«Echo der Zeit»-Beitrag «Täter mit ‘zutiefst rassistischer Gesinnung’» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 20. Februar 2020 beanstandeten Sie das «Echo der Zeit» (Radio SRF) vom gleichen Tag und dort den Beitrag «Täter mit ‘zutiefst rassistischer Gesinnung’».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Im Beitrag von SRF Echo der Zeit <Täter mit ‘zutiefst rassistischer Gesinnung’ >von heute Donnerstag, 20. Februar 2020, 18:00 Uhr wird die Meinung vertreten, dass die Verurteilung der Bluttat seitens der AfD nicht ernst gemeint sei. Diese Art der Berichterstattung ist unsachlich und unausgewogen und bedient die gängige politische Hetze, welche eine aufgeklärte politische Diskussion zunehmend verdrängt.

Ich bitte Sie, diesen Fehltritt der Redaktion zu rügen und die Redaktion auf ihre gesetzliche Pflicht zu einer sachlichen und ausgewogenen Berichterstattung hinzuweisen.

Zum Verlauf des Beitrages:

Mit der rhetorischen Frage ‘alle auf der selben Linie?’ versucht Herr Soltermann darzutun, dass die unterschiedlichen politischen Richtungen der Parteien in Deutschland eine von allen Parteien gleichwertige vorbehaltlose Ablehnung des Verbrechens ausschliesse. Holger Schmidt folgt dieser ‘Vorlage’. Zwar ist er selbst ratlos darüber, was sich im Kopf des Täters abgespielt hat. Dennoch versteigt er sich zur Behauptung, dass im Subtext der Verlautbarungen von Exponenten der AfD mitschwinge, das Verbrechen sei keine rechtsterroristische Tat. Das giesse Öl ins Feuer der öffentlichen Diskussion in Deutschland. Schmidt sagt, <natürlich ist es eine rechtsgerichtete Tat und es deutet viel darauf hin, dass die Krokodilstränen, die da vergossen werden, auch solche der Verharmlosung sind.>

Soltermann klärt diese sehr umstritten Aussage nicht, sondern doppelt nach und erwähnt sehr einseitig immer wieder rechtsextreme Gewalttaten in Deutschland von der NSU-Mordserie bis zur Ermordung von Walter Lübcke letztes Jahr. Nun sagt Schmidt, er zögere, diese Tat von Hanau auf derselben Linie wie rechtsextreme Gewalttaten zu sehen, weil das Tatmotiv derart absurd sei, dass es sich deutlich von den anderen Taten abgrenzt.

Da fragt sich der Zuhörer, warum beschuldigt er dann gleichzeitig die AfD der Scheinheiligkeit (Krokodilstränen), wenn er also erkennt, dass die Tat weder einer politischen Richtung noch als terroristische Tat einem politischen Hintergrund zugeordnet werden kann? Soltermann erwähnt abschliessend die Kritik, dass die deutschen Behörden asymmetrisch auf rechte und linke Gewalt reagierten, worauf Schmidt nicht mehr eintritt und stattdessen bei den Behörden einen laxe Praxis bei der Ausstellung von Waffenscheinen feststellt.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für das «Echo der Zeit» antwortete Herr Fredy Gsteiger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF:

«Besten Dank für die Gelegenheit, Stellung zu nehmen zur Beanstandung von Herrn Hans Bieri. Herr Bieri kritisiert, ein Moderationsgespräch im ‘Echo der Zeit’ mit dem Terrorspezialisten der ARD, Holger Schmidt, sei unsachlich und unausgewogen und <bedient die gängige politische Hetze>.

In der Moderation des Gesprächs gibt ‘Echo’-Redaktionsleiter und Moderator Beat Soltermann nüchtern den Sachverhalt wieder. Er stellt dann Herrn Schmidt fünf Fragen – anders als behauptet, waren es allesamt offene und keinerlei rhetorische Fragen. Sie waren zudem ausgesprochen sachlich formuliert und nicht tendenziös. Fragen hinter denen offenkundig das Interesse stand, mehr über den Sachverhalt und die Hintergründe zu erfahren. Das Ziel war ein Erkenntnisgewinn. Klar war zu diesem Zeitpunkt, dass die deutsche Bundesanwaltschaft von einer ‘zutiefst rassistischen Gesinnung des Täters’ ausging.

Frage eins lautete: Was weiss man über das Motiv?

