«Ich will nicht als Besserwisser auftreten»
Urs Hofmann waltet seit Anfang März neben Esther Girsberger als Co-Leiter der Deutschschweizer SRG-Ombudsstelle. Der Jurist und Alt-Regierungsrat sagt zum Amtsantritt, für ihn sei es ein zentrales Anliegen, dass die Ombudsstelle in der Bevölkerung als unabhängige Anlaufstelle für alle wahrgenommen wird.
Urs Hofmann kommt gerade aus Chile. Während vier Monaten reiste er durch das Land, drei davon allein. «So lange allein unterwegs zu sein, war eine Premiere für mich», sagt er, als wir ihn im SRF Studio Zürich Leutschenbach treffen. Chile ist eine Nation inmitten einer veritablen Politkrise, die Totelrevision der Verfassung aus der Pinochet-Diktatur ist soeben ein zweites Mal gescheitert. Der Politiker und Jurist Hofmann ist offensichtlich besorgt über die Entwicklungen der Demokratien in Südamerika.
Heute ist es seine eigene demokratische Rolle, die den 67-Jährigen nach Zürich geführt hat. Seit Anfang März führt er gemeinsam mit Esther Girsberger die Ombudsstelle der SRG Deutschschweiz, die Beanstandungen zu SRF-Berichterstattungen prüft. «El Defensor del pueblo» heisse der Ombudsmann auf Spanisch, der Verteidiger des Volkes. So nehme er seine neue Aufgabe auch wahr, sagt Hofmann. «Die Ombudsstelle muss eine glaubwürdige, unabhängige Anlaufstelle für alle sein. Nur so legitimiert sie sich.»
Auch Querulanten unvoreingenommen begegnen
Urs Hofmann war während rund 40 Jahren in der Politik tätig. Ab 1982 sass er zunächst im Aarauer Einwohnerrat, im Verlauf der Jahre führte seine Politkarriere über den Aarauer Stadtrat und das Kantonsparlament bis in den Nationalrat, wo er mehr als neun Jahre tätig wirkte. 2008 wählte ihn das Aargauer Stimmvolk in den Regierungsrat. Während zwölf Jahren leitete er das Departement Volkswirtschaft und Inneres, bis er 2020 zurücktrat. Dreimal präsidierte er für ein Jahr als Aargauer Landammann die Regierung.
Er kenne den journalistischen Alltag gut, auch wenn er selbst nie als Medienschaffender tätig war: «Es gab Phasen in meinem Leben, da hatte ich fast täglich mit Journalist:innen zu tun. So kenne ich die Herausforderungen, die sich heute in der Berichterstattung stellen.» Als Person, die viele Jahre in der Öffentlichkeit stand, habe er ein Gespür für eine ausgewogene und sachgerechte Berichterstattung entwickelt. «Ich kann sowohl die Perspektive jener einnehmen, über die berichtet wird, als auch jene des Publikums. Und schliesslich kenne ich als Jurist die rechtliche Seite.»
Als Regierungsrat und ehemaliger Ersatzrichter am Verwaltungsgericht sei ihm auch die Funktion einer unvoreingenommenen Beurteilungsinstanz nicht neu, sagt Hofmann. Offen zu bleiben, selbst wenn Eingaben teilweise fahrig oder schnoddrig verfasst seien, habe er lernen müssen. Denn: «Das macht sie noch nicht falsch», sagt er. Da es im Kanton Aargau keine Ombudsstelle gebe, seien unzählige Bürgerinnen und Bürger mit Kritik oder Anregungen mittels sogenannter Bürgerbriefe an ihn gelangt. «Als Regierungsrat erhält man des Öfteren wenig konzise und zum Teil unflätige Zuschriften. Der erste Impuls ist es, diese nicht ernst zu nehmen und als unsachlich abzutun. Doch selbst Querulanten benennen im Kern oft ein wahres Problem. Auch solchen Anliegen muss man unvoreingenommen begegnen.»
«Beschwerde wäre mir nie in den Sinn gekommen»
Die meisten Beanstandungen werden seitens der Ombudsstelle nicht unterstützt. Das heisst im Umkehrschluss: Meistens stellt sich das subjektive Gefühl des Publikums, eine Berichterstattung bei SRF sei tendenziös und nicht sachgerecht, als falsch heraus. Dies wird sich auch mit dem neuen Ombudsmann kaum gross ändern. «Vieles ist Geschmackssache. Man würde einen Bericht selbst vielleicht anders machen, das verletzt aber noch nicht das Gebot der Sachgerechtigkeit», sagt er. «Ich will ja nicht als Besserwisser auftreten, sondern die Berichterstattung anhand jener Werkzeuge prüfen, die uns zur Verfügung stehen. Das sind etwa die publizistischen Leitlinien des SRF oder die UBI-Urteile.»
Während vier Jahrzehnten in der Politik hat Urs Hofmann selbst nie einen Medienbericht von SRF formell beanstandet. Nicht, weil er mit der Berichterstattung immer einverstanden war, sondern weil es ihm gar nicht in den Sinn gekommen wäre. «Die Ombudsstelle war für mich nie ein Instrument für Politiker:innen, die sich ungerecht behandelt fühlen. Wir können uns auf andere Art und Weise wehren. Sie soll dem breiten Publikum als Möglichkeit zur Partizipation und zur Äusserung von Kritik dienen.» In der Aussage liegt das Selbstverständnis eines Defensor del pueblo.
Kurt Schöbi tritt ab
Kurt Schöbi tritt ab
Ombudsmann Kurt Schöbi, der die Ombudsstelle bisher als Co-Leiter mit Esther Girsberger leitete, möchte kürzer treten und stellt sich deshalb für die Amtsperiode 2024 bis 2027 nicht mehr zur Verfügung. «Den beiden Ombudsleuten gilt ein grosser Dank für deren umsichtige, professionelle und lösungsorientierte Arbeit, die besonders während der Pandemie von unschätzbarem Wert war», sagte Martin Peier, Präsident des Publikumsrates, zum Abgang Schöbis.
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