Zweifel nach Geschlechtsangleichung – Ombudsstelle befasst sich mit Beitrag zu trans Jugendlichen

«Impact Investigativ» behandelt das Thema von Zweifeln nach oder während der Geschlechtsangleichung von trans Jugendlichen. Ein Verein beanstandet die Reportage, der Beitrag stelle ein verzerrtes Bild der Realität dar und skandalisiere eine Ausnahmeerscheinung. Die Ombudsstelle sieht das aber anders.

Darum geht es in der beanstandeten Sendung

In einer kritischen Recherche verhandelt «Impact Investigativ» die Zweifel, die während einer Geschlechtsangleichung bei trans Jugendlichen aufkommen können. Die Journalist:innen wählen dafür die Form der kritischen Reportage. Der Beitrag porträtiert drei Personen, die unterschiedliche Perspektiven auf das Thema geben: Meli, 35, hat während 11 Jahren als André gelebt. Sie sagt, bei ihr sei mangelhaft abgeklärt worden, ob sie wirklich trans sei – und lebt heute wieder als Frau. Raphael, 16 befindet sich mitten im Transitionsprozess. Er geht den Weg gemeinsam mit der Familie und ist glücklich über die Therapie. Cédric, 18, nahm Pubertätsblocker, um eine Transition einzuleiten. Nach eineinhalb Jahren brach er die Therapie ab. Er kritisiert heute das schnelle Vorgehen seitens der Ärzte.

«Impact Investigativ» vom 17. Januar 2024:

Was wird beanstandet?

In den Beanstandungen wird der Beitrag von einem Verein als unsachgerecht, tendenziös kritisiert. Der Fokus des Beitrags liege auf absoluten Einzelfällen. Durch die Gegenüberstellung von zwei negativen Beispielen und nur einem positiven Erlebnis werde aber fälschlicherweise suggeriert, dass das Risiko von Reue über die Behandlung ein weit verbreitetes Phänomen sei. Dabei sei der Anteil von Personen, die ihre Transition rückgängig machen möchten, sehr klein – kleiner noch, als der Anteil an Menschen, die andere medizinische Eingriffe bereuen würden. Der Beitrag, so die Beanstandenden, versuche so einen Skandal zu erschaffen, wo es keinen gebe.

Die Hauptkritik stamme aus der Feder des Vereins AUFG. Dieser Verein, bestehend aus besorgten Eltern, wolle Transitionsbehandlungen bei Jugendlichen grundsätzlich verbieten. Diese politische und gesellschaftliche Gesinnung der kritikführenden Gruppe hätte kritisch beleuchtet und nicht als Basis für die gesamte Recherche übernommen werden dürfen.

Im Beitrag würden Zahlen aus Studien verwendet, diese würden jedoch mangelhaft interpretiert und irreführend wiedergegeben. Da der Kontext der Studien fehle, käme die Journalistin fälschlicherweise auch zum Schluss, dass es zum Phänomen keine genaue Datenlage gebe – das sei jedoch falsch.

Auch wird die Darstellung von Dagmar Pauli kritisiert. Die Ärztin gehört zu den wichtigsten Fachperson in der Schweiz, wenn es um Transitionen von Jugendlichen geht. Die stellvertretende Direktorin Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (KJPP) in Zürich hat laut eigener Aussage über 300 trans Jugendliche im Prozess begleitet. Im anonymen Brief, der dem Beitrag zugrunde liegt, wird sie direkt kritisiert. Dabei verschweige der Beitrag, dass die KJPP strengere Richtlinien umsetze, als vom Gesetz her vorgeschrieben und dass es eine Vielzahl von Beispielen gäbe, die Dagmar Pauli und der KJPP sehr dankbar für die positiven Erfahrungen seien. Der Beitrag stelle die Expertin unvorteilhaft dar, die Journalist:in ordne die Aussagen zudem falsch ein.

Was sagt die Redaktion?

Die Redaktion weist die Vorwürfe von sich. Das Ziel der Reportage sei gleich zu Beginn klar formuliert. Die Journalistin sagt wörtlich: «Das oberste Ziel ist, dass Transpersonen weniger leiden (...). Das Ziel ist, dass man den Betroffenen möglichst schnell hilft. Umstritten ist die Frage - besonders bei Jugendlichen - ob es sorgfältig genug geschieht oder nicht.»

