Beanstandungen zu Waffenruhe-Deal basierten auf Fake News

Bild von Beanstandungen zu Waffenruhe-Deal basierten auf Fake News

Die Ombudsstelle befasste sich mit 18 Beanstandungen zu einem SRF News-Artikel vom 19. Januar 2025. Der Artikel beleuchtet den Austausch von Geiseln und Gefangenen zwischen Israel und der Hamas. Die Beanstander:innen monieren, der Artikel sei falsch, einseitig und diffamierend. Falsch waren aber vor allem die Vorwürfe der Beanstandenden.

Darum geht es im beanstandeten Artikel

SRF News publizierte am 19. Januar 2025 im Artikel «Waffenruheabkommen für Gaza – Ein bitterer Deal nach 471 Tagen der Hölle» eine Analyse von Susanne Brunner, Nahost-Kennerin und Leiterin der SRF-Auslandredaktion (Chefredaktion Audio/Digital).

Anlass des Artikels war die Freilassung von drei israelischen Geiseln aus der Geiselhaft der Hamas im Rahmen eines Waffenruhe-Abkommens. Im Gegenzug liess Israel palästinensische Häftlinge frei. Susanne Brunner erinnert an das Massaker und die Geiselnahmen vom 7. Oktober 2023 und macht eine Einschätzung zum Waffenruhe-Deal zwischen Israel und der Hamas. Sie verweist auf den hohen Preis, den Israel für die Freilassung der Geiseln bezahlt. Denn unter den im Gegenzug freigelassenen palästinensischen Häftlingen befinden sich nicht nur Frauen und Kinder, sondern auch Terroristen, welche in den vergangenen Jahren Dutzende Israeli ermordet hatten, so Brunner.

In diesem Zusammenhang ruft Susanne Brunner die Freilassung des Hamas-Chef Yahya Sinwar in Erinnerung. Er sass wegen Entführung und Ermordung von zwei israelischen Soldaten und vier Palästinensern eine lebenslängliche Haft in Israel ab. 2011 kam er bei einem Austausch mit einem sich in Geiselhaft befindlichen israelischen Soldaten frei. Sinwar war der Drahtzieher des Terroranschlags vom 7. Oktober 2023.

«SRF News» vom 19. Januar 2025

Was wird beanstandet?

Zum Online-Artikel sind 18 orchestrierte Beanstandungen – mit gleichem Wortlaut – bei der Ombudsstelle eingegangen.

Die Beanstander:innen monieren, der Bericht enthalte die unbegründete und falsche Behauptung, dass am 7. Oktober 2023 Vergewaltigungen durch die Hamas im Süden Israels stattgefunden hätten. Diese Behauptung werde durch mehrere UN-Berichte und die israelische Staatsanwaltschaft widerlegt.

Zudem zeichne der Online-Artikel ein verzerrtes Bild von israelischen Geiseln und palästinensischen Gefangenen. Die freigelassenen Palästinenser würden als potenzielle Täter dargestellt. Dies, obwohl es sich Zitat: «ausschliesslich» um Frauen und Kinder handle, die keiner Straftat beschuldigt und die oft ohne Anklage inhaftiert worden seien und Misshandlungen erlitten hätten.

Die Journalistin mache spekulative und diffamierende Aussagen über die freigelassenen Palästinenser, was Ressentiments und feindliche Haltungen schüre, finden die Beanstander:innen.

Sie werfen Susanne Brunner vor, wiederholt journalistische Standards zu verletzen und eine ideologisch motivierte Berichterstattung zu betreiben. Hierbei verweisen die Beanstandenden auch auf die nach ihrer Ansicht «pauschale Kritik» Brunners an Amnesty International und deren Einstufung Israels als Apartheidstaat.

Was sagt die Redaktion?