In Frage zwei ging es um allfällige Mitwisser oder Unterstützer. Sie lautete: Wie wahrscheinlich ist, dass die Behörden fündig werden?

In Frage drei wurde die breite Verurteilung der Terrorattacke angesprochen: Sind alle auf derselben Linie? Auch diese Frage war offen gestellt. Holger Schmidt beantwortete sie relativierend: <Auf den ersten Blick schon...>, und erläuterte das dann näher.

Frage vier: Was kann man unternehmen, um rechtsextreme Gewalt einzudämmen?

Frage fünf schliesslich behandelte die Kritik an den deutschen Behörden, sie hätten bisher bei rechtsextremer Gewalt weniger genau hingeschaut als bei islamistischer oder linksextremer. Die Frage im Wortlaut, wiederum offen formuliert: Würden Sie dem beistimmen?

Kurz: Beat Soltermann hat genau jene Fragen formuliert, die sich zu dem Zeitpunkt stellten, auf die unser Publikum Antworten erwartete. Und er hat sie sachlich, nüchtern und offen gestellt. Genauso sachlich, distanziert und zurückhaltend hat sie sein Gesprächspartner beantwortet.

Wir bitten Sie deshalb, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung von Herrn Bieri abzulehnen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich muss zuerst etwas klarstellen: Die Redaktionen von Radio und Fernsehen, gleichgültig, ob sie gebührenfinanziert, werbefinanziert, abonnentenfinanziert oder spendenfinanziert sind, sind gesetzlich verpflichtet, in Informationssendungen sachgerecht zu berichten, nicht aber zwingend, ausgewogen zu berichten. Sachgerechtigkeit bedeutet, dass die Fakten stimmen (Wahrheitsgebot), dass keine wesentlichen Fakten fehlen (Vollständigkeitsgebot), dass die Quellen offengelegt werden (Transparenzgebot), dass Distanz zu allen Akteuren besteht (Distanznorm) und dass Beschuldigte sich äußern können (Fairnessgebot). Das Vielfaltsgebot gilt jedoch nur vor Wahlen und Abstimmungen für jede einzelne Sendung. Sonst muss Vielfalt lediglich in der Gesamtheit des Programms – also im Längsschnitt – hergestellt werden. Man kann also in einer Sendung einen AfD-Politiker interviewen, ohne gleichzeitig auch einen Politiker der Linkspartei zu befragen.

Die von Ihnen beanstandete Sendung war ein Interview. Der Gesprächspartner wurde als Terror-Experte befragt. Er breitet in den Antworten seine Kenntnisse aus, nimmt aber auch Einschätzungen vor und gibt seine Meinung kund. In einer solchen Sendung stellt der Interviewer zwar die Fragen und gibt damit den Leitfaden des Gesprächs vor. Er kann aber die Antworten nicht bestellen. Manche Antworten sind jeweils voraussehbar, andere sind überraschend, manchmal sogar irritierend. Bei Interviews hat der Journalist nicht die volle Kontrolle über die Aussagen des Gesprächspartners. Und es gehört zur Fairness gegenüber einem Interviewten, dass nicht hinterher unliebsame Antworten herausgeschnitten werden.

Das, was Sie in Ihrer Beanstandung als Hetze bezeichnen und als Fehltritt rügen, war eine Aussage von Holger Schmidt, dem befragten Terror-Experten der ARD, nicht des Moderators und nicht der Redaktion. Man könnte also die Redaktion gar nicht dafür rügen. Außerdem stimmt die Aussage: Die AfD zeigt sich zwar jeweils von solch schändlichen Taten rechtsextremer Provenienz betroffen, lenkt aber die Aufmerksamkeit immer sofort auf den ihrer Meinung nach zu wenig verfolgten Linksterrorismus und Linksaktionismus. Es ist ferner ein Fakt, dass gegenwärtig in Deutschland die rechtsextreme Gewalt sehr virulent ist und zunimmt. Das hat auch Innenminister Horst Seehofer (CSU) festgestellt.

Das Interview ist denn auch mitnichten eine Hetze, sondern eine nüchterne Analyse. Ich sehe in dem Gespräch keinen Ihrer Vorwürfe begründet, so dass ich zum Schluss komme, dass ich Ihre Beanstandung nicht unterstütze.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/sendungen/echo-der-zeit/taeter-mit-zutiefst-rassistischer-gesinnung

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