Nackte Männer in der «Tagesschau» erhitzen die Gemüter

Im Rahmen des Zürcher Theaterspektakels wurde das Tanzstück «Fuck me» der argentinischen Choreografin und Ex-Tänzerin Marina Otero gezeigt. Die «Tagesschau» vom 29. August 2021 berichtete darüber und zeigte Ausschnitte aus dem Stück, in dem nackte Männer auftreten. Die Beanstandenden störten sich an den nackten Männern, wenn auch aus teilweise unterschiedlichen Gründen.

Die ehemalige, argentinische Tänzerin Marina Otero hat ihren Körper durch das Tanzen zugrunde gerichtet. Sie kann nicht mehr tanzen. In ihrem Stück «Fuck me» lässt sie fünf Männer für sich tanzen und erzählt von ihrem Leben und der Ausbeutung ihres Körpers. Gleichzeitig übt sie radikale Kritik an der Leistungsgesellschaft.

Mehrere Zuschauerinnen und Zuschauer beanstanden den «Tagesschau»-Beitrag über das Stück. Allen missfällt die Nacktheit der Männer und das Zeigen der Bilder in der «Tagesschau». Während die einen den Beitrag als zu wenig relevant für die «Tagesschau» betrachten, bezeichnen andere die gezeigten Bilder als obszön, dekadent, abartig. Wiederum andere beklagen Gleichstellung um jeden Preis oder sehen im Beitrag ein «Männerbashing» oder gar ein «Genderwahnsinn». In den Augen von einigen Beanstandenden verletzt der Beitrag den Schutz von Minderjährigen.

Kultur gehört zur «Tagesschau»

Beiträge über kulturelle Veranstaltungen gehören zum Stoff der «Tagesschau», schreiben die Redaktionsverantwortlichen in ihrer schriftlichen Stellungnahme. Dabei wolle man das ganze Spektrum der Kultur in der Schweiz abbilden. Man berichte sowohl über herausragende, innovative Projekte als auch über grosse Kultur-Events. Dabei dürften moderne Strömungen des Kulturlebens nicht ausgelassen werden. Das Zürcher Theaterspektakel sei ein kulturelles Grossereignis, das wichtige und spektakuläre Produktionen aus aller Welt in die Schweiz hole.

Die «Tagesschau»-Redaktion erinnert daran, dass Kunst irritieren und provozieren könne. Solche Produktionen würden vom Publikum und in den Medien breit diskutiert. Dazu solle auch die «Tagesschau» ihren Beitrag leisten.

Marina Otero gehöre zu den bedeutendsten, zeitgenössischen Choreografinnen Lateinamerikas und bediene sich einer radikalen Theatersprache. Dabei verwende sie die Nacktheit nie als obszönes, voyeuristisches Mittel, auch nicht als Selbstzweck zur Befriedigung irgendwelcher Bedürfnisse. Vielmehr setze sie die Nacktheit bewusst als künstlerisches Mittel ein. Für die Ombudsleute sind die Erklärungen der Redaktion nachvollziehbar. Sie finden den Beitrag weder obszön noch pornografisch.

Zurückhaltung bei der Bildauswahl

Die Bilder aus dem Stück seien sorgfältig und zurückhaltend ausgewählt worden, hält die Redaktion fest. Man habe bewusst auf brutale und kriegerisch-martiale Szenen verzichtet und nur gezeigt, was für das Verständnis des Themas notwendig gewesen sei. So habe man auch keine Nahaufnahmen und Details gezeigt. Zudem habe man in der Anmoderation des Beitrags darauf hingewiesen, dass nun nackte Männer zu sehen seien und dies – viel stärker als nackte weibliche Haut – irritieren könne.

Wurde Jugendschutz tangiert?

Einige Beanstandende sehen durch den monierten Beitrag die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz von Minderjährigen verletzt. Die «Tagesschau»-Redaktion ist überzeugt, dass durch die zurückhaltende Umsetzung des gewählten Stoffes und die Kürze der gezeigten Bilder Minderjährige nicht gefährdet gewesen seien. Zudem berichte die «Tagesschau» über viel «schlimmere» Dinge wie Kriege, Anschläge, Menschenrechtsverletzungen oder Naturkatastrophen.

Die Ombudsleute sind sich betreffend Jugendschutz nicht einig geworden. Die eine Hälfte der Ombudsstelle sieht den Jugendschutz gemäss RTVG nicht verletzt, die andere hingegen schon: Gemäss Kinder- und Jugendmedienschutzrichtlinien müsse das Fernsehprogramm von 6 – 20 Uhr für Kinder unter 12 Jahren unbedenklich sein. Die Bilder seien zwar nicht pornografisch, aber Kinder würden nackte Männer ungefragt sehen und ohne dass sie danach gezielt suchten. Zudem führe das Zürcher Theaterspektakel das Stück «Fuck me» im Programm mit einer Altersempfehlung «ab 18 Jahren» auf. Der Veranstalter zeige sich damit zurückhaltender als der öffentliche Sender.

Zur «Tagesschau» vom 29. August 2021

Schlussbericht Ombudsstelle 7933
Schlussbericht Ombudsstelle 7934
Schlussbericht Ombudsstelle 7935
Schlussbericht Ombudsstelle 7936
Schlussbericht Ombudsstelle 7937
Schlussbericht Ombudsstelle 7938
Schlussbericht Ombudsstelle 7945

Text: SRG.D/dl

Bild: SRG.D/Illustration Cleverclip

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