DOK «Unser täglich Fleisch» war sachgerecht
Zum DOK-Film «Unser täglich Fleisch – Von Gülle, Jobs und Umweltschäden» vom 14. Dezember 2023 gingen bei der Ombudsstelle 109 Beanstandungen ein. Der Film löste vor allem bei Luzerner Landwirten und Landwirtinnen Unmut aus. Sie monieren, die Bauern und Bäuerinnen würden schlechtgemacht. Zudem informiere der Film einseitig und tendenziös und unterschlage Fakten. Die Ombudsleute sehen es anders und können die Beanstandungen nicht unterstützen.
Der Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband hat seine Mitglieder zum Einreichen von Beanstandungen aufgerufen, um ihren Unmut über den DOK-Film zu äussern. Der überwiegende Teil der Beanstandungen stammt denn auch von Personen aus dem Kanton Luzern, einige Beanstandungen aus dem angrenzenden Aargau. Mit dem Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband, dem Schweizer Bauernverband und Suisseporcs haben ausserdem drei Verbände eine Beanstandung eingereicht.
Erwartungsgemäss löste der DOK-Film einiges an Echo in der Presse und in den sozialen Medien aus. Nebst Kritik aus der Landwirtschaftsbranche gab es aber auch viele positive Stimmen.
Die heftig geäusserte Kritik der Beanstander und Beanstanderinnen ist teilweise allgemein gehalten, zum Teil betrifft sie Detailpunkte sowie fachspezifische und wissenschaftliche Fragen. Häufig beklagt wird, dass der Film nur negativ berichte und die regionale Landwirtschaft anprangere. Es werde einseitig und tendenziös informiert und Fakten seien unterschlagen worden. Beispielsweise habe sich die Situation bezüglich der Seen enorm verbessert und man stehe «eigentlich kurz vor der Ziellinie», so einige Beanstandende. Ausserdem würden die Projekte und Anstrengungen der Branche nicht erwähnt und nicht auf die positiven Entwicklungen der Landwirtschaft hingewiesen.
Nach wie vor überdüngte Seen
Am Beispiel des kurzen Lebens des Mastschweinchens Nummer 6003 werde aufgezeigt, wie Fleisch in der Schweiz produziert werde, schreibt die verantwortliche Redaktion in ihrer schriftlichen Stellungnahme. Es werde auch gezeigt, woher das Futter stamme und was die Auswirkungen der Gülle in einem Gebiet mit intensiver Landwirtschaft seien. Ausgewählt wurde die Region rund um den Baldeggersee, dem sogenannten Luzerner «Schweinegürtel».
Der Film zeigt die Folgen der intensiven Tiermast am Beispiel des überdüngten Baldeggersees und der überdüngten Schweizer Wälder. Gemäss Wissenschaft reichen die technischen Massnahmen in der Landwirtschaft nicht, um das Umweltziel beim Güllen-Nährstoff Ammoniak zu erreichen. Der DOK-Film zitiert die Studie der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL), die für den Kanton Luzern berechnet hat, dass neben technischen Massnahmen die Tierbestände um 40% reduziert werden müssten, um das Reduktionsziel für Ammoniak zu erreichen. Die DOK-Redaktion legt in ihrer Stellungnahme dar, dass die wissenschaftlichen Fakten gegen die Aussagen in den Beanstandungen sprechen, wonach die Landwirtschaft sich auf den «letzten Metern vor der Zielerreichung» befinde.
Politik und Gesellschaft in der Verantwortung
Im DOK-Film würden nicht einzelne Bauern und Bäuerinnen für die Probleme verantwortlich gemacht. Der im Film porträtierte Bauer habe alle technisch möglichen Massnahmen umgesetzt, um Ammoniak- und Geruchsemissionen zu reduzieren. Der DOK zeige vielmehr die Verantwortung der Politik auf und konfrontiere den zuständigen Regierungsrat. Die Hauptkritik des Films betreffe den mangelnden Vollzug der Umweltschutzgesetze.
Nebst den Tierbeständen sollte laut landwirtschaftlicher Forschungsanstalt Agroscope ebenfalls der Fleischkonsum der Bevölkerung um 70 % verringert werden. Hier stehe die Gesellschaft in der Verantwortung und nicht die Bauern, schreibt die Redaktion.
