SRF-Radiosendung «Zytlupe» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 27. Januar 2020 haben Sie die Radiosendung «Zytlupe» mit dem Thema «Wieder im selben Film»[1] von Bänz Friedli beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
Ich beziehe mich auf die Sendung Zytlupe vom 25.01.2019 auf SRF 1. Mit dem Beitrag «Wieder im selben Film» des Kabarettisten Friedli hat das SRF die Grenzen eines minimalsten Anstands eindeutig überschritten. Die Niederträchtigkeit und der versprühte Hass des Satirikers hat nichts mit Humor zu tun, aber beleidigt U.S. amerikanische Staatsbürger massiv, dies unabhängig von deren Parteiaffilia­tion. Verbale Angriffe auf andere Ethnien werden von den staatlichen Medien nicht toleriert, und des­halb ist es umso unverständlicher, dass ein Rundumschlag gegen die freiheitliche Gesellschaft der USA und ihres Präsidenten zulässig sein soll.

B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Frau, Anina Barandun, Redaktionsleiterin Hörspiel und Satire, SRF Kultur, schrieb:

Thema der «Zytlupe» von Bänz Friedli ist der Besuch von US-Präsident Donald Trump am WEF in Da­vos. Für Herrn X werden in diesem Satirebeitrag «die Grenzen eines minimalsten Anstandes ein­deutig überschritten». Herr X wirft Bänz Friedli «Niederträchtigkeit» vor, das Versprühen von Hass und eine massive Beleidigung aller US-Bürger und ihres Präsidenten.

Die «Zytlupe» von Bänz Friedli hat folgende drei Kernaussagen:

  • Der finanzielle, logistische und sicherheitstechnische Aufwand, der rund um den Besuch von Donald Trump betrieben wurde, war enorm. Die Zahlen und Fakten, die Bänz Friedli nennt, sind alle belegt. Ebenfalls belegt ist, dass die Aussagen, die Donald Trump in seiner Rede ge­macht hat, nicht alle korrekt waren (siehe z. Bsp. den Faktencheck des Bayerischen Rund­funks).
  • Bänz Friedli kritisiert die Auftritte der Schweizer Prominzen als anbiedernd. Namentlich er­wähnt er Klaus Schwab (WEF), Giovanni Infantino (FIFA) sowie die Bundesräte Ignazio Cassis, Ueli Maurer und Guy Parmelin.
  • Und schliesslich vergleicht der Satiriker den pompösen Auftritt Donald Trumps mit der stillen, aber wirkungsmächtigen Anwesenheit von Greta Thunberg.

Die Kritik von X an Bänz Friedli liegt allerdings nicht auf der Ebene der Fakten, sondern im Tonfall und der vermuteten antiamerikanischen Haltung des Satirikers. Die drei prägnantesten Aus­sagen von Bänz Friedli sind:

  • «När dä mit der Frisur. Wo us Washingte aaflügt u chunnt cho pralaagge, was är für ne geile Siech syg.»
  • «e 73-jährige Chindsgrind»
  • «Dr President het a Mouggere gmacht, dass Gott erbarm”, als ihn Simonetta Sommaruga auf den Klimawandel ansprechen wollte.

Bänz Friedli wählt in seinem satirischen Kommentar zum WEF klangvolle, aber keineswegs aggressive Ausdrücke, wie sie in der berndeutschen Mundart in grosser Zahl vorkommen und schweizweit eher als verharmlosend wahrgenommen werden. Auf Hochdeutsch könnte man übersetzen, Donald Trump werde von Bänz Friedli als ein Prahlhans und Kindskopf dargestellt, der übellaunig reagiere, wenn er auf ein Thema lieber nicht eingehen möchte. Das ist meilenweit von einer «massiven Beleidigung» entfernt. Daher ist es auch vollkommen deplatziert, Bänz Friedli Niederträchtigkeit oder Hass vorzu­werfen.

Nachtrag:

Xs offizielle Beanstandung ist nicht seine einzige Reaktion auf die «Zytlupe» von Bänz Friedli. Herr X hat sich – ausführlicher und wütender – auch beim Kundendienst von SRF gemel­det. Auf dieses Schreiben hat er von Bänz Friedli eine ausführliche und überaus anständige Antwort erhalten. Der Vollständigkeit halber sei diese bemerkenswerte Korrespondenz hier angefügt.

