«Wir sollten uns nicht künstlich einschliessen»

Die Macher:innern der Serie «L’ultim Rumantsch» und des neuen Hörspiels «Revolution!» überwinden Sprachgrenzen und helfen dabei, die Mauern zwischen den Landesteilen abzubauen. Ein vorbildliches Engagement mit Hürden.

Zürich wird von Anschlägen in Atem gehalten. Die Spuren führen zu extremen Klimaklebern, einer Punkband aus den 90ern und ins Tessin ... «Revolution!» wurde zweimal vertont: auf Schweizerdeutsch und auf Italienisch. Die Co-Produktion von SRF und Radiotelevisione Svizzera RSI ist seit dem 2. Mai als Podcast zu hören.

Entstanden ist das deutsch-italienische Hörspiel dank Susanne Janson und Flavio Stroppini. Obschon die beiden bereits jahrelang im gleichen Unternehmen arbeiten, war es ein zufälliges Treffen am internationalen Hörspiel Festival in Bukarest, an dem sich die beiden kennengelernt haben. Dabei entstand die Idee für eine zweisprachige Koproduktion.

«Da bin ich auf unsere Kolleg:innen vom Fernsehen schon etwas neidisch. Sie können das Gesagte einfach untertiteln.»

Susanne Janson, Hörspielautorin SRF

Trotz grosser Ambitionen war beiden rasch klar: Die Sprache des Hörspiels kann nicht ständig von Deutsch zu Italienisch und zurück wechseln. «Die Zielgruppe, die beide Sprachen ausreichend beherrscht, wäre zu klein. Wir hätten dadurch viele interessierte Menschen ausgeschlossen. Bei einem Projekt, das Sprachgrenzen überwinden soll, wäre das wenig sinnvoll», erklärt Susanne Janson und fügt hinzu: «Da bin ich auf unsere Kolleg:innen vom Fernsehen schon etwas neidisch. Sie können das Gesagte einfach untertiteln.»

Sprachbarrieren überwinden, Sprachenvielfalt beibehalten

Genau das hat «L’ultim Rumantsch», eine Produktion von Radiotelevisiun Svizra Rumantscha RTR, getan. Die rätoromanisch-deutsche Serie erzählt das fiktionale Familiendrama innerhalb der Verlegerfamilie Durisch. Als der Patron des grössten Bündner Medienhauses stirbt, soll die im Zürcher Exil lebende Enkelin Ladina die rätoromanische Zeitung «Posta» leiten. Die eigentliche Sprachbarriere konnte das «L’ultim Rumantsch»-Produktionsteam dank Untertiteln zwar überwinden, dafür hatten sie mit ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen.

«Es wäre viel zu klischiert, würden wir eine ausschliesslich rätoromanische Serie machen.»

Flavio Bundi, Chefredaktor RTR

So bestehen fünf verschiedene Varianten der romanischen Sprache. «Uns war eine grosse Diversität hinsichtlich der Idiome wichtig. Schliesslich gehört auch das zur Sprachenvielfalt und dem Alltag der Rätoroman:innen dazu», erklärt Flavio Bundi, Chefredaktor von RTR und Projektverantwortlicher von «L’ultim Rumansch». Eine komplexe Aufgabe, ist die Wahl des Idioms doch auch immer an eine bestimmte geografische Region geknüpft. Das beeinflusst die Geschichte direkt. Dann auch noch die passenden Schauspieler:innen zu finden, machte «L’ultim Rumantsch» zu einem ambitionierten Unterfangen. Und tatsächlich sprechen nicht alle Darstellenden Rätoromanisch. Auch Hauptdarstellerin Annina Hunziker musste die Sprache wieder neu erlernen. Trotz viel Lob für die packende Serie gab das Hin und Her zwischen den Sprachen auch Anlass zu Diskussionen.

Zwischen Sprachenmix und Sprachenclash

Doch genau in dieser gelebten Zweisprachigkeit, im Sprachenmix und manchmal -clash werde die Lebensrealität vieler Rätoroman:innen sichtbar, erklärt Bundi. «Es wäre viel zu klischiert, würden wir eine ausschliesslich rätoromanische Serie machen.» Heute würden die Jungen in die Grossstädte ziehen, um zu studieren, ehe sie vielleicht zurückkehrten. Das mache die kleine rätoromanische Welt vielsprachig. Diese Realität könne eine fiktionale Serie authentisch darstellen, so Bundi. «Wir sind den anderen Landessprachen nah, wir fühlen uns durch sie nicht bedroht», sagt er weiter.

Klischees überwinden, das wollen auch Susanne Janson und Flavio Stroppini in ihrem neuen Hörspiel. So zeichnete Stroppini in seinem Teil des Hörspiels ein Bild des Tessins, das fernab vom Deutschschweizer Palmen-Gelato-Traum liegt. «Zu Beginn des Tessin-Teils geht es um illegalen Holzschlag, Wilderei und eine Prügelei in einer Osteria – das sind definitiv nicht Themen, die Deutschschweizer:innen beim Stichwort Tessin als Erstes einfallen würden», erzählt Janson.

«Flüche und Begrüssungen zum Beispiel haben wir häufig nicht übersetzt.»

Susanne Janson, Hörspielautorin SRF

Obschon «Revolution!» in Deutsch und Italienisch verfügbar ist, haben sich die beiden Autor:innen darum bemüht, die jeweils andere Sprache an bestimmten Stellen im Manuskript einfliessen zu lassen. «Flüche und Begrüssungen zum Beispiel haben wir häufig nicht übersetzt», so Janson. Während das Manuskript in Teamarbeit entstanden ist, haben die beiden Autor:innen die Aufnahmen ihrer jeweiligen Sprachversion weitgehend autonom umgesetzt.

Menschen mit Fiktion näher zusammenbringen

Kaum ist das dreiteilige Hörspiel «Revolution!» veröffentlicht, denken Janson und Stroppini auch schon bereits an das nächste Projekt. «Ich hoffe, dass wir weitermachen können. Beim nächsten Mal würde ich gerne einen zweisprachigen Cast finden, sodass wir für beide Versionen dieselben Sprecher:innen einsetzen können. Aber das braucht viel mehr Zeit», sagt Janson.

Auch Bundi und sein Team denken über eine zweite Staffel von «L’ultim Rumansch» nach. «Wir sollten uns nicht künstlich einschliessen und Mauern zwischen den Spracheregionen aufrechterhalten. Solche Projekte können dazu einen wichtigen Beitrag leisten», findet er. Umso wichtiger sei es, dass man sich als SRG SSR nicht auf einigen wenigen Prestigeprojekten ausruhe, sondern den eigenen Leistungsauftrag ernstnehme und die Menschen in der Schweiz näher zusammenbringe.

Zu den Formaten

«Revolution!»: Hörspiel von SRF und RTI, zu hören im Web

«L'ultim Rumantsch»: Im Stream auf Play Suisse

Text: Nicole Krättli

Bild: zVg

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