Ombudsstelle: «Kuppelkids» verletzt Jugendschutz

In der SRF-Sendung suchen Kinder und Jugendliche eine:n neue:n Partner:in für ihre alleinerziehenden Eltern. Eine Beanstanderin sieht darin eine problematische Rollenumkehr. Auch die Ombudsstelle sagt: SRF verletzt hier den Jugendschutz.

Darum geht es in der beanstandeten Sendung

Die Sendung «Kuppelkids» befasst sich mit einem verbreiteten gesellschaftlichen Phänomen: die Schwierigkeit für alleinerziehende Eltern, eine neue Partnerschaft einzugehen. Oft ist es nicht einfach, die Bedürfnisse der Kinder mit den Wünschen des Elternteils nach einer neuen Beziehung zu vereinen. Deshalb setzt das SRF-Format die Kinder als Verkuppler:innen ein: Sie erstellen ein Online-Profil für ihre Mutter oder ihren Vater bei einer Datingplattform. Aus den Bewerbungen, die daraufhin eingehen, wählen sie drei aus. In der Folge findet ein Treffen mit diesen Personen statt, worauf der Nachwuchs eine davon auswählt für ein Rendez-vous mit dem Single-Elternteil.

Was wird beanstandet?

Eine Beanstanderin kritisiert das gesamte Sendungskonzept als problematisch. Das Unterhaltungsformat fordere Kinder dazu auf, das Problem der Partnersuche für die Eltern zu lösen. Das führe zu einer sogenannten «Parentifizierung» der Kinder, eine Rollenumkehr zwischen Kind und Eltern. Die Sendung suggeriere, es liege in der Verantwortung der Kinder, dass ihre Mutter oder ihr Vater glücklich werde.

Diese Gedanken würden sich viele Kinder von alleinerziehenden Eltern ohnehin schon machen, so die Beanstanderin. Oft nähmen Minderjährige dabei nicht kindsgerechte Rollen ein, würden zum «Kummerkasten» oder gar zum Partnerersatz. Das Phänomen der Parentifizierung sei in der Psychologie untersucht und man kenne die Folgen: Entwicklungsstörungen würden begünstigt, Langzeitfolgen wie Depressionen, Angststörungen oder Beziehungsängste seien die Folge. Dass SRF dies als positiv darstelle, gefährde das Kindswohl. Im Unterhaltungsformat «Kuppelkids» würden sowohl die kritische Einordnung als auch eine entsprechende Triggerwarnung fehlen. Dies verletze den Jugendschutz, zu dem SRF verpflichtet sei.

Was sagt die Redaktion?

Die Redaktion weist die Vorwürfe zurück. Im Format werde zwar eine unterhalterisch-spielerische Erzählform gewählt, beschreibe aber ein gesellschaftlich verbreitetes Phänomen und sei deshalb für ein breites Fernsehpublikum relevant. Es sei eine Tatsache, dass viele alleinerziehende Elternteile Probleme hätten, eine:n neue:n Partner:in zu finden. «Kuppelkids» gehe auf die schwierigen Situationen der Erwachsenen ein. Dass Kinder und Jugendliche generationenübergreifend zu Match-Makern gemacht würden, könne zwar auf den ersten Blick als Parentifizierung angesehen werden. Die Rollenumkehr sei aber von kurzer Dauer und stets transparent kommuniziert.

Bei der Auswahl der potenziellen Partner:innen für die Single-Eltern würden die Kinder ausserdem durch eine erwachsene Vertrauensperson unterstützt. Die Betreuung beginne bereits vor Drehstart und gehe über die Filmarbeiten hinaus. Die Sendung stärke das Problembewusstsein der Kinder, indem die Bedürfnisse und auch das Leid der Eltern offen und transparent besprochen werde. Dies entspreche den Ansätzen moderner Psychologie. Das Format, so die Redaktion, sei kinder- und jugendgerecht umgesetzt worden, eine Überforderung sei zu keinem Zeitpunkt eingetreten. Das Format stelle ausserdem eine Adaption einer Sendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Grossbritanniens dar.

Was sagt die Ombudsstelle?

Auch die Ombudsstelle erachtet die Thematik der Partnersuche von alleinerziehenden Elternteilen als gesellschaftlich relevant. Das Sendeformat «Kuppelkids» sei aber gerade vor dem Hintergrund der Ernsthaftigkeit der Thematik problematisch. Das Spannungsfeld zwischen dem Wunsch des Elternteils nach einer neuen Partnerschaft und den Bedürfnissen der Kinder nach Stabilität und Verlässlichkeit sowie etwaige Loyalitätskonflikte gegenüber dem nicht involvierten Elternteil seien Themen, die einer vertieften und subtileren Auseinandersetzung bedürften, so die Ombudsstelle.

Durch das von der Redaktion als «spielerisch und unterhaltsam» beschriebene Format werde der Komplexität des Themas nicht hinreichend Rechnung tragen. Vielmehr werde eine für Kinder oft heikle Situation zu Unterhaltungszwecken in ein «Spiel» umgewandelt. Schwierigere, emotionale Fragestellungen würden weitgehend ausgeblendet. Daran ändere der Umstand, dass ähnliche Formate auch in ausländischen Sendern ausgestrahlt werden, nichts.

Zwar fehlten der Ombudsstelle die wissenschaftlichen Kenntnisse zum Phänomen der «Parentifizierung» für eine abschliessende Beurteilung zu der Thematik. Dennoch sei es offenkundig, dass es nicht adäquat sei, Kindern und Jugendlichen eine aktive Funktion bei der Partnerwahl eines Elternteils zu überlassen oder gar zuzuweisen. Selbst wenn dies im Einzelfall sinnvoll wäre, so setze dies auf emotionaler-psychologischer Ebene eine vertiefte Auseinandersetzung mit der konkreten Familienstruktur voraus. Diese fehle aber in «Kuppelkids».

Auch im Rahmen einer Unterhaltungssendung müsse zum Schutz von Jugendlichen und Kindern auf angemessene Art auf unerwünschte Entwicklungen und Nebenwirkungen hingewiesen werden. Da dies verpasst werde, erwecke «Kuppelkids» den Eindruck eines sorglosen Umgangs mit der Thematik, so die Ombudsstelle. Besonders kritisiert der Schlussbericht hier die Mitwirkung eines erst siebenjährigen Kinds in der Sendung.

Auch die angepasste Sendezeit um 21 Uhr reiche nicht als Jugendschutzmassnahme aus. Denn gerade Jugendliche im Pubertätsalter könnten sich diese Sendungen durchaus ansehen. Zudem würden der Titel der Sendung sowie deren Aufmachung und nicht zuletzt die sehr junge Protagonistin den Eindruck erwecken, das Format richte sich auch an (kleinere) Kinder. Diese könnten sich die Sendungen letztlich im Internet zeitversetzt anschauen.

Zusammenfassend gelangt die Ombudsstelle deshalb zum Schluss, dass die unter dem Titel «Kuppelkids» ausgestrahlten Sendungen den Jugendschutz gemäss Art. 5 des Radio- und Fernsehgesetzes verletzen.

Text: SRG.D

Bild: SRG.D/Illustration Cleverclip

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