Die Redaktion wehrt sich gegen den Vorwurf, es sei nicht neutral berichtet worden. Mit den Gesprächspartnern im Film würden alle Seiten des Problems abgedeckt. Der zuständige Regierungsrat sei mit den kritischen Punkten konfrontiert worden. Er sei ausführlich zu Wort gekommen. So habe er das Dilemma klar machen können zwischen dem Vollzug des Gewässerschutzgesetzes via Reduktion der Tierbestände und der Tatsache, dass diese im Luzerner Parlament nicht mehrheitsfähig sei.
Landwirtschaft ist zu Wort gekommen
Ebenso wenig nachvollziehen kann die Redaktion den Vorwurf, positive Bemühungen der Landwirtschaft seien nicht erwähnt worden. Am Beispiel des porträtierten Bauern Arthur Röösli werde gezeigt, welchen Aufwand er betreibe, um die technisch möglichen Massnahmen auszuschöpfen. Entgegen den Aussagen einiger Beanstandenden stehe mit Röösli ein typischer Vertreter der Landwirtschaft im Zentrum des Films. Er und sein Vater arbeiteten seit Jahrzehnten als Schweinezüchter. Bauer Röösli komme im DOK breit zu Wort.
Die Landwirtschaft wird nach Auffassung der Redaktion im DOK auch nicht als alleinige Schuldige dargestellt. Es würde im Film deutlich gesagt, dass die Überdüngung des Baldeggersees ursprünglich auch von Abwässern von Industrie und Haushalten stamme. Danach seien die ARA Hochdorf gebaut und Phosphat im Waschmittel verboten worden. Tatsache sei jedoch, dass seit Mitte der 1980er Jahre der Haupteintrag des Phosphors in den Baldeggersee aus den landwirtschaftlichen Flächen stamme.
Transparent und sachgerecht
Ein Vorwurf von Beanstanderseite lautete, das mehrheitlich nicht fachkundige Publikum habe keine Chance, sich aufgrund der gelieferten Informationen ein umfassendes Bild zu machen. Diesen Vorwurf lassen die Ombudsleute nicht gelten, ganz im Gegenteil. Gerade für das Publikum mit wenig Fachwissen blieben folgende Eindrücke:
Erstens werde nicht die Landwirtschaft an den Pranger gestellt, sondern die Politik. Sie zwinge nämlich die Landwirtschaft nicht zu dem Verhalten, zu dem sie gesetzlich verpflichtet wäre. Zum zweiten seien die freiwilligen Massnahmen, die der Umwelt zugute kämen, zu wenig genutzt worden. Ein Vorreiter seiner Branche in Sachen technische Massnahmen sei Bauer Röösli, der in der Folge als «Nestbeschmutzer» beschimpft wird. Der dritte, klar zu Tage tretende Eindruck aufgrund der «DOK»-Reportage sei die Erkenntnis, dass die Hauptverantwortung bei der Gesellschaft liege – bei den Konsumentinnen und Konsumenten, die zu viel Fleisch essen würden. Der DOK-Film trage dazu bei, dass man dieses Verhalten hinterfrage.
Deshalb sei der DOK bis zu einem gewissen Grad anwaltschaftlich gehalten, stellen die Ombudsleute fest. Die Transparenz sei jedoch gewahrt worden, indem kritische Distanz zum Ergebnis der eigenen Recherchen gehalten werde und mittels Erklärungen von Drittpersonen.
Nach Auffassung der Ombudsleute konnten sich die Zuschauenden ein eigenes, sachgerechtes Bild machen. Es seien keine wesentlichen Umstände verschwiegen worden. Die Auswahl der zu Wort kommenden Protagonistinnen und Protagonisten sei ausgewogen gewesen. So hätten sich insbesondere die Politik – amtierende und ehemalige Politiker –, aber auch Gewerbebetreibende ausgiebig äussern können.
Das Gebot der Sachgerechtigkeit verlange nicht, dass alle Standpunkte qualitativ und quantitativ genau gleichwertig dargestellt würden. Entscheidend sei, dass das Publikum erkennen könne, dass und inwiefern eine Aussage umstritten sei. Das sei im beanstandeten DOK-Film der Fall gewesen.
Die Ombudsstelle sieht keinen Verstoss gegen die Bestimmungen des Radio- und Fernsehgesetzes und kann die Beanstandungen somit nicht unterstützen.
DOK vom 14. Dezember 2023
DOK vom 14. Dezember 2023
Kommentar
Kommentarfunktion deaktiviert
Uns ist es wichtig, Kommentare möglichst schnell zu sichten und freizugeben. Deshalb ist das Kommentieren bei älteren Artikeln und Sendungen nicht mehr möglich.