Administrativhaft in Israel: «Echo» war sachgemäss

Das «Echo der Zeit» interviewt die israelische Aktivistin Fadia Barghouti, die drei Monate in israelischer Administrativhaft sass. Ein Beanstander kritisiert, deren problematische Nähe zu kriminellen Organisationen würde im Beitrag verschwiegen. Die Ombudsstelle stützt in ihrem Schlussbericht aber die Berichterstattung von SRF.

Darum geht es in der beanstandeten Sendung

Das «Echo der Zeit» widmete sich im September in einem knapp achtminütigen Beitrag den Personen aus dem Gazastreifen, die sich in israelischen Gefängnissen befinden, insbesondere jenen, die ohne Anklage in Administrativhaft sitzen. Laut dem «Echo» setze Israel mit den Verhaftungen auf Abschreckung, schüre aber auch Hass mit dieser Strategie. Für den Beitrag wird ein Interview mit der politischen Aktivistin Fadia Barghouti geführt, welche drei Monate in Administrativhaft verbrachte.

«Echo der Zeit» vom 3. September 2024:

«Ohne Anklage eingesperrt»

Was wird beanstandet?

Ein Beanstander kritisiert SRF dafür, dass Fadia Barghouti als Interviewpartnerin ausgewählt wurde. Diese habe Verbindungen zur Organisation Masar Badil, die am 7. Oktober 2023 dazu aufgerufen habe, den palästinensischen «Widerstand» zu «unterstützen» und zu «verteidigen», wie der Beanstander ausführt. Die Organisation sei inzwischen in Deutschland verboten. Die Unterschlagung dieses Sachverhalts sei eine Verharmlosung von Gewalt sowie eine unsachgemässe Darstellung der Ereignisse durch SRF.

Der Beitrag sei ausserdem in mehrerer Hinsicht fehlerhaft: So werde verpasst zu erwähnen, dass die im Beitrag kritisierte Administrativhaft auch in mehreren westlichen Ländern, darunter auch die Schweiz, angewandt werde. Die Behauptung, dass administrativ Inhaftierte keinen Anwalt konsultieren dürften, sei falsch. Der israelischen Seite werde zudem keine Gelegenheit geboten, sich zum Fall Fadia Barghouti zu äussern.

Was sagt die Redaktion?

Die Redaktion verweist darauf, dass das «Echo» zwei Interviews mit Fadia Barghouti führte. Das erste fand im Dezember 2023 statt und wurde auch dann ausgestrahlt. In diesem Kontext sei sie als Vertreterin des Hamas-Gedankenguts vorgestellt worden. Darauf werde auch im beanstandeten Beitrag verwiesen.

Barghoutis Ehemann gehöre der Hamas an und sitze deshalb seit Jahren im Gefängnis. Auch diese Tatsache werde deklariert. Da die Hamas in der Schweiz heute als Terrororganisation gilt, sei mit dieser Deklaration deutlich gemacht, dass die Interviewte einer Organisation nahesteht, welche die Auslöschung Israels zum Ziel habe. Es werde ausserdem ausgeführt, dass Barghouti «Hass» gegenüber Israel empfinde. Da die Einordnung so klar war, hätte eine Angabe über Verbindungen zu weiteren Organisationen mit ähnlichem Gedankengut wie die Hamas keinen Mehrwert geboten.

Fadia Baghouti habe drei Monate in Haft verbracht, Anklage sei aber nicht erhoben worden. Sie unterstütze den «Widerstand» gegen die israelische Besatzung, dies täten inzwischen aber so gut wie alle Palästinenser:innen, schreibt die Redaktion Aus Sicht der israelischen Behörden stelle die Aktivistin aber keine direkte Gefahr für Israel dar, sonst wäre sie kaum nach so kurzer Zeit wieder freigelassen worden.

Auch distanziere sich Baghouti nicht vom Massaker vom 7. Oktober, was ebenso «typisch für die allermeisten Palästinenser:innen» sei, schreibt die Redaktion. Im beanstandeten Interview gehe es aber primär darum, wie die israelische Inhaftierungspolitik bei den Betroffenen einen Hass entfache, der Israel wiederum selbst wieder gefährlich werden könne.

Was sagt die Ombudsstelle?

Die Ombudsstelle stellt zunächst fest, dass der Vergleich der Schweizer Administrativhaft mit der im Beitrag verhandelten Praxis, wie ihn der Beanstander vollzieht, verfehlt sei: Israel nehme Menschen aufgrund geheimer Informationen fest, verweigere die Angabe der Gründe für die Verhaftung und ohne Zugang zu einer Verteidigung. Das mache diese Praxis willkürlich und daraus folgend nach der Vierten Genfer Konvention, die sich zur Administrativhaft äussert, illegal.

Insbesondere problematisch gemäss der Konvention sei die Verhaftung Barghoutis, bei der als Grund die anti-israelischen Tätigkeiten genannt wurden. Selbst wenn sie Zugang zu einer Verteidigung gehabt hätte, hätte diese Begründung nicht für eine Inhaftierung genügt. Eine konkrete Bedrohung sei nicht von ihr ausgegangen. Daran ändere auch nichts, dass Fadia Barghouti offen mit der Hamas sympathisiert, die Terrorattacke vom 7. Oktober 2023 nicht verurteilt oder dass ihr Mann mehrmals für seine Unterstützung des politischen Flügels der Hamas inhaftiert war und ist, so die Ombudsstelle weiter.

Im Beitrag werde Fadia Barghouti mehrfach als Aktivistin bezeichnet, Anwendung von Gewalt habe sie jedoch nie propagiert. Für die korrekte Einordnung ihrer Person sei eine Erwähnung von Verbindungen zu Organisationen wie Samidoun oder Masar Badil nicht nötig. Der Beitrag, der sich der Administrativhaft widme, zeige an einem prominenten Beispiel die problematischen Aspekte dieser Praxis auf.

Dass die israelische Seite nicht zu Wort komme, sei ebenfalls kein Versäumen von SRF. Es sei allgemein bekannt, dass sich die einschlägigen israelischen Behörden nicht zur Administrativhaft äusserten. Im Beitrag werde aber erwähnt, dass ein Grossteil der Bevölkerung das Vorgehen befürworte. International, aber auch von israelischen Menschenrechtsorganisationen, werde Israel seit Jahren wegen der praktizierten Administrativhaft kritisiert. Auch dies werde im Beitrag tatsachengetreu ausgeführt.

Einen Verstoss gegen Art. 4 Abs. 1 (Gewaltverherrlichung oder -verharmlosung) oder gegen Art. 4 Abs. 2 (Sachgerechtigkeitsgebot) gemäss Radio- und Fernsehgesetz stellt die Ombudsstelle deshalb nicht fest

Text: SRG.D/pz

Bild: SRG.D/Illustration Cleverclip

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