Mail von X:

Damen und Herren, ich beziehe mich auf Ihre Sendung Zytlupe vom 25.01.2019. Mit dem Beitrag <<Wieder im selben Film>> des Kabarettisten Friedli hat das SRF die Grenzen eines minimalsten An­stands eindeutig überschritten. Ich bin regelmässiger Hörer Ihrer Programme und besitze durchaus ein Gespür dafür, welche Ihrer Beiträge neutral recherchiert, und welche suggestiv aufbereitet sind. Zu letzteren gibt es verschiedene Beispiele, und die ausgelebte Niederträchtigkeit und der versprühte Hass Ihres mässig erfolgreichen Satirikers in einem begrenzten deutschsprachigen Raum toppt dabei aber jede wahrgenommene Parteimeinung Ihres Mediums. Als U.S. amerikanischer Staatsbürger schätze ich vieles an der Schweiz, aber das ausgeprägte provinzielle Denken und als gesellschaftliche Eigenheit verkaufte Bösartigkeit im täglichen Leben gehören nicht dazu. Und wenn Ihnen die Unter­schiede zwischen Satire, Provokation und Hass nicht klar sind, dann sei Ihnen ein e Aufnahme des derzeitigen gesellschaftlichen Wohlbefindens unter der Führung und Ägide Ihrer hiesigen, drittklassi­gen Landesregierung empfohlen. Danke für Ihre Kenntnisnahme, X

Antwort von Bänz Friedli:

Sehr geehrter X,

vielen Dank für Ihre Anmerkungen und Kritik zu meiner «Zytlupe», von denen ich leider erst jetzt Kenntnis erhalte. Erlauben Sie mir als Autor dazu eine kurze persönliche Stellungnahme.

Zunächst möchte ich kurz festhalten, dass es sich hier nicht um irgendein Programm handelt, sondern um ein seit bald 40 Jahren etabliertes und der Hörerschaft als solches bekanntes und vertrautes Sati­regefäss, das eine andere Tonalität erlaubt als eine Nachrichtensendung. Dass Sie die Programme von Radio SRF generell als tendenziös empfinden, sei Ihnen unbenommen. Ich selber glaube freilich nicht, dass SRF «parteiisch» sei, wie Sie meinen. Parteiischen Rundfunk, wie er in den USA üblich ist (CNN, Fox News), kennen wir eigentlich nicht, und als öffentlich-rechtlicher Sender ist SRF der Unparteilich­keit verpflichtet.

Was nun aber die «Zytlupe» im allgemeinen und speziell die von Ihnen kritisierte Ausgabe betrifft, glaube ich, dass es mir und der zuständigen Redaktion sehr wohl bewusst ist, was Satire darf und ver­mag und wo allenfalls ihre Grenzen liegen; das ist unser Beruf und unsere Verantwortung; wir neh­men sie ernst. (By the way, selber bin ich ein grosser Fan amerikanischer Satire, in der wir Europäer ja oft arg und teils recht pauschal drankommen.)

Sie reden von Hass und Bösartigkeit. Kann es sein, dass Sie den Überbringer der Botschaft als Täter brandmarken? Offenbar hören Sie als US-amerikanischer Staatsbürger einen Angriff auf Ihr Land her­aus oder nehmen meine Satire gar persönlich. Aber ich empfinde keinen Hass, und meine «Zytlupe» war frei davon. Im Gegenteil, ich bin in Sorge um Ihr Land, das ich liebe und bereits 38-mal bereist habe. Ich empfinde keinen Hass. Höchstes vielleicht eine gewisse gesellschaftliche Geringschätzung für den Präsidenten, just deshalb, weil er Hass sät und menschenverachtende, herabmindernde und rassistische Bemerkungen macht. Mir scheint, sie verwechseln diesen von Donald Trump täglich ge­schürten Hass mit meinem Tonfall. Und wenn Sie genau hinhören, war meine von Ihnen kritisierte «Zytlupe» vor allem eine Kritik an der offiziellen Schweiz und am hier durchgeführten Weltwirtschafts­forum WEF.

