Wie politisch darf das «Wort zum Sonntag» sein?

Der Theologe Jonathan Gardy kritisiert in der Samstagssendung der Schweizer Landeskirchen die Sparpläne des Bundes in der Entwicklungshilfe bei gleichzeitigem Ausbau der Armeeausgaben. Verschiedene Beanstandungen monieren daraufhin: Eine politisch so einseitige Positionierung in einem christlichen Sendegefäss sei unsachgemäss.

Darum geht es in der beanstandeten Sendung

Im «Wort zum Sonntag» vom 7. Dezember sprach der römisch-katholische Theologe Jonathan Gardy über die Kürzungen bei der Entwicklungshilfe, über welche das Bundesparlament zu diesem Zeitpunkt gerade diskutierte. Er kritisiert dort diese Sparpläne, weil sie die Schwächsten betreffen würden. Dies sei insbesondere problematisch, da der Bund gleichzeitig die Ausgaben für das Militär erhöhen will, so seine Argumentation.

«Wort zum Sonntag» vom 7.12.2024:
«Entwicklungshilfe: das Brot der Mitmenschlichkeit»

Was wird beanstandet?

Mehrere Beanstandungen empfinden die Äusserungen des Theologen als politisch einseitige Einflussnahme auf die laufende Debatte in der Politik. In einer säkularen Gesellschaft sei eine solche Einmischung problematisch.

Was sagt die Redaktion?

Die Redaktion verweist darauf, dass das «Wort zum Sonntag» seit 70 Jahren als «christlicher Kommentar zum Zeitgeschehen» konzipiert sei. So sei es legitim, dass der oder die Kommentator:in auch eine eigene Haltung vertritt.

Dass der Bund bei der Entwicklungshilfe kürzt bei gleichzeitigem Ausbau der Militärausgaben werde auch ausserhalb der Politik diskutiert. Das legitimiere eine Besprechung in der Sendung. Theologe Jonathan Gardy nehme in seinem Beitrag persönlich Stellung und mache dies auch deutlich. Die Tonalität sei sachlich, er beziehe die Argumente der Befürworter der Umlagerungen der Bundesmittel in seine Ansprache mit ein. Zudem beziehe er die politische Diskussion direkt auf eine konkrete Bibelstelle, er nehme also eine christliche Perspektive zum Sachverhalt ein, wie es das Sendekonzept vorsehe.

Und schliesslich merkt die Redaktion an, dass die Argumentation der Schweiz als säkularer Staat nicht ganz zutreffend sei. So seien die Kirchen als «Körperschaften öffentlichen Rechts» anerkannt und würden in gewissen Bereichen mit dem Staat zusammenarbeiten.

Was sagt die Ombudsstelle?

Die Ombudsstelle teilt zwar die Einwände der verschiedenen Beanstandungen, jedoch nicht aufgrund der ins Feld geführten «politischen Einseitigkeit», sondern aus anderen Gründen.

Insbesondere kritisiert die Ombudsstelle den Vergleich zwischen der gewählten Bibelstelle, in der eine Witwe zwei Münzen spendet – «viel, im Vergleich zu dem, was sie hat», wie Jonathan Gardy ausführt ­– und der staatlichen Entwicklungshilfe. Bei letzterem handle es sich schliesslich nicht um Spenden. Auch gehe es im Bibeltext eigentlich darum, dass die Reichen viel geben würden, die Armen aber mit Leidenschaft und Innigkeit – es sei also eine Gegenüberstellung von Pflichterfüllung und der wirklichen Bereitschaft, zu teilen.

Allein die Erwähnung dieser Bibelstelle genüge nicht für die Erfüllung der Anforderung einer christlichen Perspektive auf einen Sachverhalt, so die Ombudsstelle weiter. Insbesondere, da diese verkürzt und potenziell irreführend dargelegt werde. Der Auszug aus der Bibel werde vielmehr dazu instrumentalisiert, moralisierend Einfluss zu nehmen auf die laufende politische Debatte.

Die Ombudsstelle verfügt nicht über eine Weisungsbefugnis gegenüber der Redaktion, sie kann also keine Überarbeitung oder Löschung des Beitrags veranlassen. Insbesondere, schreibt sie im Schlussbericht, da der Beitrag trotz der aufgeführten Kritikpunkte die massgebenden Artikel 4 und 5 des Radio- und Fernsehgesetzes erfülle. Jedoch empfiehlt die Ombudsstelle den Redaktionsverantwortlichen, künftig ähnliche Kommentare vor allfälliger Publikation überarbeiten zu lassen.

Text: SRG.D/pz

Bild: SRF/Gian Vaitl

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