Im Blickpunkt des Publikumsrats SRG.D: «Focus» und «Kultur in den News»

Kultur hat viele Gesichter: An seiner Märzsitzung diskutierte der Publikumsrat SRG.D mit den Sendungsverantwortlichen über die Radiosendung «Focus» und das kulturelle Angebot in den Nachrichtenformaten von TV, Radio, Web und App.

Gehören das Gespräch mit einer Bodybuilderin, ein Bericht über die Eröffnung der Berlinale oder eine Reportage von der Basler Fasnacht in den Bereich Unterhaltung, zur Information oder ist das doch eher Kultur? Die Diskussionen an der Märzsitzung des Publikumsrats SRG.D zeigten nicht nur, wie breit der Begriff Kultur verstanden wird, sondern auch wie wichtig es ist, vermeintliche Genregrenzen fortwährend infrage zu stellen, um eine vielschichtige Auseinandersetzung in der Gesellschaft zu stärken. SRF bietet dafür viele und sehr unterschiedliche Gefässe an.

«Focus»: Grosse Empathie für Menschen und ihre Geschichten

Die verschiedenen Facetten des menschlichen Daseins stehen im Zentrum der in der SRF-Abteilung Kultur angesiedelten Porträtreihe «Focus», die jeden Montagabend auf Radio SRF 3 ausgestrahlt wird und als Podcast verfügbar ist. Während einer Stunde unterhält sich ein Mitglied des Moderationsteams mit einer eingeladenen Person, die den Zuhörenden berührende, fesselnde und oft auch sehr persönliche Einblicke in ihr Leben und ihre Gedanken gewährt.

Der Publikumsrat dankt den Moderator:innen für ihre hervorragende Arbeit: Es sei erstaunlich, wie es immer wieder gelinge, den Eingeladenen so viel Vertrauen und Raum zu geben, dass sehr offene, authentische und auch tiefgründige Gespräche entstehen. «Mir haben sich in jeder Sendung Türen zu neuen Welten geöffnet», schwärmte ein Publikumsratsmitglied. Bewundernswert sei zudem, wie die Moderator:innen die Interviews mit gezielten Fragestellungen informativ und lebendig zugleich gestalten, ohne das Gespräch zu dominieren.

Mutig, offen, intensiv – und etwas lang

Neben Prominenten, die auch unbekannte Seiten ihrer Biographie offenbaren, finden die Sendungsmacher:innen auch weniger bekannte Menschen, deren Leben zum Zuhören und Nachdenken anregt. Dass die Gespräche meist ohne musikalische Unterbrechung durchgezogen werden und häufig erst am Schluss noch ein Musikstück Platz findet, empfinden einige Ratsmitglieder als schade: denn die mitgebrachte Musik würde viel über die Eingeladenen aussagen und könnte auch zu einer auflockernden Pause verhelfen. Zumal die Interviews mit einer Stunde doch recht lang seien und einige sich auch mit einer Kürzung auf 45 Minuten anfreunden könnten.

Diskutiert wurde auch, dass vorwiegend Menschen mit Erfolgsgeschichten in die Sendung fänden. Ein Rat vermisst den «normalen Menschen von der Strasse», der vielleicht weniger den Maximen der Leistungsgesellschaft entspreche. Ein anderes Mitglied wünschte sich manchmal ein kritischeres Nachfragen. Allerdings war man sich im Rat nicht einig, ob «Focus» das richtige Format für kontroversere Geschichten sei, dafür gebe es andere Sendungen, wie z. B. die «Samstagsrundschau».

Michael Bolliger, multimedialer Themenplaner der Kulturabteilung, und Moderator Yves Bossart nahmen die Inputs interessiert entgegen. Die Sicht von aussen zeige, wo sich blinde Flecken oder unbeabsichtigte Muster finden liessen – und natürlich sei es auch spannend zu erfahren, was von den Zuhörenden besonders geschätzt werde.

Kulturnachrichten: Weniger Events, mehr Debatte

Für eine zweite Besprechung hatten die Ratsmitglieder eine Woche lang verschiedene Newsformate in TV, Radio, Web und App auf Kulturbeiträge abgeklopft. Dass in der «Tagesschau» und in «10vor10» regelmässig über Kulturelles berichtet wird, findet der Publikumsrat unabdingbar: «Kultur gehört in die Nachrichten», lautet die einhellige Überzeugung. Mehr zu diskutieren gaben Auswahl und Form der gesendeten Beiträge, zumal in der Beobachtungswoche ein Team von «G&G» an der Berlinale gleich mehrere Beiträge produzierte, die in angepasster Form von den News-Formaten übernommen wurden.

Einige Ratsmitglieder wünschten sich, dass SRF sich in den News weniger auf Persönlichkeiten und Events konzentrieren und stattdessen verstärkt die Debatte im Kulturbetrieb selbst ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken würde. Gerade über die Kontroversen an der Berlinale hätte man gerne mehr erfahren. Dementsprechend wird von den News eine stärkere Einbettung der Kulturberichte in die politische und gesellschaftliche Debatte erwartet.

Grundsätzlich grosses Kulturangebot, aber...

Obwohl der Publikumsrat das Kulturangebot über alle Gefässe hinweg als gross und genügend erachtet, hörten dessen Mitglieder in den Radionachrichten nur selten von der Kulturszene. Auch wenn SRF mit dem Radiosender SRF 2 über einen eigenen Spartensender verfüge, dürfte die Kultur nach Meinung des Publikumsrats auch bei SRF 1 und SRF 3 eine noch grössere Rolle spielen: Wer nicht «aufs Zwei» schalte, verpasse vieles.

Wer sich hingegen auf der Website www.srf.ch/kultur umschaut, findet ein sehr breites Angebot mit Artikeln, Seh-, und Hörbeiträgen. Hier wünscht sich der Rat etwas mehr Struktur, da man sonst leicht die Übersicht verlieren könne. Gelobt wird auch die Auswahl der Kulturbeiträge, die in die News-App eingespielt werden. «Ein grossartiges Angebot, das immer wieder Entdeckungen erlaubt», wie es eine Rätin ausdrückt.

Annette Scharnberg, Themenplanerin in der Abteilung Kultur, und Channel Manager Christian Schaub, die jeweils mit den Sendungsverantwortlichen besprechen, welche Berichte in den News ausgestrahlt werden, erhielten vom Publikumsrat ein interessiertes und wohlwollendes Feedback, verbunden mit der Botschaft, dass man sich etwas mehr Mut wünscht, auch komplexere Kulturthemen in den Nachrichten zu behandeln.

Dabei zeigte der Rat Verständnis für die nicht immer leichte Aufgabe, aus dem vielfältigen Angebot jene Beiträge auszuwählen, die nicht nur aktuell und relevant sind, sondern auch beim breiten Publikum auf Interesse stossen. Dies bestärkend gab eine Publikumsrätin zu bedenken, dass schliesslich auch täglich über aktuelle Sportresultate berichtet werde: «da sollte doch auch eine tägliche Kulturberichterstattung längst selbstverständlich sein».

Text: Publikumsrat SRG.D

Bild: SRG.D/Illustration Cleverclip

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