«SRF 4 News aktuell» und «Rendez-vous» Beiträge beanstandet
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Mit Ihrer E-Mail vom 14. Februar 2020 beanstandeten Sie diverse Sendungen von Radio SRF («SRF 4 News aktuell» vom 12. und vom 13. Februar 2020, «Rendez-vous» vom 13. Februar 2020) mit Interviews zum Papstschreiben. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
«Die ganze Berichterstattung im Radio SRF zum Thema ‘Querida Amazonia’, sei es von Herrn Hubert Wolf [1], von Bischof Felix Gmür [2] und von Willi Anderau [3] ist einseitig und nicht objektiv. Es sieht so aus, als ob es nur Gegnerschaft zu Rom und der röm.-kath. Lehre geben würde. Es ist unbedingt nötig und fair, auch Menschen, die wirklich römisch-katholisch sind, d.h. nicht umgekippte Katholiken sind. Diese umgekippten Katholiken vertreten m.E. nicht die nicht die röm.-kath. Lehre. Es braucht eine faire Gegendarstellung treuer röm.-kath. Katholiken. Was ist denn das für eine Hass-Tirade gegen unseren Papst?»
B. Die zuständige Redaktionen erhielten Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Die Antwort kam von Herrn Fredy Gsteiger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF:
«Besten Dank für die Gelegenheit, Stellung zu nehmen zur Beanstandung von Herrn X. Herr X kritisiert unsere Berichterstattung im Zusammenhang mit der Entscheidung des Papstes, im Amazonas-Gebiet den Zölibat nicht zu lockern. Der Beanstander spricht von <Hasstirade gegen unseren Papst> und macht eine Unterscheidung zwischen <wirklich Römisch-Katholischen> und <umgekippten Katholiken>.
Erlauben Sie mir, zwei Dinge vorauszuschicken. Erstens: Wenn ich mir die Interviews anhöre, beziehungsweise deren Umsetzung auf SRF News lese, höre ich in keinem einzigen Satz irgendetwas, das auch nur ansatzweise als Hasstirade gegen den Papst klingt. Zweitens: Die Unterscheidung in <wirkliche Katholiken> und <umgekippte Katholiken>halten wir für nicht akzeptabel. Es gibt nicht gute und schlechte Katholiken. Oder wahre und unechte. Katholiken sind aus unserer Sicht – also aus jener des Beobachters – alle, die sich zum Katholizismus bekennen, egal welcher Ausprägung und Interpretation.
Ausgangslage unserer Berichterstattung war, dass der Papst eine besonders innerhalb der römisch-katholischen Kirche mit Spannung erwartete Entscheidung zu fällen hatte. Wir haben über die Vorgeschichte und danach über die Entscheidung berichtet. Wir haben aus dem Schreiben des Papstes zitiert, also seine Überlegungen und Beweggründe dargelegt. Das heisst, der Papst selber kam in unserer Berichterstattung – hauptsächlich in Beiträgen unseres Italien- und Vatikankorrespondenten Franco Battel – ausdrücklich zu Wort.
Wir spiegelten diese Entscheidung hernach mit mehreren Gesprächspartnern: Zum einen mit dem bekannten Kapuzinermönch Willi Anderau, zum anderen mit dem renommierten Kirchenhistoriker Hubert Wolf. Und schliesslich mit einem offiziellen und hochrangigen Repräsentanten des Schweizer Katholizismus, mit Bischof Felix Gmür.
In den beiden ersten Fällen machten wir deutlich, wo die Auskunftgeber stehen. Nämlich, dass es sich bei Willi Anderau um einen Reformkatholiken handelt. Und dass Hubert Wolf die Abschaffung des Zölibats befürwortet. Im Fall von Bischof Gmür ist klar, dass er die offizielle katholische Kirche in der Schweiz vertritt. Entsprechend machte er gleich in seiner ersten Antwort deutlich, dass er grundsätzlich zufrieden ist mit dem Schreiben des Papstes. Das Publikum konnte unsere Interviewpartner also verorten, ihre Aussagen entsprechend unterstützen oder ablehnen und sich vor allem eine eigene Meinung bilden.
Wir bitten Sie deshalb, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung von Herrn X abzulehnen.»
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendungen. Ich glaube auch, dass es falsch ist, von «wirklichen Katholiken» und von «abgekippten Katholiken» zu sprechen. Das tönt so, als würde man jene, die Reformen wollen, als Ketzer betrachten. Aber richtig ist auch, dass es in der Schweiz unter den Katholiken neben den «Reformern» auch «gemässigte Reformer» und «Bewahrer» gibt. Die Interviewpartner, die auf verschiedenen Kanälen von Radio SRF vor und nach dem Erscheinen des Papstschreibens ihre Erwartungen, Hoffnungen, Enttäuschungen oder Arrangements skizzierten, waren alle «Reformer» oder «gemässigte Reformer». Ihre Analysen waren interessant und differenziert, aber: die Befragten standen eher für Bewegung als für Bewahrung. Dass Radio SRF diese Leute ausgewählt hat, ist nicht verboten. Es ist nirgends vorgeschrieben, dass die Reaktion auf ein Papstschreiben in Bezug auf die Tendenzen im Katholizismus ausgewogen sein muss. Ich kann deshalb rein formal Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
Dennoch möchte ich den Redaktionen empfehlen, sich auch gescheite Leute aus dem Lager der Bewahrer herauszusuchen und auch mit ihnen zu reden. Das muss nicht sofort sein und auch nicht paritätisch, aber es sollte hin und wieder, ja immer wieder vorkommen. Es geht darum, auch diese Stimmen im Radioprogramm zu repräsentieren, ganz egal, ob es in der Form von Interviews, von Reportagen oder von Analysen geschieht. Man sollte sich stets bewusst sein, dass der bewahrende Flügel des Katholizismus in der Schweiz über beträchtlichen Anhang verfügt.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann
[1] https://www.srf.ch/play/radio/srf-4-news-aktuell/audio/es-gab-schon-immer-verheiratete-priester?id=9d3739c9-7267-4ebc-8b05-6a26e3dd2c17
[2] https://www.srf.ch/news/schweiz/bischof-zum-papst-schreiben-die-antworten-muessen-wir-selber-geben
[3] https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=a14ffa05-0e4e-4f7f-a04e-c28ee55a2b2a
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