisiert, dass wir die deutsche AfD als populistisch bezeichnen.
Das tun wir in der Tat. Zwar gibt es in Lexika und Politologie-Handbüchern zahlreiche, geringfügig voneinander abweichende Definitionen dessen, was als populistisch zu bezeichnen ist. Doch sie treffen allesamt auf die AfD zu. Genauso wie auf die italienische Lega, die (eher linkspopulistische) Fünfsternebewegung, auf das französische Rassemblement National, auf die (wiederum linkspopulistische) Maduro-Partei in Venezuela oder jene von Jean-Luc Mélenchon in Frankreich. Sowie auf eine sehr grosse Zahl weiterer politischer Bewegungen und Parteien in unzähligen Ländern.
Der Begriff populistisch bedeutet keineswegs, dass es sich nicht um demokratisch gewählte Parteien handelt. Das mag in einzelnen Fällen so sein (Venezuela), in den meisten aber werden populistische Parteien oder Politiker durchaus nach rechtsstaatlich korrekten Verfahren gewählt. Manche Populisten empfinden diese Bezeichnung zudem keineswegs als negativ besetzt, sondern nennen sich sogar selber und mit Stolz Populisten, etwa der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro.
Als Medium ist es unsere Aufgabe, politische Parteien zumindest minimal zu situieren, da unser Publikum – zwar nicht unbedingt im Fall Deutschland – in vielen Ländern mit dem Parteinamen allein nichts anfangen kann. Allerdings gibt es häufig nicht eine einzige korrekte Bezeichnung, es sind mehrere möglich. Eine eineindeutige Zuordnung fällt schwer. Im Fall der AfD ist auch die von vielen anderen Medien verwendete Bezeichnung rechtsnational oder nationalkonservativ denkbar. Und im Fall einzelner, in erster Linie ostdeutscher Parteisektionen, nicht zuletzt der von Björn Höcke geführten in Thüringen, lässt sich die Situierung als rechtsextreme Partei begründen. Die konservative ‘Frankfurter Allgemeine Zeitung’ bezeichnet diese Landespartei gar als nazistisch.
Wir bitten Sie deshalb, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung von Herrn X abzulehnen.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Was Sie dem Beitrag in «HeuteMorgen» vom 7. Februar 2020 vorwerfen, stimmt gar nicht: In diesem Beitrag wird die AfD an keiner Stelle «populistisch» genannt. Ich könnte es kurz machen und Ihre Beanstandung als Irrtum bezeichnen. Diesen Gefallen möchte ich Ihnen aber nicht tun, denn was Sie von Radio SRF verlangen, ist geradezu ungeheuerlich: Sie verlangen, dass ein gebührenfinanziertes Radio nicht die Wahrheit sagt. Die Wahrheit aber ist, dass es sich bei der AfD um eine rechtspopulistische Partei handelt, in Thüringen sogar um eine rechtsextrem und faschistisch geführte Partei. Denn gemäß einem Gerichtsurteil vom letzten Herbst darf der thüringische Landesvorsitzende der AfD, Björn Höcke, Faschist genannt werden.[2] Höcke macht immer wieder Aussagen, die in ähnlicher Form auch Hitler gemacht hat. Populistische Parteien sind solche, die im Namen des Volkes die «Elite» schlecht machen und einen Keil zwischen Bevölkerung und Behörden treiben. Linkspopulistische Parteien, wie es sie in Frankreich, Griechenland, Italien, Spanien und Lateinamerika gibt, tun es aus einer progressiven, gleichmacherischen, sozialen Perspektive, rechtspopulistische Parteien, wie sie in Deutschland, Frankreich, Österreich, Ungarn, Italien, Spanien und in der Schweiz existieren, tun es aus einer nationalen, traditionalistischen, bewahrenden Perspektive.
Sie verweisen darauf, dass die AfD ja demokratisch gewählt sei. Das stimmt. Die Wahl legitimiert die Partei, im Parlament gleichberechtigt mitzuwirken, aber die Wahl verändert nicht den Charakter einer Partei. Die französischen und italienischen Kommunisten, die lange Zeit dem Terror Stalins zujubelten, hatten demokratisch gewählte Abgeordnete in der französischen Nationalversammlung und in der italienischen Deputiertenkammer und im Senat. Auch die italienischen Faschisten (Movimento sociale italiano, später: Alleanza nationale), die Mussolini nachtrauerten, hatten demokratisch gewählte Vertreter im Parlament. Die AfD ist sowohl im Bundestag und in den Länderparlamenten demokratisch gewählt, aber durch die Wahl wird sie nicht geläutert. Das heißt: Sie versucht jetzt einfach mit parlamentarischen Mitteln, die repräsentative Demokratie, den Rechtsstaat und die politische Kultur in Deutschland schlechtzumachen, ja zu «versauen». Es ist die Aufgabe der Medien, auch von Radio SRF, in dieser Hinsicht immer wieder Klartext zu reden. Das tut Radio SRF. Ich kann deshalb Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/sendungen/heutemorgen/eu-macht-weiter-druck-auf-die-schweiz
[2] https://www.welt.de/politik/deutschland/article201103984/Bjoern-Hoecke-darf-Faschist-genannt-werden-ueberpruefbare-Tatsachengrundlage.html
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