Ombudsstelle unterstützt Kritik an Bericht über Pro-Palästina-Demo teilweise

Zum «Tagesschau»-Beitrag vom 13. Januar 2024 über die Pro-Palästina-Demonstration in Basel gingen bei der Ombudsstelle vier Beanstandungen ein, eine richtete sich gegen den LinkedIn-Post des Redaktors. Die Beanstanderinnen erachten den Bericht als nicht sachlich und einseitig. Eine Beanstanderin monierte zudem, den Demonstrierenden sei Antisemitismus vorgeworfen worden. Die Ombudsleute unterstützen die Beanstandungen teilweise.

Mehrere der Beanstanderinnen – es sind alles Frauen – monieren, es werde im «Tagesschau»-Bericht zu wenig auf die Forderungen der Demonstrierenden nach Frieden und Waffenstillstand eingegangen. Sie wünschten sich, dass alle Seiten neutral beleuchtet worden wären.

Zudem würde im Bericht das Äussern der Parole «From the river to the sea, Palestine will be free» durch Protestierende angeprangert. In derselben Logik müsste auch über die wiederholte Äusserung des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu, dass das ganze Gebiet unter Israels Kontrolle sein müsse, berichtet werden, findet eine der Beanstanderinnen.

Friede und Freiheit für alle?

Die verantwortliche Redaktion verweist auf die kontroverse Vorgeschichte der Kundgebung Dazu gehöre die selbst in Pro-Palästina-Kreisen umstrittene Forderung des zur Demonstration aufrufenden Dachverbands Schweiz-Palästina alle Gefangenen in israelischer Haft freizulassen. Ausserdem sei im Aufruf zur Demonstration eine Forderung nach «Frieden für alle» nicht erkennbar gewesen. Vielmehr habe es Hinweise darauf gegeben, dass es bei der Kundgebung vor allem um eine Schuldzuweisung an Israel gehen würde.

Es sei in dieser «Tagesschau» deshalb nicht um einen allgemeinen Bericht über die Demonstration, sondern um einen bestimmten Fokus gegangen. Der SRF-Journalist wollte darüber berichten, ob das Versprechen des Veranstalters eingehalten worden sei, jegliche Diskriminierung oder Rassismus nicht zu dulden. Dieser Fokus sei bereits in der Anmoderation klar geworden.

Problematische Parole

Der Beitrag thematisiere zuerst die umstrittene Parole «From the river to the sea...». Die Redaktion weist darauf hin, dass die Parole in Deutschland strafbar sei und von vielen als judenfeindlich betrachtet werde, weil er das Existenzrecht Israels leugne. In der Schweiz werde eine Verschärfung der Gesetzgebung für extremistische Parolen und Symbole diskutiert.

Ausgehend von dieser Parole habe eine Vertreterin des Dachverbands Schweiz-Palästina sie rechtfertigen und dem Publikum ihre Interpretation der Parole erklären können. Der Reporter gebe anschliessend seinen Gesamteindruck der Demonstration als aussenstehender Beobachter und Extremismus-Experte ab. Er messe die Veranstalter:innen an ihren eigenen Worten, die Forderung «nach Frieden und Freiheit («From the river to the sea...») würde für alle Menschen im «historischen Palästina» gelten. Der SRF-Journalist komme zum Schluss, dass er davon an der Demonstration nichts gesehen habe. Nicht der Ruf nach Frieden für alle, sondern vor allem Beschuldigungen Israels seien im Vordergrund der Demonstration gestanden. Es gehöre zu den Kernaufgaben eines unabhängigen Journalismus, solche Widersprüche zu benennen, ist die «Tagesschau»-Redaktion überzeugt.

Nichterwähnung ist noch keine Diskriminierung

Die Ombudsleute weisen darauf hin, dass der umstrittene Slogan («From the river to the sea...») in der Schweiz zwar (noch) nicht verboten sei, gemäss u.a. der Schweizerischen Israelitischen Gemeinschaft (SIG) allerdings als klar antisemitisch eingestuft werde, Hass schüre und den Konflikt weiter anheize.

Die Interpretation werde aber auch anders ausgelegt: Die Region vom Jordan bis zum Mittelmeer solle frei sein von Krieg und Diskriminierung. Demzufolge solle der Nahostkonflikt friedlich gelöst werden, entweder mit einer Zweistaatenlösung oder mit einem Staat, der allen Bewohner:innen vom Jordan bis zum Mittelmeer volle Rechte garantiert. Nebst anderen lege beispielsweise die Jüdin und Alt Bundesrätin Ruth Dreifuss den Slogan so aus.

Der SRF-Journalist stelle in Frage, ob die Ankündigung eingehalten werden könne, keine Diskriminierung oder Rassismus zuzulassen. Er sage damit nicht, der Slogan sei antisemitisch. In dieser Hinsicht sehen die Ombudsleute das Sachgerechtigkeitsgebot als nicht verletzt an.

Die Ombudsleute sind sich mit dem Journalisten einig: Wenn die Veranstaltenden der Demonstration Frieden und Freiheit für alle Menschen forderten, müssten sie auch die Freilassung der israelischen Geiseln fordern und den Hamas-Terror verurteilen. Doch für die Ombudsleute ist es fraglich, ob das Nichterwähnen bei einer solchen Demonstration einer Diskriminierung gleichkomme. Die Aussage des Journalisten, Israel sei als alleiniger Täter dargestellt worden, ist für die Ombudsleute nicht zutreffend. Auslassungen oder Nichterwähnungen könnten nicht als Zuschreibung der Alleinschuld durchgehen. In diesem Punkt erkennen die Ombudsleute einen Verstoss gegen die Sachgerechtigkeit.

Der Redaktor des Beitrags hatte in seinem ersten LinkedIn-Eintrag verschriftlicht, was er im «Tagesschau»-Beitrag gesagt hatte. Dort stellte er unter anderem die Frage: «Wo war die Forderung nach einer Freilassung der Geiseln?» und merkte an, dass man «von alledem» nichts gesehen habe. Das ist in den Augen der Ombudsleute nicht richtig, die Forderung sei am Rande der Demonstration gestellt worden.

Das sei eine nicht selbstverständliche und relevante Bemerkung, so die Ombudsleute. Die ursprüngliche Bemerkung liegt nach Auffassung der Ombudsstelle deshalb aus medienrechtlicher Sicht nicht im zulässigen Rahmen. Sie stellte deshalb einen Verstoss gegen das Sachgerechtigkeitsgebot fest.

«Tagesschau» vom 13. Januar 2024: «Kundgebung in Basel für Palästinenser»

Text: SRG.D/dl

Bild: SRG.D/Illustration Cleverclip

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