Wichtig und richtig: SRF-Recherche zur St. Galler Jagdreise

Ein Beanstander moniert die Berichterstattung von SRF zur Jagdreise von zwei St. Galler Amtsträgern nach Russland als fehlerhaft und einseitig. Die Ombudsstelle widerspricht: Die Einschätzung von SRF, es habe sich mehr um eine Abenteuerreise als um einen Dienstausflug gehandelt, sei gerechtfertigt.

Darum geht es in der beanstandeten Sendung

Der Beitrag von «Schweiz aktuell» thematisiert den Abschlussbericht des Amtsleiters des Kantons St. Gallen über eine öffentlich breit kritisierte Jagdreise, die er zusammen mit dem kantonalen Wildhüter unternommen hatte. Während fünf Tagen wohnten die beiden in Russland einer Lappjagd bei und schossen selbst Wölfe. Für die Reise wurden ihnen seitens des Kantons je fünf Tage Arbeitszeit zugesprochen. Der daraufhin publizierte Abschlussbericht wirft Fragen auf, verschiedene Stellen kritisieren die Exkursion, es sei «eher Vergnügungsreise als Weiterbildungsreise» gewesen.

«Schweiz aktuell» vom 18. April 2024

«Umstrittene Jagd-Reise von St. Galler Amtsleiter nach Russland»

Was wird beanstandet?

Der Beanstander moniert mehrere Punkte in Bezug auf die Berichterstattung über die Reise der St. Galler Amtsträger:

  1. Das Jagdgesetz sei falsch wiedergegeben worden. Es sei nicht korrekt, dass das Gesetz in der Schweiz nur den Abschuss von Jungtieren erlaube, wie im Beitrag gesagt werde.
  2. Der als Experte auftretende Präsident der Gruppe Wolf Schweiz sei keine unabhängige Fachperson, sondern ein Lobbyist. Er verfüge weder über die nötige Erfahrung noch über die richtige Ausbildung, um zu diesem Thema adäquat Auskunft zu geben. Besser wäre gewesen, die Stiftung KORA für die Auskunft einer unabhängigen Fachperson anzufragen.
  3. Die Einschätzungen des Reporters seien teils wertend, ohne dass er Begründungen für seine Beurteilungen geliefert habe.
  4. Kritische Äusserungen bezüglich der vermeintlichen Jagdlust des Amtsleiters mit Bezugnahme auf anonyme Quellen seien diffamierend.
  5. Der Beitrag behaupte, dass die Reise auf Kosten des Kantons unternommen wurde. Dies sei falsch. Die Reise hätten Amtsleiter und Wildhüter selbst bezahlt.
  6. Die Äusserung von SRF, dass es sich «eher um eine Vergnügungsreise als eine Weiterbildungsreise» gehandelt habe, sei unbegründet. Das russische Wolfsmanagement funktioniere, das zeige der publizierte Fachbericht.
  7. Die Kritik an der Lappjagd in Bezug auf Tierschutz und rechtliche Bedenken seien falsch. Es gebe keine wissenschaftlichen Studien zur Lappjagd und Tierschutz, rechtlich sei das Thema noch nicht diskutiert.

Was sagt die Redaktion?

Die Redaktion nimmt zu jedem Kritikpunkt einzeln Stellung:

