Die Ombudsstelle und die SRF-Nahost-Berichterstattung
Wie geht die Ombudsstelle bei der Beurteilung einer Beanstandung vor? Anhand einer Beanstandung gegen einen «Echo der Zeit»-Beitrag über israelische Veteranen veranschaulichen Esther Girsberger und Kurt Schöbi ihre Arbeit bei der Ombudsstelle.
Ein Beanstander hat eine Reportage des «Echo der Zeit» vom 20. April 2021 kritisiert. Dabei kam ein israelischer Veteran zu Wort, der klar deklariert worden ist als Aktivist der Nichtregierungsorganisation «Breaking the Silence». Diese hat sich zum Ziel gesetzt, über den Besatzungsalltag in Israel aufzuklären. Der Beanstander kritisiert unter anderem, dass im Bericht von der «Besatzungsmacht Israel» gesprochen worden ist.
Eine entscheidende Frage
Die SRF-Nahost-Berichterstattung sorgt seit Jahren immer wieder regelmässig für Beanstandungen. Vor allem bei Beanstanderinnen und Beanstandern, die sich gegen eine vermeintlich zu Israel-kritische Haltung ärgern und sich immer wieder mit Klagen an die Ombudsstelle richten. Die Ombudsleute sahen sich deshalb veranlasst, in ihrem Schlussbericht zum «Echo-der-Zeit-Bericht» vom 20. April folgendes festzuhalten:
Die ganze Nahostproblematik geht auf eine entscheidende Frage zurück: «Wem gehört das Heilige Land». Der Beanstander hat diese Frage für sich beantwortet, andere beantworten sie aber diametral anders. Nicht von ungefähr argumentieren die beiden unversöhnlichen Lager auch gleich: «Das ist historisch arabisches Land» sagen die Palästinenser. «Das ist historisch jüdisches Land» sagen in Israel lebende Juden. Wobei «historisch» eben auch auf die Wurzeln der Heiligen Schriften zurückgehend gedeutet wird.
Nach der Niederlage Jordaniens und seiner Verbündeten im Sechstagekrieg 1967 hatte Israel die Stadtgrenzen von Jerusalem neu gezogen. Nach internationalem Recht gilt der annektierte Teil von Jerusalem bis heute als besetztes Gebiet, und die Palästinenser beanspruchen das Gebiet für ihre geplante Hauptstadt al-Kuds. Israel betrachtet ihn dagegen als Teil der «gesamten und vereinigten» Hauptstadt Jerusalem. An Vorschlägen, wie sich die Stadt teilen liesse, hat es in den letzten Jahrzehnten nicht gemangelt. Doch am Ende landeten sie in den Schubladen, und mit jedem Jahr schwinden die Aussichten, dass im Ostteil eine palästinensische Hauptstadt entstehen kann. Das Gleiche gilt für eine Zweistaatenlösung ganz generell.
Als besetzt gewertet
Fakt ist, dass als israelisch besetzte Gebiete diejenigen Gebiete bezeichnet werden, die unter israelischer Kontrolle stehen und ausserhalb der 1949 mit den Nachbarn geschlossenen Waffenstillstandslinien des jüdischen Staates liegen. Fakt ist, dass diese Gebiete vom Internationalen Gerichtshof, der Uno und anderen internationalen Organisationen sowie einer erheblichen Anzahl von Regierungen als besetzte Gebiete gewertet werden – ungeachtet des Anspruchs weiter Teile der israelischen Bevölkerung, das Ostjerusalem und die Golanhöhen als Israel zugehörig bzw. als «umstrittene Gebiete mit offenem Anspruch» qualifiziert.
Wenn es nun um die Berichterstattung geht, so orientiert sich auch SRF an diesen von der Mehrheit der Völkergemeinschaft und deren Institutionen vertretenen Haltung. Beanstanderinnen und Beanstander mögen das falsch finden und immer wieder kritisieren. SRF wird seine Haltung aber aus oben genannten Gründen nicht ändern und auch die Ombudsstelle sieht keinen Grund, sich daran zu stossen. DieBeanstanderinnen und Beanstander werden diesem Argumentarium in Schlussberichten immer wieder begegnen. Die Ombudsstelle hat dem Beanstander der «Echo der Zeit»-Reportage in einem persönlichen Treffen versucht die Sichtweise und die gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben der Ombudsstelle näher zu bringen:
Die Ombudsstelle ist kein Gericht
Die Ombudsstelle kann sich nicht zu jedem einzelnen Punkt einer Beanstandung äussern. Sie versetzt sich in die SRF-Konsumentinnen und -konsumenten und hat die Pflicht zu prüfen, ob die dargestellten Sichtweisen eine genügende Basis bilden, um einem mündigen Publikum, das aber über kein Experten- oder Fachwissen verfügt, komplexe Zusammenhänge korrekt, allerdings mit der gesetzlich gewährten journalistischen Freiheit näher zu bringen. Auch die Ombudsstelle ist kein Fachexperten-Gremium. Anders als eine Gerichtsbehörde ist sie eine Vermittlungsstelle, die über keine Ressourcen wie die Gerichte verfügt. Diese können, wenn der «Kläger» ungezählte vermeintliche Beweisstücke beilegt, beispielsweise Gutachten durch Experten erstellen lassen. Diese würden die vom Beanstander jeweils zahlreich eingereichten Dokumente nach allen Regeln der Kunst prüfen und käme allenfalls zum Schluss, dass die eine oder andere Aussage in einem SRF-Bericht nicht zu hundert Prozent korrekt wäre – wobei das nur jemand merken würde, der sich jahrzehntelang mit der Materie auseinandergesetzt hat. An die SRF-Beiträge kann aber nicht dieser Massstab angesetzt werden. Entscheidend ist, dass die SRF-Konsumenten die gezeigten Beiträge einordnen können und diese keinen objektiv falschen Eindruck entstehen lassen.
Mit anderen Worten: die Ombudsstelle prüft Beanstandungen seriös, aber in den Augen des Beanstanders wohl «pauschal» bzw. in ihren Augen angebracht aufgrund der zu prüfenden Sendung. Deshalb hat sie auch diese Beanstandung, die sich gegen besagten «Echo der Zeit»-Beitrag richtete, abgelehnt.
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