Deshalb nehme ich auch gern zur Kenntnis, dass Sie sich despektierlich über unser Land – in dem Sie offenbar leben? – und unsere «drittklassige» Regierung äussern. Denn es liegt in der Kultur der Schweiz, dass dies erlaubt und möglich ist, ohne dass ich mich deswegen persönlich angegriffen fühlte. Gerade wegen dieser Kultur und Mentalität, die jederzeit auch kritische Gedanken zulässt, glaube ich nicht, dass ich in meinem Text unanständig war.

Mit freundlichen Grüssen

Bänz Friedli

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Seit über 30 Jahren analysiert der rund siebenminütige satirische Wochenrückblick «Zytlupe» mittels starker Stimmen die Hochs und Tiefs der Politwoche, und zwar ungefiltert und ungeniert unkorrekt.[2] So beschreibt sich die Sen­dung im eigenen Portrait – und exakt so war der Beitrag von Bänz Friedli. Er mokiert sich über viel zu viel Helikopterlärm und viel zu viel heisse Luft in den Bündner Bergen. Und Bänz Friedli fragt sich, ob die offizielle Schweiz «einem alten Egomanen» viel zu viel Ehre erweist. Er erzählt wortstark von mehr als nur einem Déjà-vu.[3]

Der Autor und Kabarettist Bänz Friedli bedient sich dabei der Satire. Als Satiriker hat er die Aufgabe, aus seiner subjektiven Warte heraus ein reales Ereignis überzeichnet und zugespitzt darzustellen. Die Position des Satirikers stellt somit den genauen Gegenpol zum Journalisten dar, welcher der Ausgewo­genheit verpflichtet ist. Satire ist nämlich die scharfe, sarkastische, bissige, witzige Übertrei­bung und Überspitzung der Wirklichkeit, die Sachverhalte und menschliches Handeln zur Kenntlich­keit entstellt. Kurt Tucholsky, der Journalist und Schriftsteller, schrieb 1919, Satire dürfe alles. Auch der Komiker Oliver Polak sagt heute: «Man kann Witze über alles machen». So weit würde ich aller­dings nicht gehen. Der Spielraum der Satire ist zwar weit, aber es sind ihr auch Grenzen gesetzt. So ist es zum Beispiel allzu billig, wenn sich Humoristen und Witzbolde über menschliche Eigenschaften wie Kleinwüchsigkeit oder Dickleibigkeit oder über die Hautfarbe lustig machen.

Die Satire kann – wie oben angemerkt – aber nicht scharf genug sein, wenn deplatziertes menschli­ches Handeln zur Debatte steht. Sie kann nicht bissig genug sein, wenn Fehlleistungen oder Grös­senwahn-Entwicklungen von Politikern oder Wirtschaftsbossen wie beispielsweise beim WEF in Da­vos aufs Korn genommen werden. Dies hat nichts mit einer Verletzung des «minimalsten Anstands» zu tun, sondern mit der der Satire zugestandenen Kunst- und Meinungsäusserungsfreiheit. Im Falle des von Ihnen kritisierten Radiobeitrags kommt auch noch die Medienfreiheit dazu. Natürlich müssen diese Freiheiten abgewogen werden gegenüber anderen Grundrechten wie das Recht auf Menschenwürde, die Religionsfreiheit und das Diskriminierungsverbot. Die Satire geniesst somit riesige Freiheit. Sie darf die Fakten in ihrer Erzählung durchaus variieren, übertreiben, ausschmücken, aber die Faktenbasis muss auch in der Satire stimmen. Gerade wer mit bissigem Spott frontal angrei­fen will, muss besonders genau recherchieren – und auch das hat Bänz Friedli in seinem Beitrag getan.

Alles in allem handelte es sich um witzige, auf Fakten basierenden Satire, die «die Grossen» von Davos auf meisterliche Art und Weise aufs Korn nahm. Das hat weder mit «Niederträchtigkeit» noch mit «Hass» zu tun wie Sie glauben. Von einer massiven Beleidigung US-amerikanischer Staatsbürger sehe ich nicht.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich Ihre Beanstandung keinesfalls unterstützen kann.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernseh­geset­zes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfü­gung.

Mit freundlichen Grüssen,
Manfred Pfiffner, stv. Ombudsmann

[1] https://www.srf.ch/sendungen/zytlupe/wieder-im-selben-film-mit-baenz-friedli

[2] https://www.srf.ch/sendungen/zytlupe/sendungsportraet

[3] https://www.srf.ch/sendungen/zytlupe/wieder-im-selben-film-mit-baenz-friedli

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