  1. Für die Redaktion sei nicht klar, was der Beanstander in Bezug auf das Jagdgesetzt genau meint. Das Jagdgesetz werde in keinem der «Schweiz Aktuell»-Beiträge zum Thema besprochen.
  2. David Gerke, Präsident der Gruppe Wolf Schweiz, gelte als einer der besten Wolfskenner der Schweiz. Nachfragen bei anderen Organisationen wie Pro Natura und WWF hätten vergleichbare Auskünfte ergeben. Gerke habe Geografie und Biologie studiert sowie einen Universitätslehrgang zum Jagdwirt an der Universität für Bodenkultur Boku in Wien mit Auszeichnung bestanden. Er sei also durchaus qualifiziert, Aussagen zum Thema Lappjagd zu machen. Die Stiftung KORA, wie vom Beanstander vorgeschlagen, sei hingegen eng mit den Kantonen verbunden, das BAFU sei der wichtigste Arbeitgeber. Ob die Unabhängigkeit dieser Stelle grösser wäre, sei dahingestellt, zumal es nicht um Informationen über den Schweizer Wolfsbestand gehe.
  3. Der Beitrag nenne verschiedene Punkte aus dem Fachbericht des Amtsleiters. Unter anderem werde das fehlende Inhaltsverzeichnis, die fehlenden Angaben zu Tieren und Abschüssen sowie die Absenz einer klaren Fragestellung moniert. Dass der Reporter sich nach Lektüre des Berichts eine eigene Meinung bildet, sei transparent gemacht und für das Publikum erkennbar.
  4. Zum Vorwurf der Diffamierung auf der Basis von Aussagen anonymer Quellen schreibt die Redaktion, dass SRF mit zahlreichen Personen gesprochen habe, die alle keine öffentlichen Aussagen machen wollten. Diese Personen müssten u. a. auch in Zukunft mit dem Amt zusammenarbeiten. Verschiedene Personen hätten bestätigt, dass der Amtsleiter passionierter Jäger und schon mehrfach nach Russland gereist sei. So habe er bereits Moschus-Tiere in Russland erlegt, obwohl diese von der Organisation «United for Life & Livelihoods» als gefährdet eingestuft werden. Der Amtsleiter habe Bilder und Erlebnisbericht der Reise selbst in einem Jagdmagazin veröffentlicht. Er wurde mit den Vorwürfen konfrontiert, wollte aber nicht Stellung nehmen.
  5. Zu den Kosten sei die Sachlage korrekt wiedergegeben worden: Der Kanton habe die Reise mit je fünf Arbeitstagen unterstützt. Es sei also keine Ferienreise auf eigene Kosten gewesen. Das Gehalt der beiden Beteiligten während je fünf Arbeitstagen betrage gesamthaft mehrere tausend Franken. Dies werde mit Steuergeldern finanziert.
  6. Zur Einschätzung, dass hier vielmehr eine «Vergnügungsreise als eine Weiterbildungsreise» unternommen wurde, sei gerechtfertigt. Denn: Der Bericht, welcher SRF vorliege, liefere keine weiterführenden Informationen zur Lappjagd. Für die gewonnenen Erkenntnisse hätte eine Recherche im Internet genügt. Dies führe auch Wolfexperte David Gerke aus. Das Fazit, dass Lappjagd unter gewissen Voraussetzungen auch in der Schweiz umsetzbar wäre, sei deshalb umso interessanter, denn diese Einschätzung stosse auf viel Kritik aus Fachkreisen.
  7. Zu Tierschutz und rechtlichen Bedenken schreibt die Redaktion, dass die Lappjagd problematisch sei, da Tiere wahllos geschossen würden. In der Schweiz sei der Wolf geschützt und deshalb sei diese Form der Jagd im Unterschied zu Russland grundsätzlich nicht erlaubt.

Was sagt die Ombudsstelle?

Die Ombudsstelle stellt zunächst fest, dass die Beanstandung nur für den Beitrag vom 18. April gelten kann. Frühere Beiträge zum gleichen Thema könnten aufgrund der einzuhaltenden Frist von 20 Tagen nach Erstausstrahlung nicht mehr beanstandet werden.

Im Anschluss behandelt die Ombudsstelle die Vorwürfe. Zunächst sei dem Experten David Gerke die Fachkenntnis kaum abzusprechen. Er könne durchaus neutral einschätzen, ob die von den Amtsträgern im Abschlussbericht gelieferten Informationen zur Lappjagd einer Exkursion nach Russland bedürft hätten oder eben nicht.

«Schweiz aktuell» berichte ausserdem, dass die Reise nicht über offizielle Stellen organisiert, sondern über einen Jagdreiseanbieter gebucht worden sei. Da stelle sich dem Publikum schon die Frage, ob es hier wirklich um Weiterbildung ging oder es sich nicht vielmehr um eine Abenteuerreise handle.

Auch die Kritik der Diffamierung lässt die Ombudsstelle nicht gelten. Es stellten sich zu dieser vom Regierungsrat bewilligten «Weiterbildungsreise» tatsächlich diverse Fragen: Warum muss man für diese Erkenntnisse in ein sanktioniertes Land reisen? Gerade da die Topografien von Russland und der Schweiz nicht vergleichbar seien? Warum müssten auf einer Erkundungsreise Wölfe auch geschossen werden? Und weshalb dürfe eine solche Reise auf Arbeitszeit unternommen werden?

Zu der Berufung auf anonyme Quellen schreibt die Ombudsstelle, Anonymisierungen seien zulässig, sofern schutzwürdige Interessen bei der Namensnennung verletzt werden könnten. Da ein Arbeitsverhältnis zwischen Zeug:innen und dem Kanton St. Gallen bestehe, seien diese Voraussetzungen gegeben. Zudem würden die anonymen Quellen die Aussagen eines namentlich genannten Experten nur verstärken.

Die Reaktion des St. Galler Regierungsrats zeige auch, dass die Berichterstattung durch SRF gerechtfertigt war. Im Kantonsrat sagte der verantwortliche Regierungsrat Beat Tinner am 2. Mai 2024, «man würde rückblickend eine andere Entscheidung treffen».

Einen Verstoss gegen die einschlägigen Bestimmungen des Radio- und Fernsehgesetzes (Art. 4) liege deshalb nicht vor.

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