Luke Mockridge: Für immer Persona non grata?
Die einst grösste Nachwuchshoffnung der deutschen Comedy-Szene sprach im «Focus» über die Zeit, in der er sich einer Anklage wegen sexueller Nötigung stellen musste. Ein Zuschauer kritisiert: Die Sendung bietet einem vermeintlichen Sexualstraftäter eine Plattform, sich selbst zum Opfer zu stilisieren. Die Ombudsstelle beurteilt den Auftritt aber anders.
Darum geht es in der beanstandeten Sendung
Im SRF-Audioformat «Focus» vom 4. Dezember 2023 interviewte Moderator Stefan Büsser den Deutschen Comedian Luke Mockridge. Das Thema ist der grosse Fall eines einstigen Überfliegers. Mockridge wurde eine grosse Zukunft vorausgesagt. Er moderierte TV-Sendungen, war mit einem erfolgreichen Abendprogramm auf Tour, produzierte Filme für Netflix.
Doch dann beschuldigt ihn seine Ex-Freundin Ines Anioli in einem Podcast, sie sexuell genötigt zu haben. Sie zeigt den Comedian gleichzeitig an. Es wird ermittelt, das Strafrechtsverfahren wird aber eingestellt. Im Anschluss werden Mockridge im «Spiegel» mit Berufung auf weitere Frauen zusätzliche Taten vorgeworfen. Diese werden auch ohne gerichtliche Verurteilung publik gemacht. Mockridge verliert seine Engagements, verbringt einige Zeit in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt. Die «Focus»-Sendung ist das erste Interview, in dem er über die Zeit nach den Vorwürfen und der Anzeige spricht.
«Focus» vom 4. Dezember 2023: «Ich bin mehr bei mir als jemals zuvor»
«Focus» vom 4. Dezember 2023: «Ich bin mehr bei mir als jemals zuvor»
Was wird beanstandet?
Der Beanstander stört sich primär an der Auswahl des Gasts. Luke Mockridge sei zwar juristisch nicht verurteilt, dies sei aber auch kein Freispruch. Durch das rund einstündige Gespräch werde ein glaubwürdiger Vorwurf sexualisierter Gewalt verharmlost und gar ins Gegenteil verkehrt. Mockridge dürfe sich als Opfer darstellen. Dies sei für die Betroffenen sowie alle Opfer von sexualisierter Gewalt ein «Schlag ins Gesicht». Ebenfalls kritisiert der Beanstander, dass Ines Anioli nicht die Chance erhalten habe, über ihre Sicht der Dinge zu sprechen.
Was sagt die Redaktion?
Die Redaktion weist die Vorwürfe klar zurück. Im Intro des Gesprächs sei der Sachverhalt genau geschildert worden. Weiter werde ausgeführt, dass SRF Ines Anioli die Gelegenheit auf ein Gespräch angeboten habe, sie habe auf eine entsprechende Anfrage nicht reagiert. Dieses Angebot bestehe zudem weiterhin, was ebenfalls im Intro ausgewiesen wird.
Luke Mockridges Leben und Tätigkeit hätten Relevanz für das Publikum, so die Redaktion weiter. Es vereine nämlich bedeutende Themen unserer Zeit: (Vor-)Urteile, sexuelle Gewalt, Social Media, MeToo, Cancle Culture und die Frage nach dem gesellschaftlichen Umgang damit. Der Fall Mockridge sei juristisch abgeschlossen, was bleibt, sei die gesellschaftliche Dimension.
Der Gast stelle sich zudem – anders als vom Beanstander hervorgebracht - nicht als Opfer dar. Er sei selbstkritisch und auch in Bezug auf die öffentliche Reaktion reflektiert. Er spreche sich dafür aus, dass man zunächst Opfern Glauben schenken soll, selbst wenn in seinem Fall er darunter leide. Und er sagt weiter, dass Männer seiner Generation ihr toxisches Verhalten gegenüber Frauen hinterfragen müssten.
Schlussendlich fragt sich die Redaktion, ob der Beanstander das Gespräch auch in ganzer Länge angehört hatte. Der Verdacht liege nahe, dass dies nicht der Fall sei. Dies würde das von der «Focus»-Ausgabe betonte Problem bestätigen: Dass viele Leute sich heute ein rasches Urteil bilden, ohne sich die Argumente des Gegenübers richtig anzuhören.
Was sagt die Ombudsstelle?
Auf die Thematik «Konsens und Sex» in den Medien würden immer Reaktionen folgen, egal wie der Fokus gelegt wird. Das hindere viele Medienschaffende jedoch glücklicherweise nicht daran, über die Fälle zu berichten. Im vorliegenden Fall sei die Einordnung im Intro faktengetreu, das darauffolgende Gespräch in keiner Weise anklagend. Der Gast sei im Gegenteil selbstkritisch und reflektiert. Der Moderator nehme nie Partei zugunsten von Mockridge ein, sondern mache – stellvertretend für das Opfer, das sich trotz Anfrage nicht zum Fall äussern möchte – kritische Anmerkungen, denen sich der «Focus»-Gast stelle.
Dass die Vorwürfe gegen Mockridge sich bisher nicht nachweisen liessen, legitimiere seine Wahl als Interviewpartner umso mehr. Dabei dürfe der juristische Stand der Dinge durchaus als Argument gelten, dem vermeintlichen Täter eine Stellungnahme zu ermöglichen. Eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots gemäss Art. 4 Abs. 2 des Radio- und Fernsehgesetzes stellt die Ombudsstelle nicht fest.
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