Durch den Protagonisten Raphael werde denn auch konkret aufgezeigt, dass eine Geschlechtsanpassung das Leben von trans Jugendlichen positiv verändert. Aber es gebe auch andere Fälle, was die Berichterstattung rechtfertige. Anhand konkreter Beispiele zeige der Beitrag auf, wie wichtig eine sorgfältige Abklärung und Begleitung im Transitionsprozess sei. Es werde auf Bedenken und Probleme von Eltern eingegangen, aber auch auf die Schwierigkeit medizinischer Entscheidungsfindung. Der Diskurs sei kontrovers-kritisch, aber nicht einseitig gewesen. Der Beitrag ermögliche es den Zuschauenden, sich ein umfassendes Bild zu machen. Die Berichterstattung leiste einen differenzierten und in keinem Fall skandalisierenden Beitrag zu einem in der Öffentlichkeit polarisiert und emotional geführten Diskurs.

Zur Kritik der fehlenden Transparenz und Distanz zum Verein AUFG schreibt die Redaktion, die Quelle des anonymen Schreibens, welches im Beitrag vorkomme, sei ausgewiesen. Die Redaktion wehrt sich jedoch gegen die Darstellung der Beanstandenden, dass der Verein grundsätzlich ablehnend gegen Behandlungen von trans Jugendlichen sei. Diese Eltern hätten im Gegenteil ihre Kinder teils jahrelang zu Abklärungen und Behandlungen in Bezug auf deren Transidentität begleitet.

Weiter erzählen alle ausgewählten Protagonist:innen ihre eigene, persönliche Geschichte. Sie würden sich differenziert und nie pauschalisierend äussern. Anhand eines positiven Beispiels werde aufgezeigt, wie eine sorgfältige Abklärung seitens der behandelnden Ärzte funktioniert. Die Geschichte verfolge also kein verstecktes oder vorbestimmtes Narrativ.

Weiter sei auch der Vorwurf einer unvorteilhaften Darstellung Dagmar Paulis nicht haltbar. Sie erhalte Raum, ihre Sicht auf die Dinge darzulegen. Auch sie anerkenne den Druck, an dem Eltern und Jugendliche leiden – vor allem, weil die Jugendlichen sich oft bereits vor der Behandlung sehr gut informiert hätten.

Was sagt die Ombudsstelle?

Die Ombudsstelle stellt keine Verletzung der Sachgerechtigkeit fest. Die Kritik der Elterngruppe möge Auslöser für die Recherchearbeit gewesen sein, die Reportage sei aber keineswegs darauf ausgelegt, deren Kritik zu «belegen». Die zentrale Frage, ob Transitionen bei Jugendlichen manchmal zu schnell ablaufen würden, sei für die Gesellschaft relevant und interessiere die Öffentlichkeit.

Die von Betroffenen geäusserte Kritik werde ernst genommen und die davon betroffene Institution erhalte im Beitrag die Möglichkeit, sich zu äussern. Die unterschiedlichen Geschichten von drei trans Personen würden unterschiedliche Perspektiven auf das Thema bieten. Die Ombudsstelle hält fest, dass es möglicherweise aus dramaturgischer Sicht möglich gewesen wäre, nicht die 35-jährige Meli als erstes zu zeigen, um so dem Thema der Geschlechtsangleichung im Jugendalter «natürlicher» zu begegnen.

Insgesamt sei der Beitrag aber ausgewogen, der kritischen Frage, ob Transitionen zu schnell oder zu unvorsichtig vorgenommen werden, stelle der Beitrag mehrere Passagen, Aussagen und Beispiele entgegen. Dabei gehöre es zur journalistischen Arbeit, geäusserte Kritik aufzugreifen und zu behandeln. Der Beitrag kontextualisiere die Thematik ausgiebig und anhand verschiedener Beispiele. Eine (Vor)Verurteilung in Bezug auf die Ausgangsfrage finde nicht statt. Eine freie Meinungsbildung sei für das Publikum somit möglich.

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