Bezüglich Vergewaltigungen weist die verantwortliche Redaktion darauf hin, dass Links, welche die Beanstander:innen als «Beweis» für die angeblich nicht stattgefundenen Vergewaltigungen nennen, ins Leere führen und möglicherweise gefälscht sind. SRF betont, dass die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Hamas-Terroristen gut dokumentiert sind, auch durch die UNO und Menschenrechtsorganisationen.

SRF hält die Unterscheidung zwischen israelischen Geiseln und palästinensischen Gefangenen für relevant und notwendig. Die israelischen Geiseln seien unschuldige Personen, die willkürlich entführt worden seien, während die palästinensischen Gefangenen nicht ausschliesslich Frauen und Kinder seien, sondern auch tatsächliche oder mutmassliche Gewalttäter.

Die Redaktion verteidigt Susanne Brunners Aussage, dass sich unter den freigelassenen Palästinensern der nächste Sinwar befinden könnte, als plausibel. Die Autorin habe dies nicht als Tatsache behauptet, sondern als Möglichkeit in den Raum gestellt.

SRF verwendet den Begriff «Apartheid» bewusst nicht für Israel, da dieser Begriff historisch und regional spezifisch für das politische System der Rassentrennung in Südafrika sei. Es sei heikel, einen Begriff aus einem anderen historischen und regionalen Kontext anzuwenden auf einen Konflikt in einer anderen Weltregion.

Weiter hält die Redaktion fest, SRF weise in seiner Berichterstattung immer wieder auf die Kritik von Menschenrechtsorganisationen an der israelischen Administrativhaft hin. So erwähnt auch Susanne Brunner in ihrer Analyse, dass sich unter den freigelassenen palästinensischen Gefangenen Frauen und Kinder befänden, die keines Verbrechens beschuldigt worden waren.

Was sagt die Ombudsstelle?

In den Augen der Ombudsleute entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die Beanstander:innen der Auslandchefin Susanne Brunner vorwerfen, eine pro-israelische Sicht eingenommen zu haben. Seit dem 7. Oktober 2023 werde ihr nämlich von pro-israelischer Seite das umgekehrte Verhalten vorgeworfen.

Die Ombudsleute verzichten auf Ausführungen zu Vergewaltigungen durch Hamas-Terroristen seit dem 7. Oktober. Diese seien genügend belegt. Es gibt den Ombudsleuten zu denken, dass so offensichtliche Fake News von den Beanstandenden als vermeintliche Beweismittel angeführt wurden.

Es sei richtig, dass sich Palästinenser:innen zum Teil rechtswidrig in israelischer Gefangenschaft befänden und dass die Administrativhaft nach internationalen Standards willkürlich und illegal sei. Doch Geiseln seien sie gemäss Internationalem Übereinkommen nicht. Anders verhalte es sich mit den seit dem 7. Oktober 2023 verschleppten Geiseln: Sie seien von einer nichtstaatlichen bewaffneten Terrorgruppe – der Hamas – entführt und zur Erpressung von politischen oder militärischen Zugeständnissen genutzt worden, so die Ombudsleute. Und wurden teilweise vorsätzlich getötet.

Dass es sich bei den freigelassenen Palästinenser:innen «ausschliesslich» um Frauen und Kinder handle, entbehre jeglicher Grundlage. Dies lasse sich nur schon aufgrund von als echt anerkannten Bildern und Videos widerlegen.

Susanne Brunners Formulierung im Konjunktiv, dass sich unter den freigelassenen Männern auch der nächste Sinwar befinden könnte, erachten Ombudsleute als zulässig – sie erinnert an den sich in israelischer Gefangenschaft befindenden Marwan Barghouti, ehemaliger Kommandeur der Tanzim-Miliz im Westjordanland und einer der Anführer der Zweiten Intifada.

Die Ombudsleute stellen beim beanstandeten Online-Artikel keinen Verstoss gegen die Bestimmungen des Radio- und Fernsehgesetzes fest.

Text: SRG.D/dl

Tags

Alle Schlussberichte der Ombudsstelle jetzt ansehen

Weitere Neuigkeiten